Inflationsbooster: Konsumenten im Kaufrausch, teure Nahrungs­mittel und der Klimaschutz

Die Spritpreise steigen und steigen.

Die Spritpreise steigen und steigen.

Frankfurt. Superzyklen sind so etwas wie die Schwarzen Löcher der Ökonomie. Rätselhafte Phänomene, denen ungeheure Kräfte zuge­schrieben werden. Vor allem bei Analysten und Investment­profis in den USA machen diverse Szenarien die Runde – seit Beginn der Erholung nach dem Ende der Lockdowns.

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Andauernde Teuerung droht

Schon im Frühjahr wurde der Beginn eines Superzyklus bei Grund- und Rohstoffen sowie Nahrungs­mitteln durchgespielt. Sollte es so kommen, wäre es für Verbraucher eine ziemlich schlechte Nachricht. Denn die Folgen wären: dauerhaft steigende Preise auch für Gemüse, Fleisch oder Salat. Und eine stetig hohe Inflation.

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Die harmlosen Wirtschaftszyklen laufen so: Bei hoher Nachfrage und steigenden Preisen erhöhen die Hersteller die Produktion, was dazu führt, dass die Preise wieder sinken. Bei Superzyklen ist die Ausweitung des Angebots über einen längeren Zeitraum nicht möglich. Deshalb die dauernde Teuerung.

Superzyklus als Treiber der Teuerung

Wie eine Bestätigung für diese These lesen sich die Zahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag veröffentlicht hat. Demnach sind die Erzeugerpreise für landwirt­schaftliche Produkte im August um 13,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Haupt­verant­wortliche waren die Früchte vom Feld und aus dem Gewächshaus.

Die Wiesbadener Statistiker heben hervor: Das große Plus sei „wie bereits in den vergangenen Monaten vor allem auf die gestiegenen Getreide­preise zurückzuführen“. Sie lagen zuletzt um ein Drittel über Vorjahres­niveau, was der höchste Anstieg seit Januar 2014 sei. Ausschlag­gebend waren magere Ernten hierzulande und anderswo.

Handel mit China auch ein Auslöser

Das immer wieder heftige Auf und Ab gehört zur Normalität bei Getreide und anderen landwirt­schaftlichen Produkten. Das Wetter spielt da eine wichtige Rolle. Auch Einschränkungen durch Lockdowns sind immer noch spürbar. So fehlt es vielfach an Arbeits­kräften, die säen und ernten können. Dennoch: Experten vermuten, dass da eine Art Unter­strömung wirkt, die dauerhaft und robust ist.

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Sabrina Jacobs vom Anlageprofi „Inside Investments“ macht auf den chinesischen Markt aufmerksam: „So ist mit dem dortigen Einkommenswachstum auch die Nachfrage nach höher­wertigen Lebens­mitteln wie Fleisch, Geflügel, Fisch und Milch­produkten gestiegen, mit der die heimische Produktion nicht Schritt halten kann.“ Das heißt, auch europäische Bauern können verstärkt ihre Produkte in der Volksrepublik teuer verkaufen, was letztlich auch hierzu­lande das Preis­niveau nach oben schiebt.

Die Inflation wird im neuen Jahr nach­lassen

Zumal die Wachstums­potenziale Chinas gigantisch sind. Auch der Inter­nationale Währungs­fonds erwartet für das nächste Jahr einen weltweit „anhaltenden Druck auf die Lebensmittel­preise“. Und laut Destatis haben sich im September neben Energie auch Nahrungs­mittel binnen Jahresfrist über­durch­schnittlich verteuert.

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Dauerhaft hohe Inflation? Das derzeit dominierende Narrativ der hiesigen Volkswirte besagt etwas ganz anderes: Die ruckartige Erholung nach dem Ende der Lockdowns habe in den vergangenen Monaten die Nachfrage nach so ziemlich allem deutlich nach oben getrieben – vom Erdgas bis zum Smartphone. Deshalb steige die Inflation bis zum Jahresende zwar, sie werde im neuen Jahr aber wieder spürbar nachlassen, weil sich die Verwerfungen allmählich auswachsen.

Risiken im Klein­gedruckten

„Eine Rückkehr in die Größen­ordnung von 2 Prozent sehen wir zur Jahresmitte“, sagte Sebastian Dullien, Direktor des gewerk­schafts­nahen Instituts IMK, dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Auch die am Donnerstag vorgelegte Herbst­prognose von fünf Instituten im Auftrag des Wirtschafts­ministeriums geht davon aus, dass die Verbraucherpreise in diesem Jahr zwar um 3 Prozent, aber 2022 noch um 2,5 und 2023 sogar nur noch um 1,7 Prozent steigen werden.

Aber unter der Überschrift „Risiken“, quasi im Klein­gedruckten des Gemein­schafts­gutachtens, ist von erheblichen Inflations­gefahren die Rede. Die Forscher machen sich um die „angehäuften Ersparnisse“ der Verbraucher Sorgen. Während der Lockdowns konnten sie ihr Geld nicht ausgeben, also horteten sie es auf den Girokonten.

Die Guthaben würden das „in normalen Zeiten übliche Maß weit übertreffen“. Wehe, wenn sie losgelassen werden, wenn die Sparpolster zum Nachholen von Konsum­ausgaben genutzt werden. Dann würde sich der Großteil eines solchen Nach­frage­schubs „in eine weiter beschleu­nigte Inflation umsetzen“, heißt es in der Herbst­prognose.

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Die Lohn-Preis-Spirale als Inflations­booster

Der Hauptgrund: In vielen Länder und Branchen zeichneten sich bereits Engpässe am Arbeits­markt ab. „Damit dürfte das Angebot zu wenig elastisch sein, um größere Nach­frage­schübe ohne spürbar höhere Teuerungs­raten aufzufangen.“ Gemeint ist damit, dass es schlicht an Leuten fehlt, um die Produktion hoch­zufahren.

Tatsächlich wird hierzulande nicht nur in der Agrarbranche hände­ringend nach Arbeits­kräften gesucht. Vor allem der Industrie fehlen vielfach qualifizierte Fachkräfte. Im Herbst­gutachten heißt es: Knapp­heiten am Arbeitsmarkt könnten zu stärkeren Lohn­steigerungen führen, als in der Prognose unterstellt werde. Dies könne in eine dauerhaft höhere Inflation münden.

Preissprung: Inflation so hoch wie seit 1993 nicht mehr
Banknoten sind ein gesetzliches Zahlungsmittel. Manche H��ndler akzeptieren die Scheine trotzdem nicht.

Die Teuerung in Deutschland zieht deutlich an – so stark wie seit 1993 nicht mehr. Volkswirte hatten das erwartet.

Hier wird ein anderes Schwarzes Loch der Ökonomie beschworen: die Lohn-Preis-Spirale. Ein Effekt, der sich wechsel­seitig hoch­schraubt. Wenn die Industrie höhere Kosten nicht ausgleichen kann, muss sie die Preise erhöhen. Das zwingt die Gewerk­schaften dazu, für hohe Lohn­abschlüsse zu kämpfen. Diese erhöhen die Kosten für die Unter­nehmen und so weiter.

Neben teuren Nahrungs­mitteln und einer Lohn-Preis-Spirale könnte als weiterer Inflations­booster der Klima­schutz hinzu­kommen. Allerdings handelt es sich hier eher um eine Blackbox: Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die anstehenden gigantischen Klima­investitionen auf die gesamt­wirtschaftliche Teuerung haben. Immerhin fordern Experten, dass der deutsche Staat von 2022 an jährlich mal locker um die 50 Milliarden Euro in die Hand nehmen soll. Doch hier fehlt es bislang an Expertisen, die preistreibende Faktoren bewerten.

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Darüber hinaus wird aber derzeit von vielen Seiten eine konse­quentere Bepreisung von CO₂-Emissionen verlangt. Die derzeit geltenden 25 Euro pro Tonne für Sprit und Erdgas zum Heizen machen sich bei den Kosten für fossile Energie deutlich bemerkbar. Was passiert, wenn diese Abgaben verdoppelt oder verdreifacht werden?

Notenbanker im Dilemma

Dullien bleibt gelassen, zumindest für die nahe Zukunft: „Wir prognosti­zieren keinen weiteren Anstieg der Energie­preise. Ein kleiner Effekt wird durch die höheren CO₂-Preise für Sprit und Erdgas kommen“, sagte er dem RND. Bei den Preisen für Kohlen­dioxid sei ohnehin nicht entscheidend, dass sie extrem schnell erhöht werden. „Viel wichtiger ist Verlässlich­keit“, erläutert Dullien. Weil so länger­fristige Signale ausgesendet würden „und bei der Anschaffung eines neuen Autos in drei oder vier Jahren ein Elektro­auto bestellt wird“.

Auch vor einer Lohn-Preis-Spirale hat der Wirtschafts­wissen­schaftler keine Angst. Die Forderungen der Gewerkschaften lägen aktuell auf dem Niveau von 2019. Seinerzeit seien die Löhne dann schließlich um knapp 3 Prozent gestiegen. Das entspreche dem Ziel der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent Inflation plus einem Prozent Produktivitäts­wachstum.

Für den IMK-Direktor ist denn auch unterm Strich klar: „Es gibt derzeit keine verlässlichen Anzeichen, warum die Inflation aus dem Ruder laufen sollte.“ In der Debatte um ein mögliches Ende der Null-Zins-Strategie der EZB sieht Dullien deshalb auch keinen Handlungs­bedarf. Mit Aktionismus seitens der Notenbank gefährde man derzeit mehr, als man Gutes tue. Im Herbst­gut­achten heißt es hingegen, dass die inflationären Tendenzen demnächst so stark zunehmen könnten, „dass eine Straffung der Geldpolitik notwendig wird“.

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Doch die Autoren wollen an eine Umsetzung nicht glauben. Viele Staaten seien auf niedrige Zinsen angewiesen, um ihre Verschul­dung zu stemmen. Die Noten­banker könnten deshalb genötigt sein, „ihre Politik an fiskalischen Notwendig­keiten und nicht am Ziel der Preis­niveau­stabilität auszu­richten“. Im Klartext: Die Inflation würde von der Leine gelassen.

RND

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