Sparkassen: Mehr als jeder zweite Haushalt kann bald nicht mehr sparen – Experten warnen vor Folgen
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Die Sparkassen rechnen mit einer sinkenden Sparfähigkeit der Deutschen. Knapp 60 Prozent der Haushalte könnten bei anhaltender Inflation keine Rücklagen mehr bilden.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Berlin. Die Mehrheit der Bundesbürger kommt nach Einschätzung der Sparkassen wegen der hohen Inflation zunehmend an finanzielle Grenzen. „Wir rechnen damit, dass wegen der deutlichen Preissteigerung perspektivisch bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihre gesamten verfügbaren Einkünfte – oder mehr – monatlich für die reine Lebenshaltung werden einsetzen müssen“, sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis der „Welt am Sonntag“. Vor einem Jahr waren laut Sparkassen-Vermögensbarometer lediglich 15 Prozent nicht in der Lage, Geld zurückzulegen.
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Auch Volks- und Raiffeisenbanken beobachten einen geringeren Spielraum der Kunden. „Die hohe Inflation entzieht den Verbrauchern Kaufkraft, dadurch sinkt die Sparfähigkeit“, sagte der Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Martin, der Zeitung. Noch profitierten viele von Ersparnissen, die sich während der Corona-Zeit wegen fehlender Konsummöglichkeiten angesammelt hätten. „Der Spitzenwert der Sparquote lag bei rund 16 Prozent im Jahr 2020, für 2022 erwarten wir eine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau von elf Prozent“, sagte Martin.
Bei den Sparkassen rechnet man insbesondere im Herbst und Winter mit einer deutlichen Verschärfung der Situation, gerade bei Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die angespannte Lage zeigt sich laut Deutschem Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bereits bei der Überziehung des Girokontos. Wer den sogenannten Dispositionskredit nutze, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken, der schöpfe den Rahmen im Durchschnitt inzwischen „deutlich weiter aus“.
Die Grünen fordern, die Höhe der Dispozinsen zu begrenzen, die im Schnitt aktuell bei knapp zehn Prozent liegen. „Grundsätzlich halten wir Grüne es für notwendig, Dispozinsen gesetzlich zu deckeln“, sagte der Grünen-Finanzpolitiker Stefan Schmidt der „Welt am Sonntag“. Der Zinsdeckel solle die Menschen vor ausufernden Kosten schützen.
DIW-Präsident Fratzscher warnt vor permanentem Wohlstandsverlust
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht Deutschland angesichts rasant steigender Preise und einbrechender Konsumlaune vor einer längeren Durststrecke. Der „Preisschock“ sorge für einenpermanenten Wohlstandsverlust in großen Teilen der Bevölkerung, sagte Fratzscher dem „Spiegel“. Betroffen seien gerade die unteren 40 Prozent der Gesellschaft, die nahezu ihr gesamtes Einkommen für ihren Lebensunterhalt ausgäben und kaum etwas sparten. „Sie konsumieren alles nicht unbedingt Lebensnotwendige künftig deutlich zögerlicher bis gar nicht mehr“, sagte der Ökonom.
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Die Bundesbürger halten ihr Geld derzeit zusammen wie lange nicht. Das Statistische Bundesamt meldete für Juli den größten Rückgang beim Einzelhandelsumsatz seit 1994. Fratzscher befürchtet eine Abwärtsspirale: „Eine hohe Inflation drückt die Kauflaune der Kunden, das sorgt für weniger Geld bei den Unternehmen, um zu investieren. Das könnte eine Abwärtsspirale mit einer für ein oder zwei Jahre anhaltenden schwachen Wirtschaftsleistung in Gang setzen.“ Wenn Menschen mit geringen Einkommen weniger ausgäben, sei das gesamtwirtschaftlich viel bedeutsamer, als wenn die oberen zehn Prozent sparten, sagte der DIW-Präsident.
RND/dpa