Die EZB beschränkt sich weiter auf Worte

Christine Lagarde ist seit 2019 Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Christine Lagarde ist seit 2019 Präsidentin der Europäischen Zentralbank.

Hannover. Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich von der hohen Inflation vorerst nicht beeindrucken. Der Leitzins bleibt bei null, Anleihen werden weiter wie geplant gekauft. Nach der Sitzung des EZB-Rats schlug Präsidentin Christine Lagarde allerdings einen etwas anderen Ton an als bisher: Man habe die Inflation unterschätzt, die Risiken seien gewachsen, im EZB-Rat sei man besorgt darüber. Es habe eine „sehr ernsthafte und tiefe Diskussion“ über die Inflation gegeben, sagte Lagarde.

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Für eine Abkehr von der jahrelangen Krisenpolitik fehlten allerdings noch verlässliche Daten zum Beispiel über die weitere Entwicklung der Löhne und der Energiepreise. Lagarde deutete eine mögliche Kurskorrektur in der Märzsitzung des EZB-Rats an. Dann werde man die nötigen Entscheidungs­grundlagen haben.

EZB-Präsidentin Lagarde: Inflation wird vorerst hoch bleiben
FRANKFURT AM MAIN, GERMANY - FEBRUARY 03: Christine Lagarde, President of the European Central Bank, speaks to the media following a meeting of the ECB Governing Council on February 03, 2022 in Frankfurt, Germany. Inflation in the Eurozone, driven by rising energy prices and consequences of supply chain bottlenecks, has outpaced ECB forecasts. (Photo by Thomas Lohnes/Getty Images)

Die zuletzt sprunghaft gestiegene Teuerungsrate in der Euro-Zone wird aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor allem kurzfristig noch hoch bleiben.

Dax kommt unter Druck

Schon diese Andeutung zeigte an den Finanzmärkten Wirkung: Aktien gerieten wegen der Aussicht auf steigende Zinsen am Nachmittag unter Druck, der Dax verlor während Lagardes Auftritt knapp ein Prozent. Die Renditen von Anleihen stiegen, für zehnjährige Bundes­anleihen liegen sie erstmals seit drei Jahren wieder klar über der Nulllinie. Der Trend bei den langfristigen Zinsen zeigt also bereits nach oben.

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Verbraucher spüren das nach Angaben des Hypotheken­vermittlers Interhyp schon seit einiger Zeit: Der Zins für zehnjährige Baudarlehen sei bereits auf rund 1,2 Prozent gestiegen und könne in diesem Jahr noch 1,5 Prozent erreichen. „Auch wenn die Konditionen im historischen Vergleich noch immer niedrig sind, bedeutet die sich manifestierende Zinswende beim Baugeld für viele Immobilien­käufer einen höheren finanziellen Aufwand“, sagte Interhyp-Vorstands­mitglied Mirjam Mohr.

Die Bank of England geht voran

Die EZB gehört bei dieser Entwicklung aber weiter zu den Bremsern. So ignorierte der EZB-Rat die lauter werdenden Forderungen, mit strafferer Geldpolitik gegen die Inflation anzugehen. In der Euro-Zone hat sich der Preisanstieg zuletzt sogar überraschend auf 5,1 Prozent beschleunigt. In den USA bereitet die Notenbank Fed mehrere Zinserhöhungen in diesem Jahr vor, in Großbritannien erhöhte die Bank of England ihren Leitzins kurz vor Lagardes Auftritt von 0,25 auf 0,5 Prozent.

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In Europa seien die Bedingungen immer noch anders, betonte die EZB-Präsidentin. Hier sei die Nachfrage deutlich schwächer als in den USA, und der Lohndruck sei geringer als in Großbritannien. Entsprechend sei auch der Inflationsdruck hier geringer. Zudem werde er im Lauf des Jahres nachlassen.

Verständnis und Kritik

Bei deutschen Expertinnen und Experten stieß die Entscheidung auf Kritik, aber auch auf Verständnis. Das Zögern sei „nachvollziehbar und richtig“, sagte die Wirtschafts­weise Monika Schnitzer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wichtig sei aber „das klare Signal, dass die EZB eine Zinserhöhung für dieses Jahr nicht mehr explizit ausschließt, wenn sich die Inflationsrisiken erhärten“.

Die EZB läuft der Zeit hinterher und zögert mit den notwendigen Vorbereitungen für eine Zinswende.

Andreas Martin,

Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken

Nach Ansicht von Kritikern müsste die Notenbank aber schon weiter sein. „Die EZB läuft der Zeit hinterher und zögert mit den notwendigen Vorbereitungen für eine Zinswende“, sagte Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisen­banken (BVR). Die Finanzmärkte, aber auch die Tarifparteien bräuchten klarere Signale der Inflations­bekämpfung.

Massive Kritik übte Friedrich Heinemann vom Forschungsinstitut ZEW: „Die Zinspolitik und Wertpapierkäufe der EZB wirken inzwischen wie aus der Zeit gefallen.“ Die Krisenpolitik sei nicht mehr nötig, mit ihrem Festhalten daran riskiere die EZB einen Reputations­schaden.

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