“Kein Beruf, wie jeder andere”: Frauenrechtsverband fordert Ausstiegsprogramm für Prostituierte
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Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, ebnet kaum jemand den Weg, weswegen Frauenrechtlerinnen ein spezielles Programm für sie fordern. Denn Prostitution ist für sie kein Beruf wie jeder andere.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Boppard. Die Frauenrechtsorganisation Solwodi verlangt, den coronabedingten Bann von Prostitution in ein generelles Sexkaufverbot übergehen zu lassen. “Die Ministerpräsidenten sollen sich mit der entsprechenden Aufforderung von Bundestagsabgeordneten auseinandersetzen und öffentlich Stellung zu ihrem Schreiben beziehen”, sagte Verbandsreferentin Helga Tauch der Deutschen Presse-Agentur anlässlich des Welthurentages (2.6.). Solwodi steht für “Solidarity with women in distress” (Solidarität mit Frauen in Bedrängnis). Die baden-württembergische Abgeordnete und Mitunterzeichnerin Leni Breymaier (SPD) sagte, auf sie sei bislang keiner der Regierungschefs zugekommen. Sie habe auch nichts dergleichen von ihren Kollegen gehört.
Reha und Traumatherapie für die Sexarbeiterinnen
Der Brief der 16 Parlamentarier für einen andauernden Shutdown für Prostitution ist nach den Worten Tauchs angesichts der "einflussreichen Lobby der Sexindustrie" sehr mutig. Deutschland sei europaweites Schlusslicht beim Bann von käuflichem Sex und damit zum "Bordell Europas" verkommen, das für mafiöse Strukturen anfällig sei. Prostitution ist in Deutschland seit 2002 legal.
Zugleich müssten für ausstiegswillige Frauen staatlich finanzierte Programme aufgelegt werden. "Wir müssen umdenken - Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere, die Frauen sind permanenter Gewalt und immer krasseren Kundenwünschen ausgesetzt." Sie bräuchten für einen gelingenden Ausstieg eine Art Reha, Traumatherapien sowie Sprach- und Bildungsangebote, sagte die Sozialarbeiterin. Schließlich zahlten sie Steuern. In Bonn etwa betragen diese für Frauen auf dem Straßenstrich sechs Euro pro Nacht inklusive der Nutzung sogenannter Verrichtungsboxen, wie Tauch schildert.
Verband hofft auf Sexkaufverbot in Deutschland
Derzeit erhielten potenzielle Aussteigerinnen bei manchen Beratungsstellen keine Hilfe für ein neues Leben, sondern Empfehlungen für Bordelle mit erträglicheren Bedingungen.
Ein Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild gibt es bereits in Irland, Island, Norwegen und Frankreich. Wichtigster Punkt sei, dass nicht die Frauen kriminalisiert würden, sondern die Freier, sagte Tauch. “Das hat nichts mit Prüderie zu tun.” Solwodi hofft auch auf prominente Unterstützung in der EU. In einem Brief an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) wirbt die Organisation für das Nordische Modell auch in Deutschland. Das Europäische Parlament habe das den Mitgliedsstaaten schon 2014 nahegelegt.
Solwodi mit Sitz in Boppard ist ein zum Großteil über Spenden finanzierter Verein mit sieben Schutzwohnungen für 18 Aussteigerinnen. Für die Plätze gibt es eine Warteliste. Der Welthurentag geht auf die Besetzung einer Kirche in Lyon durch Frauen in der Prostitution am 2. Juni 1975 zurück. Durch die Aktion wollten sie auf ihre Diskriminierung aufmerksam machen.
RND/dpa