Rücktritt aus VW-Markenvorstand: Wie Herbert Diess seinen Machtverlust abwendete
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Der Noch-Vorsitzende des Markenvorstands Volkswagen Pkw, Herbert Diess, tritt seinen Posten an den Chief Operating Officer, Ralf Brandstätter, ab.
© Quelle: imago images/Susanne Hübner
Wolfsburg. Das war knapp für Herbert Diess – wie knapp, zeigt sich erst jetzt. Vor rund zwei Wochen tagte der VW-Aufsichtsrat und befasste sich mit einer Pannenserie, die der Konzern so gedrängt und so sichtbar selten erlitten hat: Lieferstopp beim neuen Golf, ein haarsträubend dummer Werbespot für das Auto, Softwareprobleme auch beim E-Auto ID.3 und vor allem miserable Stimmung vom Band bis ins Management.
Ralf Brandstätter übernimmt Führung der Marke VW
Daneben schwelen weniger sichtbare Probleme, zum Beispiel Lieferengpässe bei Antriebsbatterien und Mühen beim Aufbau der neuen Software-Organisation. Doch Diess, als Vorstandschef und Multifunktionär immer verantwortlich, überstand die heikle Sitzung unbeschadet.
Doch danach begann offenbar erst das eigentliche Tauziehen, das am Montag zu einer außerplanmäßigen Aufsichtsratssitzung und zwei Personalien führte: Einkaufsvorstand Stefan Sommer wird Ende Juni das Unternehmen verlassen, und Diess gibt die Führung der Marke VW an Ralf Brandstätter ab, der dort als sogenannter Chief Operating Officer auch bisher schon die tägliche Arbeit gemacht hat.
Kein Nachfolger für Stefan Sommer
Sommer, der bis 2017 den Zulieferer ZF führte, galt schon länger als Wackelkandidat. Stück für Stück gab er Kompetenzen ab, die Vertragsverlängerung galt als gefährdet. Es fehlt im Konzern – wie bei anderen Autoherstellern – an Batterien für die neuen E-Autos, und teuer sind sie außerdem. Zudem dürfte die aktuelle Rezession VW zur nächsten Sparrunde zwingen, die auch die Zulieferer treffen wird.
Die dafür nötige Härte traute man dem früheren Chef eines Zulieferers wohl nicht zu. Doch von langer Hand war der Abschied wohl nicht geplant: Es gibt keinen direkten Nachfolger, das Einkaufsressort wandert zu Finanzchef Frank Witter, der nächstes Jahr in Rente geht.
Marke VW Pkw gerät ins Wanken
Solche Übergangslösungen schieden beim Markenchef aus. Ein Dutzend Marken vereint der VW-Konzern unter seinem Dach, aber VW Pkw spielt dabei immer noch eine Sonderrolle. Meist hat der Konzernchef ihre Führung mit übernommen. Und meist wurden irgendwann Klagen laut, dass zu viel über seinen Tisch läuft, die Konzentration fehlt, er zu viel mitredet und mangels Zeit zu wenig entscheidet.
So war es bei Martin Winterkorn, und so kam es auch bei Herbert Diess. Der Machtmensch ohne große Hausmacht sammelte am Anfang Ämter wie keiner seiner Vorgänger. Einige gab er ab, aber Markenchef blieb er – und muss sich nun zurechnen lassen, dass die Marke VW Pkw in der Fülle der von ihm angestoßenen Umwälzungen und Projekte schwer ins Schlingern gerät.
Im Gespräch stand auch Porsche-Chef Oliver Blume
Das könnte man auch Ralf Brandstätter anlasten, der seit August 2018 für das Tagesgeschäft bei der Marke VW verantwortlich ist und dafür den aus den USA geliehenen Titel Chief Operating Officer trägt. Nun wird er Vorsitzender des VW-Markenvorstands, und Diess darf das wohl als Achtungserfolg nach einer Woche verbuchen, in der es für ihn um alles ging.
Er gibt Macht ab – aber an einen Mann, den er selbst platziert hat. Zwischendurch kursierte eine Idee, die ihn wirklich entmachtet hätte: Porsche-Chef Oliver Blume solle die Marke VW übernehmen, berichtete die „Automobilwoche“. Aber wahrscheinlich wollte Blume gar nicht. Er kann warten bis Diess wirklich geht.