IW-Studie: So könnte eine Quote für grünen Stahl und Kunststoff Millionen Tonnen CO₂ sparen
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Die Vergabe öffentlicher Großaufträge ist bisher kaum an Klimaschutzstandards geknüpft.
© Quelle: imago images/Jürgen Heinrich
Hannover. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, schraubt die Politik derzeit vor allem am CO₂-Preis. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zeigt nun eine weitere Maßnahme, mit der Deutschland den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase deutlich reduzieren könnte. Dabei geht es um die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Bauwirtschaft.
CO₂-Ausstoß wie der innerdeutsche Flugverkehr
Laut IW könnte der Staat jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen einsparen, und somit so viel, wie der innerdeutsche Flugverkehr jedes Jahr verursacht, wenn bei öffentlichen Bauprojekten 30 Prozent grüne Baustoffe eingesetzt würden. Eine verbindliche Quote für grünen Stahl und grünen Kunststoff würde den Staatshaushalt dabei mit insgesamt 512 Millionen Euro belasten.
„Viele Bundesländer haben sich zum Ziel gesetzt, die öffentlichen Verwaltungen klimaneutral zu gestalten. Dabei geht es dann zum Beispiel um den Fuhrpark und die Gebäude“, sagt Thilo Schaefer, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt, Energie und Infrastruktur beim IW. „Eine klimafreundliche öffentliche Beschaffung kommt dagegen oft gar nicht in den Überlegungen vor. Obwohl das mindestens ein genauso großer Hebel ist.“
Stahlindustrie großer Emittent
So verursacht die Erzeugung und Verarbeitung von Stahl laut Bundeswirtschaftsministerium etwa 6 Prozent aller deutschen Treibhausgas-Emissionen. Die Stahlindustrie ist damit die Branche mit dem größten CO₂-Ausstoß in der Industrie. Die IW-Wissenschaftler setzen deshalb genau hier an: Bis 2030 müsste laut ihren Berechnungen 30 Prozent des Stahls, der in öffentlichen Aufträgen verbaut wird, klimaneutral hergestellt werden, um das Emissionsziel zu erreichen. Das Gleiche gilt für Kunststoff, der zum Beispiel für Rohre oder Fenster benötigt wird.
Pilotanlagen werden gerade gebaut
Doch die Herstellung der grünen Baustoffe ist bisher in Deutschland noch fast nicht möglich. „Stahlwerke, die mit grünem Wasserstoff statt mit Kohle und Koks betrieben werden, gibt es bei uns noch nicht“, sagt Malte Küper, Studienautor und Energieingenieur am IW. „Die Stahlhersteller sind aber dabei, erste Pilotanlagen aufzubauen. In Schweden wurde diesen Sommer bereits die erste Tonne klimafreundlicher Stahl produziert.“
Dabei reiche es nicht aus, bestehende Anlagen umzurüsten, es müssten neue Produktionsstätten, sogenannte Direktreduktionsanlagen, gebaut werden, die auf den Geländen der Stahlwerke entstehen sollen. „Dort existiert die notwendige Infrastruktur, auch die vor- und nachgelagerten Verarbeitungsschritte sind schon vor Ort“, sagt Küper.
Hohe Investitionskosten
Doch diese Investition in die neuen Anlagen sei für die Konzerne sehr kostspielig. Außerdem ist der benötigte grüne Wasserstoff derzeit noch rar und teuer. Entsprechend hoch werden die Betriebskosten der Anlagen sein, wenn sie einmal stehen. Und auch der grüne Stahl wird anfangs deutlich mehr kosten als konventionell hergestellter Stahl. „Die Abnahme klimafreundlicher, aber zunächst höherpreisiger Produkte durch die öffentliche Hand kann die Investitionssicherheit der Industrie deutlich verbessern“, argumentiert Küper.
Grundsätzlich könnte der grüne Stahl für die öffentlichen Aufträge auch importiert werden. Doch die Politik hat ein Interesse daran, die umsatz- und beschäftigungsstarke Industrie in Deutschland zu halten. „Das weltweite Interesse an klimaneutralen Grundstoffen wird in den kommenden Jahren zunehmen, für Anbieter von grünem Stahl oder grünem Kunststoff bieten sich daher trotz hoher Investitionssummen enorme Chancen“, sagt Küper voraus.
Grüner Wasserstoff muss auch importiert werden
Bleibt nur die große Frage, wo denn der grüne Wasserstoff herkommen soll, der für die Produktion von klimafreundlichem Stahl und Kunststoff in großen Mengen gebraucht wird. Dazu hat Deutschland vor gut einem Jahr die Nationale Wasserstoffstrategie beschlossen. Sie soll grünen Wasserstoff marktfähig machen. Bis 2023 steckt die Bundesregierung 300 Millionen Euro in die Förderung.
Aber der grüne Wasserstoff könne nicht ausschließlich aus Deutschland kommen, dafür reichten die Potenziale und das bisherige Ausbautempo erneuerbarer Energien hierzulande nicht aus, sagt Energieexperte Küper. „Politik und Wirtschaft arbeiten deshalb bereits an Energiepartnerschaften mit Ländern, in denen es sehr gute Bedingungen zur Erzeugung von Wind- und Solarstrom und damit Wasserstoff gibt.“
Dazu zählten neben den EU-Ländern Spanien und Ukraine derzeit vor allem Marokko und Saudi-Arabien. Langfristig würden außerdem auf den Schiffsimport aus Australien und Chile große Hoffnungen gesetzt.