Deutschland hat die Mobilitätswende verstolpert

Hätte Deutschland ernstgemacht, würden derartige Staus vielleicht bald der Vergangenheit angehören.

Hätte Deutschland ernstgemacht, würden derartige Staus vielleicht bald der Vergangenheit angehören.

Berlin. Ziele brauchen eine plakative Größe – nehmen wir also einfach 2030. Das ist schon länger der Termin, zu dem sich die Grünen den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor wünschen. Zwischendurch wurde es still um den Plan, jetzt hat ihn Fraktionschef Anton Hofreiter wieder hervorgeholt. In gut zehn Jahren soll demnach der letzte neue Pkw mit Verbrennungsmotor in Deutschland zugelassen werden – gesetzlich festgelegt.

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Man kann diese etwas beliebig gegriffene Jahreszahl relativ schnell zerpflücken. Das fängt damit an, dass es für ein Verbrennerverbot eine europäische Regelung bräuchte und hört mit der absehbaren Entsorgung von Millionen Batterien noch lange nicht auf. Da ist die Infrastruktur, die nicht so schnell mitwachsen könnte, und der Kohlestrom, der den Klimavorteil des E-Autos zunichte macht.

Mehrere ohnehin schon strauchelnde Autohersteller wären mit einem derart radikalen Wandel überfordert – wer möchte ihren Zehntausenden Mitarbeitern erklären, dass ihr Management leider zu spät reagiert hat? Wer auf der Suche nach der radikalsten Forderung ist, sollte auch dazusagen, was sie bedeutet. Hofreiter selbst hat vor einigen Monaten gesagt, man müsse "öko und sozial zusammendenken". Ja, das geht – wenn man die Zeit hat.

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Die Industrie hat noch viel mehr Argumente gegen einen Zwangsumstieg 2030 parat, und die meisten stimmen. Man neigt dazu, nicht mehr hinzuhören, weil die Hersteller regelmäßig ihren Untergang vorausgesagt haben – schon in den Achtzigern durch den Katalysator. Doch der Umstieg auf saubere und klimaschonende Mobilität ist für die Branche tatsächlich existenziell, und das in doppelter Hinsicht: Er muss kommen. Aber so, dass er zu bewältigen ist.

Auch die Kunden tragen Verantwortung

Dazu gehört zu allererst, dass die Kunden die entsprechenden Autos auch kaufen. Auf den Messen stehen die E-Mobile längst, in einem Jahr werden sie zu kaufen sein. Für die Hersteller hängt viel davon ab, dass sie ein Erfolg werden, weil die Abgasvorschriften dazu zwingen.

Die Kundschaft dagegen zögert nicht nur, sie läuft sogar in die andere Richtung: Hochbeinige SUVs verkaufen sich wie geschnitten Brot, Motorleistung und Gewicht der Autos steigen seit Jahren. Der durchschnittliche Neuwagen wiegt eineinhalb Tonnen und hat 150 PS. Muss das sein? Natürlich nicht. Wer sich um die Umwelt sorgt, hat es jetzt schon oft ganz leicht: kleiner kaufen und weniger fahren. Bisher ist davon nichts zu sehen. Die Deutschen sind nicht sehr experimentierfreudig in Sachen Auto, und das ist kein gutes Vorzeichen für die E-Mobilität.

Die Grünen haben einen Punkt

Bevor man also Gesetze erlässt, sollte man die Verbraucher von den Segnungen der neuen Technik überzeugen. Und hier haben die Grünen einen Punkt: Die Mobilitätswende ist bisher haarsträubend verstolpert worden. Wir könnten durchaus schon so weit sein, über einen weitgehenden Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor 2030 nachzudenken – ohne dramatische Nebenwirkungen.

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Wir hätten nur das vergangene Jahrzehnt besser nutzen müssen, in dem über diesen Umbau längst diskutiert wurde. Es gab das Ziel, 2020 eine Million E-Autos auf den Straßen zu haben. Es gab eine „Nationale Plattform Elektromobilität“, die den Weg dorthin organisieren sollte. Doch sie bestätigte jedes Vorurteil, das man über Arbeitskreise haben kann – man verzettelte sich, blockierte sich in ungezählten Einzelinteressen, flüchtete in Formelkompromisse. Es waren verlorene Jahre.

Es gibt genug Ansätze

Das sieht inzwischen selbst die Autoindustrie so, die inzwischen – spät, wie immer – begriffen hat, vor welchem Wandel sie steht. Deshalb ist es durchaus im Sinne der Manager, wenn Hofreiter konsequentere Schritte zur Verbreitung des Elektroantriebs fordert. Bucht man ein gesetzliches Verbot 2030 als Kabinettstück für die grüne Galerie ab, findet sich dort zum Beispiel ein Bonus-Malus-System, das Spritschlucker verteuern würde. Die Subventionierung des Dieselantriebs – mit gleichzeitiger Benachteiligung bei der Kfz-Steuer – war schon immer schwer vermittelbar. Auch in der Dienstwagenbesteuerung ist mit der Begünstigung von E-Autos nur der erste Schritt gemacht. Dass die öffentliche Hand ihre Fuhrparks elektrisch umrüstet, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Es gibt genug Maßnahmen, um die Nachfrage nach sauberen Autos anzukurbeln.

Von Stefan Winter/RND

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