Douglas schließt Hunderte Filialen: volle Kraft in Richtung Internet?

Deutschlands größte Parfümeriekette Douglas will fast jede siebte Filiale in der Bundesrepublik schließen.

Deutschlands größte Parfümeriekette Douglas will fast jede siebte Filiale in der Bundesrepublik schließen.

Düsseldorf. Tina Müller berichtete am Donnerstagmorgen ausführlich über Erfolge, und zwar im Onlinehandel. Die schlechte Nachricht wurde beinahe beiläufig verhandelt. Die Parfümeriekette Douglas will hierzulande 60 ihrer 430 Filialen schließen. Etwa 600 Beschäftigte sollen ihren Job verlieren.

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Immerhin will Müller, Vorstandschefin des Beautykonzerns, die Schmerzen für die Betroffenen lindern: Es sollen Abfindungen angeboten werden, „die besser sind als derzeit in der Branche üblich“. Und eine Transferagentur soll helfen, dass die Angestellten neue Jobs finden.

500 Standorte in Europa fallen weg

Noch viel stärker trifft es Mitarbeiter in Italien oder Spanien. Vor allem in den südeuropäischen Ländern soll zusammengestrichen werden. Dort gebe es ein sehr dichtes „teilweise überlappendes Filialnetz“, heißt es bei Douglas. Hinzu komme, dass diese Länder besonders hart von der Corona-Pandemie betroffen seien.

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Müller erläuterte, dass das gesamte europäische Filialnetz seit dem Sommer „sorgfältig überprüft worden sei“. Das Endergebnis: Von insgesamt 2400 Standorten sollen 500 bis Herbst 2022 geschlossen werden. 2500 von 20.000 Beschäftigten dürften ihren Job verlieren.

Die massive Verkleinerung des stationären Handels mit kosmetischen Produkten aller Art wird Branchenkennern zufolge einmalig etwa 70 Millionen Euro kosten. Zugleich rechnet der Vorstand offenbar damit, dass dadurch der Gewinn aus der betrieblichen Tätigkeit pro Jahr aber um gut 100 Millionen Euro steigen wird.

Ladenmieten in den Innenstädten steigen

Die Kosten für das Filialnetz haben dem Unternehmen schon im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ende September) schwer zu schaffen gemacht. So sei der operative Gewinn auch wegen „fortlaufender Fixkosten“ um rund ein Sechstel auf 292 Millionen Euro geschrumpft. Unterm Strich kam sogar ein Verlust von gut einer halben Milliarde zusammen – der Wert vieler Vermögensgegenstände musste nach unten korrigiert werden. Das sind Zahlen, die Handlungsbedarf signalisieren.

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Zumal Douglas nur ein Beispiel für die immensen Probleme des stationären Handels ist – nicht nur wegen Lockdown und Corona. Die Mieten für Ladengeschäfte in Metropolen gehen massiv in die Höhe. Beim Auslaufen eines Vertrages für einen Standort in guter Lage werden die Mieten nicht selten verdoppelt.

Daraus entstehen Schieflagen beim Verhältnis der Kosten zu den Umsätzen pro Quadratmeter. In kleineren Städten hingegen ist das Problem, dass Mieten zwar einigermaßen konstant sind, teilweise sogar sinken. Aber die Umsätze gehen noch stärker zurück, da wegen schwindender Attraktivität der Innenstädte und dem wachsenden Onlinehandel immer weniger Kunden kommen.

Douglas generiert ein Viertel seiner Einnahmen im Internet

Müller hat daraus die Konsequenzen gezogen. Schon länger bastelt sie an einem Konzept, um den E-Commerce massiv auszubauen. Es soll sogar Pläne geben, die Onlinesparte separat an die Börse zu bringen – die Pandemie hat all dies zusätzlich befeuert. Und auch andere Filialisten, die in den Innenstädten sehr präsent sind, setzen nun ebenfalls verstärkt aufs Internet – allen voran die Modegiganten Inditex (Zara) und H&M.

Die Douglas-Chefin kann jedenfalls schon jetzt mit stattlichen Zuwachsraten punkten. Dazu wurde am Donnerstag ein großes Zahlenwerk vorgelegt. Das Onlinegeschäft hat im Kalenderjahr 2020 erstmals die Schwelle von einer Milliarde Euro überschritten. Der E-Commerce ist in den drei Monaten von Juli bis September im Vergleich zum Vorjahr um fast die Hälfte gewachsen, obwohl die Läden geöffnet waren. Schon ein Viertel der Einnahmen wird über die Parfümerie im World Wide Web gemacht. In Deutschland sind es sogar schon 4 von 10 eingenommen Euro.

Einkaufserlebnis fällt online geringer aus

Also volle Kraft in Richtung Internet? Hendrik Schröder, Professor für Handel und Marketing an der Uni Duisburg-Essen, hat da seine Zweifel: „Man darf beim stationären Handel nicht allein auf die Kosten schauen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Es müsse auch die Bedeutung des Einkaufserlebnisses beachtet werden. Das spiele gerade bei Kosmetika eine wichtige Rolle. „Denn die Kaufentscheidung wird mit allen Sinnen getroffen.“

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Deshalb sei es zwar plausibel einen bereits bekannten Duft übers Internet erneut zu kaufen. „Aber wie werden neue Düfte vermarktet?“ Das ist über den Onlinekanal nicht so einfach. Denn einen einmal geöffneten Flacon könne man nicht so einfach wieder zurückschicken, wenn der Duft nicht behagt. Eine vollständige Abkopplung des Onlinegeschäfts berge deshalb Risiken, so Schröder.

Als seien Müller solche Einwände bereits bekannt, betonte sie, frühere Filialschließungen hätten gezeigt, dass deren Umsätze nicht verloren gehen, sondern in andere Filialen und in den Onlineshops verlagert werden. Außerdem berichtete sie von einer fortschreitenden Verknüpfung der On- und Offlinewelt. Und schließlich kündigte sie an, dass die Verkleinerung des Filialnetzes mit Investitionen in Flagship-Stores in Toplagen einhergingen. Die zunehmende Zahl der Filialistenflaggschiffe gelten bei vielen Experten als ein Faktor für die Verdrängung von kleinen alteingesessenen Geschäften aus den Innenstädten von Großstädten.

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