Ökonomen blicken in trübe Zukunft

Deutsche Wirtschaft steht laut Experten vor langer Schwächephase

Das Luftbild zeigt zahlreiche Container auf dem Gelände eines Containerterminals im Hamburger Hafen. (Symbolbild)

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München. Der deutschen Wirtschaft steht nach Einschätzung prominenter Ökonomen eine jahrelange Phase schwachen Wachstums bevor.

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen und das Ifo-Institut in München gehen übereinstimmend davon aus, dass die jährlichen Wachstumsraten mittelfristig unter einem Prozent liegen werden - und damit sehr viel niedriger als im Schnitt der vergangenen dreißig Jahre.

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„Das Wirtschaftswachstum in Deutschland dürfte in diesem Jahrzehnt deutlich schwächer ausfallen als in den vermeintlich wirtschaftlich erfolgreichen 2010er Jahren“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Die Abschwächung des Wirtschaftspotenzials Deutschlands geht auf eigene Versäumnisse zurück und hat wenig mit dem Krieg in der Ukraine oder der Corona-Pandemie zu tun.“

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DIW-Präsident Fratzscher sieht Probleme in Demographie, Fachkräftemangel und fehlenden Investitionen

Das Potenzialwachstum für die deutsche Wirtschaft dürfte ihm zufolge in diesem Jahrzehnt auf unter 1,0 Prozent sinken. Das sei vor allem dem Rückgang der Beschäftigung durch Demographie und Fachkräftemangel geschuldet, sagte Fratzscher. „Wenn die verschlafene Transformation zu einer Deindustrialisierung führen sollte, dann könnte das Wachstumspotenzial noch stärker sinken.“

Deutschland habe in den vergangenen 20 Jahren vier große wirtschaftspolitische Fehler begangen. Als größtes Versagen kritisierte der DIW-Präsident die „bisher gescheiterte ökologische Transformation, die dazu geführt hat, dass Deutschland viel zu abhängig von fossilen und sehr teuren Energieimporten ist und die technologische Transformation zu nachhaltigen und innovativen Technologien verschlafen hat.“

Der zweite Fehler seien überbordende Bürokratie und Besitzstandswahrung, die private Investitionen behinderten. „Der dritte Fehler ist das staatliche Investitionsdefizit, das dazu geführt hat, dass der deutsche Staat seit langer Zeit von seiner Substanz lebt.“ Fratzscher nannte verschlechtertes Bildungssystem und inadäquate Infrastruktur. Das Fachkräfteproblem als vierte Schwäche wird sich nach Fratzschers Einschätzung in den kommenden Jahren deutlich verschärfen und für zahlreiche Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen.

IfW Kiel prognosiziert „erhebliche Verteilungskonflikte“

Am IfW Kiel meint Vizepräsident Stefan Kooths: „Wir hatten in den vergangenen dreißig Jahren eine jährliche Wachstumsrate von 1,4 Prozent im Mittel.“ Die mittelfristige Projektion des IfW weist bis 2027 einen Rückgang auf unter 0,7 Prozent aus.

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„Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagte Kooths. „Das heißt: Was wir in den vergangenen Jahrzehnten gewohnt waren, wird innerhalb relativ kurzer Zeit auf ein Drittel schrumpfen. Der Grund dafür ist die demografische Entwicklung.“ Eine alte Gesellschaft sei typischerweise weniger in der Lage, neue Technologien zu adaptieren. „Das könnte nochmal einen Abschlag auf die Produktivitätsentwicklung bedeuten.“

Zudem wird die Umstellung auf eine klimaneutrale Energieversorgung die Unternehmen nach Kooths‘ Erwartung große Summen kosten. Von daher sei selbst die deutliche Revision bei den Wachstumszahlen „eher eine Schätzung am oberen Rand“. Deutschland laufe zudem „in erhebliche Verteilungskonflikte hinein, weil die Babyboomergeneration in Rente geht“, sagte Kooths.

RWI Essen: Jüngste Krisen nur die Spitze des Eisbergs

Am RWI Essen ist die Einschätzung ganz ähnlich: „Die Krisen der vergangenen zwei Jahre haben das Wachstum der deutschen Wirtschaft zwar geschwächt, es hätte sich aber ohnehin in den kommenden Jahren verringert“, sagte Konjunkturchef Torsten Schmidt.

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Laut Mittelfristprojektion des RWI dürfte das Wachstum des Produktionspotenzials von 1 Prozent in diesem Jahr auf 0,6 Prozent im Jahr 2027 zurückgehen. „Entsprechend dürften auch die zu erwartenden Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts sinken“, sagte Schmidt. „Die Hauptursache ist der Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials.“ Auch Schmidt nennt daneben die hohen Kosten des Abschieds von der fossilen Energie: „Wir gehen aber auch davon aus, dass der zur Erreichung der klimapolitischen Ziele notwendige Umbau des Kapitalstocks den Anstieg des Produktionspotenzials dämpft.“

Ifo-Institut will nicht schwarz malen – zeigt aber wenig Optimismus

Nach Erwartung des Münchner Ifo-Instituts dürften sich unter normalen Umständen die Wachstumsraten der deutschen Wirtschaftsleistung bis Ende des Jahrzehnts zwischen etwa einem halben und einem drei Viertel Prozent bewegen. „Der deutschen Wirtschaft würde auch ohne die diversen Krisen ein langsamerer beziehungsweise schwächerer Wachstumspfad bevorstehen“, sagte Ifo-Konjunkturforscher Robert Lehmann.

Die Baby-Boomer-Generation scheide aus dem Arbeitsleben aus. Da weniger Menschen ins Arbeitsleben nachrücken, könne das Ausscheiden der Älteren nicht mehr kompensiert werden. „Damit nimmt der bereits jetzt beobachtete Fachkräftemangel noch spürbarer zu in den kommenden Jahren.“ Als zusätzliches Hindernis sieht Lehmann die teure Energie.

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Schwarz malen will der Wirtschaftsforscher nicht: Aus der Corona-Pandemie könnten auch Chancen entwachsen beziehungsweise bereits entwachsen sein. Als Beispiel nannte Lehmann die beschleunigte Digitalisierung, „was die Belastungen durch den demographischen Wandel zumindest teilweise abmildern kann.“

Demografischer Wandel und schwächeres Wachstum könnten nach Lehmanns Worten auch die Inflation befeuern: „In der Übergangsphase, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen, bleiben die Konsumenten und deren Konsumlaune zunächst recht stabil. Vielmehr kann es auch sein, dass die hohen Ersparnisse der dann lebenden Rentnergeneration zu einem deutlichen Konsumschub führen.“ Produktionsmöglichkeiten und Wirtschaftswachstum würden aber geringer ausfallen. „Beides kann zu deutlichen Preissteigerungen in der mittleren Frist führen.“

RND/dpa

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