Prozess vor Landgericht München

Ex-Audi-Chef Stadler kündigt Geständnis im Dieselbetrugsprozess an

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Audi AG, sitzt im Sitzungssaal des Landgericht München auf seinem Platz.

Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Audi AG, sitzt im Sitzungssaal des Landgericht München auf seinem Platz.

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Richter Stefan Weickert will es wissen. Im Audi-Betrugsprozess um illegale Abschaltvorrichtungen bei der Dieselabgasbehandlung fehlt nur noch ein Geständnis des prominentesten Angeklagten Rupert Stadler. Gibt er zu, in seiner früheren Funktion als Audi-Chef keinen Verkaufsstopp für Autos mit Betrugssoftware verhängt zu haben, obwohl er davon wusste, sagt ihm Weickert eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren zu, zu der noch 1,1 Millionen Euro Geldauflage kommen. Ins Gefängnis müsste er aber dann nicht. „Herr Stadler stimmt zu“, erklärt Strafverteidiger Thilo Pfordte am Landgericht München im Namen seines Mandanten zum Vorschlag des Gerichts. Das Geständnis selbst gebe es aber erst am 16. Mai, wobei offen ist, ob Stadler selbst spricht oder es Pfordte überlässt.

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Damit neigt sich ein seit zweieinhalb Jahren dahinschleppender Mammutprozess seinem nun absehbaren Ende zu. Es wäre der erste Strafprozess im VW-Dieselskandal, in dem ein Urteil gegen Topmanager gesprochen wird. Es ist auch das erste Mal, dass Vertreter dieser Riege gestehen, von den illegalen Machenschaften gewusst oder daran sogar beteiligt gewesen zu sein.

Stadler und Co.: Geständnis bewahrt Topmanager vor Haftstrafe

Schon gestanden haben im Münchner Prozess der Audi-Ingenieur Giovanni P. und der frühere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz. P. war einer der Abgastechniker, die die Betrugssoftware entwickelt haben und von Anfang an geständig. Hatz, der wie Stadler bis vor kurzem alle Vorwürfe abgestritten hatte, hat nicht nur bei Porsche, sondern auch bei Audi und dem Mutterkonzern VW gemanagt. Zeitweise war er für die Motorenentwicklung im gesamten VW-Konzern zuständig. Auch diese beiden können mit ihrem Geständnis auf eine Zusage des Gerichts vertrauen, nicht ins Gefängnis zu müssen, sondern wie Stadler mit eineinhalb bis zwei Jahren Bewährung nebst Geldauflage davonzukommen.

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Abgasskandal bei Audi: Ex-Firmenchef Stadler kündigt Geständnis an
Rupert Stadler (Vorstandsvorsitzender der AUDI AG) spricht auf der Jahrespressekonferenz der AUDI AG / Ingolstadt / 15.03.2018 *** Rupert Stadler Chairman of the Board of Management of AUDI AG speaks at the annual press conference of AUDI AG Ingolstadt 15 03 2018

Nachdem er die Betrugsvorwürfe jahrelang bestritten hatte, stimmte Stadler am Mittwoch einem Deal mit dem Landgericht München zu.

Hatz war auf dieses Angebot umgehend eingegangen. Der 64-jährige hat gestanden, die Entwicklung der bei Audi erfundenen und auch in Modelle der Konzernmarken VW und Porsche verbaute Betrugssoftware „veranlasst“ zu haben. Für jemanden, der anfangs von nichts gewusst haben wollte, ist das bemerkenswert. Dagegen müsste Stadler ein Geständnis vergleichsweise leicht über die Lippen kommen.

Denn ihm wird „nur“ vorgeworfen, nichts dagegen unternommen zu haben, dass Dieselautos mit Betrugssoftware weiterhin verkauft wurden, nachdem der Skandal publik geworden war. Über 434.000 Audis seien das ab dem Zeitpunkt gewesen, wo der 60-jährige nachweisbar von den Abschaltvorrichtung wusste, sagt die Anklage. Betrug durch Unterlassung, muss der frühere Audi-Chef damit gestehen.

Stadler ziert sich seit Wochen

Aber er ziert sich seit Wochen, mutmaßlich weil ein Geständnis einen zivilrechtlichen Haken haben könnte und deshalb im Wortlaut genau formuliert werden muss. „Hier wird dreidimensionales Schach gespielt“, erklärt ein juristisch bewanderter Prozessbeobachter. Im laufenden Strafprozess käme Stadler beim verlangten Geständnis zwar glimpflich davon. Aber wenn er allzu offensiv gesteht, dafür verantwortlich zu sein, dass hunderttausende Autos mit Betrugssoftware in Kenntnis dieses Umstands verkauft wurden, könne das die Tür zu neuen Schadenersatzklagen öffnen.

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Um welche Summen es hier potentiell geht, hat ein vom Gericht bestellter Gutachter ermittelt. Fünf Prozent Wertminderung seien pro Fahrzeug anzurechnen, erklärte er. Der Prozentsatz enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag. Denn lege man schon abgeschlossene Zivilprozesse übervorteilter Autokäufer zugrunde, hätten Gerichte bisher stets auf eine Wertminderung zwischen 15 und 30 Prozent erkannt. Strafrechtlich sei eine Wertminderung von fünf Prozent deshalb das absolute Minimum, findet der Gutachter und rechnet an Beispielen vor, was das in absoluten Zahlen bedeutet. Weil die in Frage stehenden Autos durchweg hochpreisig waren, sind es jeweils mehrere tausend Euro.

Vergleich und Managerhaftpflicht

Von ihrem früheren Arbeitgeber Volkswagen müssen Rupert Stadler und Wolfgang Hatz auch bei Geständnis und Verurteilung nichts mehr befürchten. Denn ein 2021 mit VW geschlossener Vergleich schließt finanzielle Nachforderungen auch für diesen Fall ausdrücklich aus. Stadler hatte sich damals mit VW, wo er auch im Vorstand saß, auf eine Zahlung von 4,1 Millionen Euro geeinigt. Im Fall von Hatz waren es 1,5 Millionen Euro. Basis dieser Vergleiche waren fahrlässige Pflichtverletzungen. Auch eine Managerhaftpflichtpolice hatte damals für die Kosten des Diesel-Skandals gezahlt und zwar 270 Millionen Euro. Eine solche Versicherung zahlt aber üblicherweise nur unter dem Vorbehalt, dass keine Straftaten begangen wurden. Wie das in diesem Fall ist, wurde öffentlich nie bekannt. Auch was diese Versicherung angeht, könnte es aber damit wichtig sein, mit welchem Wortlaut genau Stadler Mitte Mai gesteht, um keine Rückforderungen auszulösen.

Folgt das Gericht dieser Berechnung, geht es bei über 400.000 Audis also um eine strafrechtlich relevante Schadenshöhe von mehreren hundert Millionen Euro. Das daraus ableitbare Drohpotential für eventuelle zivile Schadenersatzforderungen an die Adresse Stadlers liegt in einer Dimension, die auch vermögende Ex-Manager zweimal überlegen lässt, wie man ein Geständnis genau formuliert. Andererseits darf es auch nicht so verdruckst sein, dass Staatsanwaltschaft und Gericht es nicht mehr als Geständnis anerkennen. Er erwarte ein „voll umfängliches Geständnis“, stellte Weickert klar. Das engt Formulierungsspielräume ein.

Schon um die vom Gericht verlangte Geldauflage wurde gefeilscht. Zwei Millionen Euro wollte die Staatsanwaltschaft von Stadler. Richter Weickert sieht 1,1 Millionen Euro als angemessen an. Auch das war Stadler erst zu viel. Nun hat er der Summe zugestimmt, zu den noch einmal rund eine Million Euro von ihm zu tragende Prozesskosten kommen. Darüber hinaus will der frühere Audi-Chef bei einem Geständnis aber keine weiteren Risiken eingehen.

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