Kein Gasmangel: Warum die Speicherbetreiber plötzlich optimistisch sind
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Wahrscheinlich sinken die Füllstände deutscher Gasspeicher diesen Winter nicht unter zwei Drittel.
© Quelle: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
Berlin. Sebastian Bleschke hat zum neuen Jahr frohe Kunde. „Wenn die aktuell starken Verbrauchseinsparungen weiterhin anhalten, wird Deutschland gut durch den Winter kommen“, sagt der Chef der Initiative Energien Speichern (Ines). Deren Mitglieder decken gut 90 Prozent der deutschen Gasspeicherkapazitäten ab. Neben den Sparanstrengungen der Deutschen ist dafür mit dem Klimawandel auch bedenklicher Bundesgenosse verantwortlich. Denn der jetzige Winter ist extrem milde. Was auf der einen Seite Klimagefahren signalisiert, ist auf der anderen Seite gut für Gasspeicherstände. Selbst falls sich sonst alles gegen die Bundesrepublik verschwört, sei diesen Winter keine Gasmangellage zu befürchten, hat Ines in Berechnungen ermittelt.
Auch ein Extremszenario wurde dafür jetzt durchgespielt. Es unterstellt drastisch sinkende Temperaturen auf einen Monatsschnitt von im Januar minus 4,6 Grad Celsius, ein Absacken von Flüssiggaslieferungen (LNG) nach Europa, etwa weil China plötzlich größere LNG-Mengen für sich zusätzlich abzweigt sowie ein völliges Ausbleiben russischen Pipeline-Gases auch über Lettland, die Ukraine und die Türkei. In dem Fall würden die Gasfüllstände der deutschen Speicher im März auf nahe Null sinken, danach aber wieder steigen. Gesetzliche Füllstandsgrenzen, die für Ende Januar bei 40 Prozent liegen, würden aber auch dann eingehalten, betont Bleschke.
Bundeskanzler Olaf Scholz eröffnet erstes LNG-Terminal
Es ist keine zehn Monate her, dass Kanzler Scholz in seiner „Zeitenwende“-Rede die Errichtung von Flüssigerdgas-Terminals in Deutschland angekündigt hat.
© Quelle: dpa
Zugleich macht er klar, wie unwahrscheinlich ein solches Szenario wäre. Denn bisher liegen die Temperaturen im statistisch kältesten Jahresmonat Januar in Deutschland bei über sieben Grad Celsius und damit um zwölf Grad über dem theoretischen Kaltwinterszenario von Ines. Für eine rasche Erholung der chinesischen Wirtschaft und damit einen dort steigenden LNG-Bedarf gibt es ebenso wenig Hinweise, wie für einen russischen Lieferstopp über noch genutzte Gaspipelines.
Derzeit zeichnet sich nach Ines-Berechnungen etwas ganz anderes ab. Am wahrscheinlichsten sei, dass deutsche Gasspeicher ihr Minimum im März und April bei noch zwei Dritteln erreichen. Bereits Ende August wären sie dann wieder ganz voll. Das hat aber zur wichtigen Voraussetzung, dass die Sparbemühungen nicht nachlassen.
Sparanstrengungen fruchten, der milde Winter hilft
Die sind nach Ines-Statistiken durchaus bemerkenswert. 2022 wurden in Deutschland demnach 878 Terawattstunden (TWh) Gas verbraucht. 2021 waren es noch über 1.000 TWh. Der Rückgang lag vor allem auch an mit Gas heizenden deutschen Haushalten, wozu Bleschke ein Beispiel bietet. Im Heizmonat Februar 2022 mit 4,3 Grad Celsius Durchschnittstemperatur hätten deutsche Haushalte täglich 1,9 TWh verheizt. Im Dezember 2022 mit der deutlich niedrigeren Temperatur von im Schnitt 1,8 Grad Celsius sei der Verbrauch mit 1,8 TWh aber sogar niedriger gewesen.
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Neben Privathaushalten spart auch die deutsche Industrie. Temperaturbereinigt lag der Gasverbrauch allein in den letzten beiden Wochen des Jahres 2022 um gut ein Fünftel unter dem Schnitt der vergangenen vier Jahre, sagt die Bundesnetzagentur. Eine Folge dieser sinkenden Nachfrage ist, dass die Großhandelspreise für Gas zuletzt sanken. Für die Preisentwicklung wagt Ines allerdings keine Prognose. Tendenziell sorge geringere Nachfrage für billigeres Gas, räumt Bleschke ein. Aber es gebe zu viele andere Faktoren für eine sichere Vorhersage.
Ideen zur Dämpfung der Gaspreise hat Ines dennoch. So solle man zur Befüllung deutscher Gasspeicher monatliche Ausschreibungen für kleinere Mengen durchführen. Auf diese Weise könne man von kurzfristig sinkenden Marktpreisen besser profitieren. Bis niedrigere Gaspreise beim Endkunden ankommen, dauere es aber ein Zeit, relativiert Bleschke.