Klimaschutz auf See und in der Luft: der weite Weg zu grünen Fliegern und Schiffen
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Nicht nur die Abgase, sondern auch die Kondensstreifen von Passagierflugzeugen bereiten Klimaschützern Sorgen.
© Quelle: picture alliance / JOKER
Frankfurt. Mal schnell nach Mailand oder nach London jetten, das soll für Touristinnen, Touristen und Geschäftsreisende auch noch in 30 Jahren möglich sein. Doch dann will Deutschland auch klimaneutral sein. Um beides zu schaffen, müssen extrem dicke Bretter gebohrt werden.
Das wurde am Mittwoch auf einer Konferenz deutlich, die das Umweltministerium veranstaltet hatte. Aber immerhin gibt es nun einen Atlas, der zeigt, wo nachhaltige Kraftstoffe für die Fliegerei und auch die Seeschifffahrt herkommen könnten – aus dem fernen Argentinien zum Beispiel.
Und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte ein Förderprogramm für grüne Kraftstoffe an. An der entsprechenden Richtlinie werde derzeit noch mit Hochdruck gearbeitet, sagte sie am Mittwoch.
Politischen Gegenwind für den synthetischen Sprit sieht sie zwar nicht. Aber der Hochlauf findet nicht so statt, wie es wünschenswert sei. Wegen der hohen Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Treibstoffen. Außerdem räumte sie ein, dass auch der Ausbau der erneuerbaren Energien noch nicht so vorankomme, wie es nötig sei.
Und so wurde auf der Konferenz vor allem eines deutlich: wie gigantisch die Anstrengungen sein müssen und wie knapp die Zeit, um fürs Fliegen und für die Schifffahrt die fossilen Energiequellen zu ersetzen.
Mehrfach mahnte Christian Hochfeld, Direktor der Denkfabrik Agora Verkehrswende, dass man sich erst einmal „ehrlich machen“ müsse. Vor allem, dass auch in den kommenden Jahrzehnten mehr Passagierinnen und Passagiere mit Flugzeugen befördert und mehr Güter mit großen Schiffen transportiert werden.
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„Wir müssen deshalb auf allen Ebenen gleichzeitig agieren“, sagte Hochfeld. Zuallererst müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigt werden, um erheblich mehr des „knappen Gutes“ namens grüner Strom zu erzeugen. Und zwar nicht nur hierzulande, sondern auch international. Dieser Appell war wohl auch an Schulze gerichtet.
Es brauche ferner Kooperationen, die mutmaßlich weit über das bislang gekannte Maß multilateraler Zusammenarbeit hinausgehen. Warum daran kein Weg vorbeigeht, machte insbesondere eine von Hochfelds Grafiken deutlich: Sie zeigte die aktuellen Kosten für die Gewinnung von konventionellem Superbenzin und von Erdgas in Relation zu vergleichbaren synthetischen Kraft- und Brennstoffen.
Da muss locker mit dem Fünffachen und mehr kalkuliert werden. Wobei zu bedenken ist, dass der Sprit in der Luftfahrt der größte Kostenfaktor ist. Würde – theoretisch – von heute auf morgen auf synthetisches Kerosin umgestellt, wäre die Fliegerei unbezahlbar teuer.
Der Grund für die gewaltige Kostenhürde: Nachhaltige Kraftstoffe herzustellen ist extrem aufwendig. Zunächst braucht es erneuerbaren Strom von Solar- und Windkraftanlagen. Die elektrische Energie dient dazu, Wasser mittels Elektrolyse (siehe Chemieunterricht) in seine Bestandteile zu zerlegen, als da sind Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer muss dann noch mit Kohlendioxid synthetisiert werden, um eine Substanz herzustellen, die zum Beispiel in Düsentriebwerken verbrannt werden kann. Bei jedem dieser Umwandlungsschritte geht ein Teil der ursprünglichen Energie verloren.
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© Quelle: Reuters
Doch für Hochfeld gibt es in der Fliegerei keine Alternative zu PtL – die Abkürzung steht für Power to Liquid (etwa: Strom zu Kraftstoff). Ein Direktantrieb von großen Passagierflugzeugen mit elektrischer Energie ist derzeit nicht vorstellbar. Gleiches gilt für Schiffe, die im Langstreckenverkehr über Tausende Seemeilen unterwegs sind.
Die Fachleute des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) haben hochgerechnet, dass im Jahr 2050 für die globale Luftfahrt strombasierte synthetische Kraftstoffe mit einem Energiegehalt von 6700 Terawattstunden und für den weltweiten Schiffsverkehr von 4500 Terawattstunden benötigt werden – zum Vergleich: Deutschland wird in diesem Jahr rund 500 Terawattstunden Strom verbrauchen.
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Weltweit gigantische Potenziale für synthetischen Sprit
Die gute Nachricht ist aber: Laut IEE gibt es gibt es weltweit mehr als genug Potenzial. Doch einen Zahn musste Fraunhofer-Experte Maximilian Pfennig den Fans von erneuerbarer Selbstversorgung ziehen: „Für PtL kommen Standorte außerhalb Europas infrage.“ Das hat mit den Erzeugungskosten zu tun.
Am günstigsten sind Chile und Argentinien. Insbesondere im Süden der beiden Länder weht stetig und heftig der Wind. Hinzu kommt, dass dort viel Süßwasser für die Elektrolyse zur Verfügung steht. Die größten Flächenpotenziale haben hingegen die USA und Australien.
Etwas näherliegend für Deutschland sind Russland und Ägypten. Das nordafrikanische Land eignet sich besonders für Kombianlagen, die mit Wind und Sonne Strom erzeugen. Zudem gibt es Binnengewässer – vor allem den Nil. Das alles geht aus dem weltweit ersten PtX-Atlas hervor, der am Mittwoch präsentiert wurde (PtX steht für Power to X – mit dem X als Platzhalter).
Für den Atlas seien starke Nachhaltigkeitskriterien und sozialökonomische Kriterien zugrunde gelegt worden, erläuterte IEE-Chef Kurt Rohrig. So waren etwa Naturschutzgebiete oder Regionen mit Wasserknappheit bei der Standortsuche tabu.
Schulze betont mögliche positive Effekte für deutsche Wirtschaft
Jetzt müssen nur noch die Regierungen in den jeweiligen Ländern davon überzeugt werden, dass sie eine PtL-Industrie aufbauen. Rohrig betonte denn auch, dass der limitierende Faktor bei der Umsetzung nicht die verfügbaren Flächen seien, „sondern vielmehr die maximal mögliche Ausbaudynamik bei den erneuerbaren Energien“.
Schulze kehrte indes die möglichen positiven Effekte für die deutsche Wirtschaft hervor: „Mit dem Markthochlauf der PtX-Technologien entstehen viele neue Arbeitsplätze.“ Für Entwicklung und Produktion werde das Know-how von Forscherinnen und Forschern, Ingenieuren und Ingenieurinnen sowie Fachkräften aus ganz Deutschland gebraucht und zugleich die nachhaltige Entwicklung in den Partnerländern vorangebracht.