Folgt der Gaspreisbremse eine gefährliche Goldgräberstimmung unter Gasanbietern?
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Eine Ein-Euro-Münze inmitten einer blauen Gasflamme eines Gasherdes.
© Quelle: IMAGO/Kirchner-Media
Frankfurt am Main. Teil eins der Gaspreisbremse ist beschlossene Sache. Der Bundesrat hat am Montag die Soforthilfe für Dezember endgültig beschlossen. Teil zwei soll demnächst hinzukommen. Dann wird der Staat 80 Prozent des Gasverbrauchs subventionieren. Die Stadtwerke warnen aber schon vor Verwerfungen beim Kampf um die Kunden.
Im Dezember übernimmt der Staat die Gas- und Fernwärme-Abschlagszahlungen für Hausbesitzer und Mieter. Michael Kellner (Grüne), parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, versprach im Bundesrat, dass noch im November auch die Regelungen für Teil zwei auf den Weg gebracht werden. Klar ist, dass Haushalte 12 Cent für 80 Prozent des gelieferten Gases zahlen. Die Regelung soll bis Ende April 2024 gelten. Bezugsgröße ist der im September prognostizierte Jahresverbrauch der Kunden – danach wird auch die Höhe der Dezemberzahlungen berechnet.
Hat die Gaspreisbremse unerwünschte Nebeneffekte?
Was bringt die Gaspreisbremse (Teil zwei) noch alles? „Eine neue Goldgräberstimmung“ könne durch sie bei Onlineanbietern entstehen, mutmaßte Aik Wirsbinna, Vertriebschef der Stadtwerke Pforzheim, kürzlich in einem Interview mit der „Zeitung für kommunale Wirtschaft“. Gemeint sind Discounter, die damit werben, „dass der Kunde sowieso nur 12 Cent zahlt“.
Auch der Stadtwerke-Dachverband (VKU) warnt vor Ungemach und verweist dabei auf die jüngsten Entwicklungen im Großhandel mit Erdgas. „Denkbar ist, dass Billiganbieter angesichts der aktuell sinkenden Preise am kurzfristigen Spotmarkt Morgenluft wittern und sich eindecken, um günstigere Angebote machen zu können als jene, die wegen des Auftrags zur Versorgungssicherheit auch in diesem Jahr einen Teil der Gasmengen zu höheren Preisen beschaffen mussten“, sagte eine VKU-Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Milliardenschwere Soforthilfe für Gas- und Fernwärmekunden beschlossen
Die Soforthilfe soll der erste Schritt der Gaspreisbremse sein. Aber es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten. Wer soll wann profitieren?
© Quelle: dpa
Sonderangebote am Spotmarkt
Am Spotmarkt können Versorger Gas zur Lieferung am nächsten Tag (Day Ahead) kaufen. Anfang November war die Megawattstunde dort teilweise für nur 22 Euro zu haben. Das liegt sogar deutlich unter den Preisen vom November 2021, als von einer Energiekrise noch keine Rede war.
Der VKU sieht nun die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für die Stadtwerke. Billiganbieter könnten die Chance nutzen, „um Kunden aus der Grundversorgung mit günstigen Angeboten – sprich: näher an den 12 Cent für den Verbrauch jenseits der 80-Prozent-Grenze – zu locken“, so die VKU-Sprecherin. Die zuletzt extrem niedrigen Notierungen hatten damit zu tun, dass die hiesigen Gasspeicher gefüllt und die Außentemperaturen relativ hoch waren, was die Nachfrage gedrückt hat. Aber die Notierungen schwanken enorm. Wer sich ausschließlich am Spotmarkt eindeckt, geht hohe Risiken ein.
Anders agieren Anbieter, die Tarife für die Grundversorgung anbieten müssen, um Versorgungssicherheit und möglichst stabile Tarife für alle Haushalte zu gewährleisten. Es handelt sich dabei um die Unternehmen mit den meisten Kunden in deren Region – in der Regel sind es Stadtwerke.
Diese fahren konservative Beschaffungsstrategien: Ein Großteil der Energielieferungen wird über langfristige Verträge mit fixen Preisen abgesichert. Solche Kontakte werden kontinuierlich neu abgeschlossen. So geschehen aber auch in den vergangenen Monaten, als die Notierungen bei den Termingeschäften ebenfalls durch die Decke gingen. Was dazu führt, dass auch Stadtwerke nun höhere Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben müssen – auch deshalb das Argument vom Wettbewerbsnachteil.
Die riskante Beschaffung von Erdgas ist nicht verboten
Was passiert, wenn andererseits die Wetten der Billigheimer auf niedrige Spotmarktpreise nicht aufgehen, wurde schon vor knapp einem Jahr deutlich. Discounter gingen pleite. Vielfach wurden die Kunden über Nacht davon informiert, dass die Energielieferungen eingestellt werden. Vor allem Stadtwerke als Grundversorger fingen die Kunden auf. Die kommunalen Unternehmen waren dann ebenfalls gezwungen, kurzfristig zusätzliche Mengen an Gas und/oder Strom zu extrem hohen Preisen zu beschaffen, was Tariferhöhungen für alle Kunden nach sich zog.
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Was tun? Die VKU-Sprecherin betont: „Eine komplett kurzfristige und aus unserer Sicht riskante Beschaffungsstrategie ist nicht verboten, der Handlungsspielraum von Politik begrenzt.“ Aber immerhin besonders unlauteren Praktiken wie der Kündigung über Nacht habe die Bundesregierung einen Riegel vorgeschoben – inzwischen muss das Einstellen der Energielieferungen drei Monate im Voraus angemeldet werden. Die Entscheidung liege nun letztlich in den Händen der Kunden: „Während lange Zeit der Fokus auf den Preisen lag, stellt sich seit den Discounterpleiten und der aktuellen Energiekrise die Frage, ob sie nun auch den Aspekt der Versorgungssicherheit in ihre Überlegungen einbeziehen und stärker gewichten.“
Wichtig sei aus VKU-Sicht eine klare Kommunikation durch alle Anbieter: „Die 12 Cent gelten nur für 80 Prozent des Verbrauchs. Wer mehr verbraucht, zahlt auf die restlichen 20 Prozent den entsprechend im Vertrag fixierten, in der Regel höheren Preis pro Kilowattstunde“, so die Sprecherin.