Wie der Westen den Ölmarkt fluten und sich von Putins Gas abkoppeln will
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Rohölgewinnung in Saudi-Arabien: Der Wüstenstaat könnte erheblich mehr fördern. Aber die Mitglieder des Opec+-Kartells wollen die Preise hochhalten. Davon profitiert auch Russland.
© Quelle: Ali Haider/EPA/dpa
Frankfurt. Rohöl hat am Dienstagnachmittag wieder mehr als 105 Dollar pro Fass (159 Liter) gekostet. Das zeigt, wie rar der zähflüssige Rohstoff ist. Das gilt auch für Erdgas und wird insbesondere im nächsten Winter gelten. Westliche Staaten basteln an Konzepten, wie der Preisdruck bei fossilen Energieträgern reduziert und die Versorgung gesichert werden kann.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reiste am Dienstag in die USA, um mit Regierungsvertretern über die Freigabe von Ölreserven zu verhandeln. Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg sollen kurzfristig 60 Millionen Fass auf den Markt gepumpt werden. Die Hälfte werde von den USA kommen, der Rest von anderen westlichen Staaten – unter anderem Deutschland.
Extrem hohe Nachfrage nach Gas
Dass trotz dieser Meldungen die Notierungen am Dienstag in die Höhe gingen, macht deutlich, wie vertrackt die Lage derzeit ist. Wegen aktuell außergewöhnlich hoher Risiken bewege sich der Ölmarkt derzeit in einem sehr schwierigen Umfeld, sagte Ole Hansen von der Saxo Bank zu Bloomberg.
An den aktuellen Daten an den Terminmärkten lässt sich erkennen, dass derzeit die kurzfristige Nachfrage nach Öl extrem hoch ist und von den Förderländern nicht hinreichend viel Rohöl geliefert wird. Unter anderem die Internationale Energieagentur (IEA) hat Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate aufgefordert, mehr zu pumpen. Darüber berät am Mittwoch das Opec+-Kartell. Medienberichten zufolge soll die IEA das Fluten des Marktes mit den Ölreserven unterstützen.
Laut Bloomberg wollen die Förderländer den derzeitigen Plan fortführen. Das bedeutet, die Fördermenge um täglich 400.000 Fass zu erhöhen. Russland ist neben Saudi-Arabien das wichtigste Mitglied der Opec+. Das hohe Preisniveau garantiert dem russischen Staat üppige Einnahmen.
Experten befürchten denn auch, dass der gewünschte Effekt durch die Freigabe der Reserven schnell verpuffen könnte, was für Autofahrer hierzulande bedeuten würde, dass sich an den Rekordpreisen für Sprit nur wenig ändern würde. Der weltweite Ölbedarf lag vor der Pandemie bei knapp 100 Millionen Fass pro Tag.
Mehr Kohle- und mehr Atomstrom
Nicht geringer sind die Sorgen beim Gas. Hier geht es aber nicht nur um Preise, sondern auch um Versorgungssicherheit. Was passiert, wenn Russland den Gashahn zudreht? Prekär könnte es im nächsten Winter werden. Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel hat aber hochgerechnet, dass auch ein kompletter Lieferstopp für die EU bewältigt werden kann. Für eine Gasmenge, die mindestens 400 Terawattstunden entspricht, müsste es eine Lösung geben.
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© Quelle: dpa
Aber sogar mehr als 800 Terawattstunden seien machbar, heißt es in der aktuellen Studie. Wichtigster Punkt: das Ersetzen von Erdgas durch Kohle in der Stromerzeugung. Zudem müsse die Nachfrage in der Industrie für diverse Prozesse gedrosselt werden, weitere Einsparungen bei Unternehmen und privaten Haushalten beim Heizen sowie die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken müssten angegangen werden.
All dies hat auch Habeck auf dem Zettel. Aber nach einer ersten Befragung der Betreiber hat er Laufzeitverlängerungen für die drei restlichen AKW hierzulande ausgeschlossen. Auch mehr Kohle sei keine Alternative. Derweil hat sein Haus eine lange Liste von Maßnahmen zur schnellen Reduktion des Erdgasverbrauchs erarbeitet.
Habeck will von Gas auf Strom umstellen
Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) gehört dazu, schon ab nächstem Jahr Erdgasheizungen in Neubauten zu verbieten. Stattdessen sollen Umlagen und Entgelte für den Betrieb von Wärmepumpen weitgehend abgeschafft werden. Hinzukommen soll ein zügiger Ausbau der Fernwärme und eine Offensive zur Reduzierung von Abwärme vor allem in der Industrie.
Ferner will das Ministerium, dass Biomethan verstärkt eingesetzt wird, wenn Gas zur Stromerzeugung dringend gebraucht wird. Und Habeck hat vor, ein Auffüllen der Erdgasspeicher bis Ende Oktober vorzuschreiben. Wenn Russland als Lieferant ausfällt, müsste dafür verstärkt verflüssigtes Erdgas (LNG) in rauen Mengen importiert werden. Die Bruegel-Experten haben hochgerechnet, dass da nach aktuellen Preisen für die gesamte EU mindestens 70 Milliarden Euro aufgewendet werden müssten. Etwa ein Drittel der EU-Speicherkapazitäten befindet sich in Deutschland.