IWF schlägt Alarm: Weltwirtschaft droht eine historische Rezession
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FVXN63LCRRCYRMSSUAZBKG2H7U.jpg)
Der IWF rechnet mit drastischen wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus.
© Quelle: imago/Panthermedia/photothek/RND Montage Behrens
Gita Gopinath geht es vor allem darum, zu warnen und an die Staatsoberhäupter zu appellieren: Multilaterale Kooperation sei maßgeblich für eine globale Gesundung von Corona. Die Chefvolkswirtin des Internationalen Währungsfonds (IWF) meint das im medizinischen und im ökonomischen Sinn. Denn für Gopinath und ihr Team steht die Welt vor der tiefsten Krise seit der Depression der 1930er-Jahre. Der „große Lockdown“ werde auch erheblich schlimmer ausfallen als die Finanzkrise des Jahres 2009. Für Deutschland wird ein Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr um 7 Prozent prognostiziert. Für die gesamte Euro-Zone sogar von minus 7,5 Prozent – weil es in Frankreich, Spanien und vor allem in Italien noch viel stärker bergab gehen dürfte.
Die USA kämen demnach mit einem Schrumpfen des Inlandsprodukts um “nur” 5,9 Prozent noch einigermaßen glimpflich davon. China hat im aktuellen World Economic Outlook sogar die Funktion von einer Art Hoffnungsträger. Denn der Volksrepublik trauen die Experten ein Plus – wenn auch ein bescheidenes – von 1,2 Prozent zu. Die globale Entwicklung der Wirtschaftsleitung taxiert der IWF in der am Dienstag vorgestellten Studie auf minus 3 Prozent. Im Januar wurde noch ein Plus von 3,3 Prozent hochgerechnet. In der Finanzkrise war die Wirtschaftsleistung nur um 0,1 Prozent gefallen.
IWF-Prognose recht optimistisch
Die nun aktualisierten Zahlen des sogenannten Basisszenarios beruhen dabei auf einer recht optimistischen Prognose über den Verlauf der Pandemie. Die Volkswirte gehen davon aus, dass die Verbreitung des Coronavirus sich in der zweiten Jahreshälfte verlangsamt, dass die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierungen greifen, dass Pleitewellen bei Unternehmen, Massenarbeitslosigkeit und schwere Belastungen der Finanzsysteme vermieden werden. Unter diesen Umständen könne es 2021 wieder ein weltweites Wachstum von 5,8 Prozent geben. Dennoch gehe in den beiden Krisenjahren insgesamt eine wirtschaftliche Leistung verloren, die über dem BIP von Deutschland und Japan zusammengerechnet liege.
Gopinath macht deutlich, dass die nationalen Regierungen nun “großzügig in ihre Gesundheitssysteme” investieren, dass sie Virustests möglichst flächendeckend organisieren und auf Handelsbeschränkungen bei medizinischer Ausrüstung und medizinischen Geräten verzichten müssten. Und vor allem: Impfstoffe und Medikamente gegen Covid-19 sollen unmittelbar und ohne Einschränkung in reichen und armen Ländern gleichermaßen eingesetzt werden, sobald diese zur Verfügung stünden. Die kooperativen Anstrengungen seien notwendig, um eine Deglobalisierung zu verhindern. So will die Chefvolkswirtin sicherstellen, dass eine Gesundung nicht durch fehlende Effizienz bei den Maßnahmen blockiert wird.
Es könnte auch schlimmer kommen
Andernfalls sieht es nach den IWF-Szenarien sehr düster aus: Misslingt das Zurückdrängen des Virus in der zweiten Jahreshälfte, müssten Ausgangsbeschränkungen verlängert werden, die finanzielle Lage verschlechtere sich, Lieferketten würden zerrissen: Die globale Wirtschaftsleistung werde dann in diesem Jahr um zusätzliche 3 Prozent schrumpfen. Setzt sich die Pandemie auch im nächsten Jahr fort, werde es weitere Einbußen beim globalen BIP um 8 Prozent geben. Gopinath macht in diesem Zusammenhang klar: Die Wiederbelebung der Ökonomie hänge entscheidend von den medizinischen Erfolgen ab. Deshalb können das Retten von Leben und das Retten von Lebensstandard auch nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Der IWF indes will seine insgesamt 1000 Milliarden Dollar starke Programme mit Hilfskrediten einsetzen, um besonders stark betroffenen Staaten zu helfen. Zudem sollen den ärmsten Ländern Schulden erlassen werden.
Erste Schritte in diese Richtung hat die Organisation bereits getan: Für 25 Entwicklungsländer gibt es Geld, mit dem das Abzahlen von Schulden erleichtert werden soll. Damit sollen finanzielle Spielräume geschaffen werden, um vor allem die medizinische Versorgung verbessern und andere Notfallmaßnahmen umsetzen zu können. Der IWF-Vorstand bewilligte die Darlehen für eine Reihe afrikanischer Staaten sowie für Afghanistan, Nepal, Haiti und den Jemen. Das Geld kommt aus einem Katastrophenhilfsfonds, der vor fünf Jahren für die Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika geschaffen worden war und nun umgemünzt wird. In diesem Topf befinden sich 500 Millionen Dollar. Die größten Beitragszahler sind bislang Japan, Großbritannien, China und die Niederlande.
Arme Länder brauchen mehr Hilfe
IWF-Direktorin Kristalina Georgieva warb für eine Aufstockung des Fonds und rief auch andere Staaten auf, Geld einzuzahlen. Zusätzliche Unterstützung vom IWF bekommen die westafrikanischen Staaten Ghana und Senegal – mit Krediten in Höhe von einer Milliarde Dollar und weiteren etwa 440 Millionen Dollar. In beiden Staaten brauchten die Regierungen zusätzliche Liquidität, erklärte ein IWF-Sprecher.
Dutzende Entwicklungs- und Schwellenländer haben wegen der Corona-Krise bereits beim Währungsfonds Notkredite beantragt. In Afrika hat die Organisation unter anderem bereits Madagaskar, Togo, Gabun und Ruanda Hilfe zugesagt. Auch das ölreiche Nigeria hat beim IWF ein Gesuch eingereicht – das Land leidet unter dem massiven Verfall der Ölpreise. In Nordafrika hat Tunesien bereits einen Kredit erhalten.