Was die klirrende Kälte für Deutschlands Gasspeicher bedeutet
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Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg im Winter bei klirrender Kälte.
© Quelle: IMAGO/Nikito
Die hiesigen Gasspeicher leeren sich mit rapider Geschwindigkeit. Nach den Daten der Bundesnetzagentur ist der Füllstand an diesem Freitag auf 90,23 Prozent gefallen. Der Füllstand des Speichers Rehden betrage 91,15 Prozent. So schnell sind die Reserven noch nie in dieser Heizsaison geschrumpft. Auf ähnlichem Niveau wird es in den nächsten Tagen weitergehen. Denn das Anzapfen der unterirdischen Reservoire wird von den ungewöhnlich niedrigen Temperaturen verursacht. Und dabei dürfte es zumindest bis zum Sonntag bleiben.
Kommt es jetzt zur berüchtigten Gasmangellage, die nichts anderes als die Rationierung des wichtigsten Brennstoffs zum Heizen bedeuten würde? Die Bundesnetzagentur jedenfalls warnt in ihrem aktuellen Lagebericht nachdrücklich: „Eine nationale Gasmangellage im Winter kann vermieden werden, wenn erstens das Sparziel von mindestens 20 Prozent weiterhin erreicht wird.“ Zweitens müssten die neuen LNG-Terminals zum Jahresbeginn ins Netz einspeisen und drittens der winterbedingte Rückgang der Importe und ein möglicher Anstieg der Exporte in Nachbarländer eher moderat ausfallen. Die Bonner Behörde schreibt aber auch, dass die Gasversorgung in Deutschland im Moment stabil und die Versorgungssicherheit derzeit gewährleistet sei.
Frost erhöht die Gasnachfrage massiv
Den Berechnungen der Netzagentur zufolge hatte sich die Lage bereits in der vergangenen Woche deutlich verschärft. Auf der einen Seite wurde täglich nur noch Erdgas mit einem Energiegehalt zwischen rund 2500 und 2900 Gigawattstunden (GWh) importiert – wichtigster Lieferant ist Norwegen, ergänzt durch verflüssigtes Methan (LNG), das vor allem in Belgien und den Niederlanden wieder in Gas umgewandelt und in Pipelines gepumpt wird. Den Importen stand im Schnitt ein Bedarf von 3824 GWh gegenüber, was nah an den Werten für die Jahre 2018 bis 2021 liegt und weit weg von der erhofften Senkung des Verbrauchs um insgesamt 20 Prozent ist.
Chef der Bundesnetzagentur kritisiert hohen Gasverbrauch
Deutschland verbraucht nach Angaben der Bundesnetzagentur zu viel Gas. Ziel ist, dass Industrie und Haushalte 20 Prozent weniger verbrauchen als üblich.
© Quelle: dpa
Um die Differenzen auszugleichen, musste Gas aus den unterirdischen Speichern in rauen Mengen zur Verfügung gestellt werden. Die Ursache: Die Temperaturen waren laut Bundesnetzagentur 2,7 Grad niedriger als in den Vorjahren. Für die gesamte aktuelle Woche wird ein weiteres Absinken der Temperaturen prognostiziert. Aus diesem Grund hat die Bonner Behörde ihren Lageindikator „Temperaturprognose“ in die Kategorie „kritisch“ eingestuft, da mit deutlichem Mehrverbrauch zu rechnen sei.
Netzagentur-Chef in der Kritik
Netzagentur-Präsident Klaus Müller hat gerade wieder in einem TV-Interview Alarm geschlagen: „Trotz der Kälte meine Bitte: Gehen Sie achtsam mit dem Gasverbrauch um.“ So müsse nicht immer jeder Raum geheizt und die Temperatur könne etwas niedriger eingestellt werden.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch, hat Müller wegen seiner wiederkehrenden Sparappelle scharf kritisiert. „Klaus Müller sollte seine Rolle in der Energiekrise überdenken. Es ist nicht die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger, bei Minusgraden für die vielfach vermurkste Energiepolitik der Bundesregierung zu frieren. Viele Menschen sparen bereits, wo sie können – auch deshalb, weil die Energieversorgung im ersten Ampeljahr zum Luxusgut wurde“, sagte Bartsch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn Klaus Müller Sorge um ausreichend Gas hat, soll er an seinen Parteifreund Robert Habeck appellieren, bei den Gasbeschaffungen substanziell nachzulegen, und nicht ständig die Bürger belehren“, so der Linken-Politiker weiter. Die Energieversorgung sei Aufgabe des Kabinetts, nicht der Verbraucher.
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Indes sieht Müller trotz all der Warnungen nicht die akute Gefahr einer Gasmangellage. Ähnlich fällt auch die Beurteilung des hiesigen Gasspeicherverbandes Ines aus. Ein Eintreten der Mangellage sei „äußerst unwahrscheinlich“. Gleichwohl könne solch eine Situation nicht vollständig ausgeschlossen werden, heißt es im Dezemberupdate von Ines zur Gasversorgung. Deutschland komme gut durch den Winter, sofern „keine extrem niedrigen Temperaturen“ auftreten.
Im März könnte es eng werden
Die Ines-Berechnungen haben ergeben, dass im schlimmsten Fall im März 2023 an einzelnen Tagen bis zu 12 Prozent des Gasbedarfs nicht gedeckt werden können. Dafür müsste es aber von sofort an für knapp drei Monate lang konstant richtig frostig sein – als Vorbild für dieses Szenario dient der Temperaturverlauf zu Beginn des Jahres 2010. Die Gasspeicher wären dann gegen Ende Februar vollständig entleert, was es zudem „herausfordernd“ mache, die Speicher während der warmen Jahreszeit für den Winter 2023/2024 wieder zu füllen. Als eine Bedingung dafür hat der Verband ein hohes Aufkommen an LNG genannt. Die ersten hiesigen Terminals dafür sollen demnächst in Betrieb gehen.
Bundesnetzagentur warnt: Zahlungen für Gas werden sich verdreifachen
Mit Blick auf das kommende Jahr hat die Bundesnetzagentur erwartungsgemäß keine guten Nachrichten für Verbraucherinnen und Verbraucher.
© Quelle: dpa
Was die Lage zu Beginn des neuen Jahres entspannen würde. Aber auch schon in der nächsten Woche könnte sich einiges bessern: Nach den Langfristprognosen des Deutschen Wetterdienstes endet am Sonntag die aktuelle Kälteperiode mit Temperaturen, die bis auf minus 15 Grad absinken können. Für die nächste Woche wird ein Anstieg auf bis zu 12 Grad plus prognostiziert: Wieder mal keine weiße Weihnacht, aber dafür deutlich weniger Erdgasverbrauch.