Kaum Entspannung: Die Inflation erweist sich als äußerst zäh
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Lebensmittel liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
Frankfurt am Main. Die Inflation hat im Februar auf hohem Niveau stagniert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwochnachmittag mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,7 Prozent. Das ist dieselbe Rate wie im Januar. Experten hatten eigentlich mit einer – zumindest leichten – Entspannung gerechnet.
Bemerkenswert ist, dass erstmals seit vielen Monaten nicht mehr die Energie an der Spitze der Teuerung lag, sondern die Nahrungsmittel. Sie legten mit knapp 22 Prozent weit überdurchschnittlich zu. Bei Strom, Gas, Kraftstoff und Heizöl für die privaten Haushalte ging es nach vorläufigen Berechnungen um gut 19 Prozent nach oben - das ist im Vergleich zu den letzten Monaten des Vorjahres eine leichte Entspannung. Allerdings wurden dabei auch schon die Strom- und Gaspreisbremse berücksichtigt, die rückwirkend per Januar in Kraft sind, aber sich in den Portemonnaies der Verbraucher erst in diesem Monat bemerkbar machen. Bei den Dienstleistungen hat sich Preisdruck hingegen verstärkt. Im Vergleich zum Januar haben die Wiesbadener Statistiker eine Teuerung von 0,8 Prozent errechnet.
Brot und Butter werden teurer
„Der anhaltend hohe Inflationsdruck bei Lebensmitteln und Dienstleistungen dürfte vor allem auf indirekte Inflationseffekte durch die teure Energie zurückzuführen sein, wenn etwa die Preise in der Gastronomie erhöht werden, weil Kosten für Heizung oder Kochenergie gestiegen sind oder wenn Bäckereien ihre Preise erhöhen, weil das Erdgas für das Backen teurer geworden ist“, erläuterte Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK.
Mit dem Abklingen der Energieinflation dürften in den kommenden Monaten diese indirekten Effekten abnehmen, fügte er hinzu. Dieselkraftstoff hat sich im Februar jedenfalls schon einmal um acht Cent auf 1,76 Euro im Schnitt verbilligt, so das Verbraucherportal Clever Tanken. Das IMK rechnet nach wie vor von März an mit einem spürbaren und dann kontinuierlichen Rückgang im Jahresverlauf und für 2024 mit einer Rückkehr in die Nähe des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent.
Inflation in Deutschland sorgt wieder für Anstieg der Preise
Nach einer Abschwächung im Dezember hat die Inflation in Deutschland zu Beginn des Jahres wieder an Tempo gewonnen.
© Quelle: dpa
Christoph Swonke, Konjunkturanalyst der DZ Bank, betont: „Bei den Kosten für Lebensmittel sehen wir aber einen kontinuierlichen Anstieg, was den unteren Einkommensgruppen beim Gang in den Supermarkt immer mehr Sorgenfalten auf die Stirn treibt.“ Den Daten aus verschiedenen Bundesländer zufolge gab es vor allem bei Grundnahrungsmitteln wie Brot, Milch- und Milchprodukten, aber auch beim Gemüse deutliche Aufschläge. Da sich auch die Dienstleistungen verteuerten, werde die leichte Ermäßigung bei der Energie neutralisiert, erläutert Swonke. Er geht davon aus, dass sich die Lage in den kommenden Monaten nur wenig ändern wird und die Teuerung nur langsam sinkt.
Hohe Lohnforderungen
Das Statistische Bundesamt hat am Mittwoch auch ein rapides Schrumpften der Reallöhne für 2022 gemeldet: um 3,1 Prozent, und dies im dritten Jahr in Folge. „Nach wie vor handelt es sich um den höchsten Anstieg der Nominallöhne bei gleichzeitig stärksten Reallohnverlust für die Beschäftigten, der seit Beginn der Zeitreihe 2008 in Deutschland gemessen wurde“, betonen die Statistiker. Diese Zahlen machen die hohen zweistelligen Lohnforderungen bei den aktuellen Tarifauseinandersetzungen unter anderem im öffentlichen Dienst nachvollziehbar.
Gleichwohl hat die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht vor hohen Tarifabschlüssen gewarnt: „Spürbare Zweitrundeneffekte“ auf die Preise seien absehbar. Diese würden die Inflation „über einen längeren Zeitraum“ hochhalten. Das ist eine versteckte Warnung von der sogenannten Lohn-Preis-Spirale: Hohe Löhne zwingen Unternehmen, ihre Produkte teurer zu machen, was zu weiteren hohen Lohnforderungen führt.
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Genährt werden solche Befürchtungen durch aktuelle Beschäftigtenzahlen. So ist die Zahl der Erwerbstätigen im Januar erneut gestiegen, und zwar um 72.000 auf 45,5 Millionen. Zugleich sank laut der Destatis-Arbeitskräfteerhebung die Zahl der Erwerbslosen auf 1,32 Millionen Frauen und Männer – 107.000 Personen weniger als im Januar 2022. Hintergrund dürfte auch sein, dass viele Firmen ihre Beschäftigten halten wollen.
Dullien aber betont: „Ein Inflationsdruck durch überhöhte Lohnabschlüsse ist bisher weder in Deutschland noch in den anderen großen Euro-Ländern zu beobachten.“
Dort erweist sich die Inflation aber ebenfalls als enorm zäh. Für Frankreich und Spanien wurden bereits am Dienstag sogar unerwartete Erhöhungen der Teuerung gemeldet. Mit 7,2 Prozent gab es bei unseren Nachbarn sogar einen neuen Höchstwert seit Einführung des Euro. In Spanien ging es im Februar um 6,1 Prozent aufwärts – nach 5,9 Prozent im Januar.
Tarifgehälter 2022 kaum gestiegen
Im vergangenen Jahr sind die Tariflöhne deutlich langsamer gestiegen als die Verbraucherpreise.
© Quelle: dpa
Auch in anderen Ländern bleibt die Rate hoch
Wie all dies im gesamten Euroraum wirkt, wird sich am Donnerstag an den Inflationszahlen der Statistikbehörde Eurostat ablesen lassen. Bislang erwartet die große Mehrheit der Volkswirte ein Absinken von 8,6 auf 8,3 Prozent. Diese Aussichten haben unter anderem den Chef der französischen Notenbank, Francois Villeroy de Galhau, zu der Prognose veranlasst, dass mit der schon angekündigten Erhöhung des Leitzinses von drei auf 3,5 Prozent im März es mit der Straffung der Geldpolitik getan ist. Viele Akteure an den Finanzmärkten gehen nun aber davon aus, dass die EZB-Präsidentin Christine Lagarde in jedem Fall vier Prozent ansteuern wird.
Welche Folgen das für die Ökonomien in Europa haben wird, ist derzeit schwer abzusehen. Joseph Stiglitz, Wirtschaftsnobelpreisträger, hat bereits die US-Notenbank Fed vor einem zu heftigen Drehen an der Zinsschraube gewarnt. Dies berge die Gefahr, dass weltweit die Nachfrage von Verbrauchern und Unternehmen einbreche, was eine globale Rezession auslösen könnte, und dies sei erheblich schwerwiegender als hohe Inflationsraten.
Dullien ist denn auch in puncto EZB skeptisch, vor allem wegen der hohen Kernrate der Inflation – dabei werden Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt. „Aus diesem Grund dürfte die EZB auch durch die deutschen Inflationszahlen weiter beunruhigt sein, und es besteht das Risiko, dass die Notenbank zu lange und zu stark die Zinsen weiter erhöht, obwohl die Inflation bereits wieder abklingt.“
Anleger haben bereits reagiert. Sie wetten auf weitere Zinserhöhungen durch die EZB. Das hat die Renditen für europäische Staatsanleihen in den vergangenen Tagen in Regionen gehievt, die seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr erreicht wurden. Deutsche Papiere mit einer Laufzeit von zehn Jahren lagen am Mittwoch bei 2,7 Prozent.