Warum die meisten deutschen Maschinenbaufirmen ihr USA-Geschäft ausweiten wollen
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Laut einer Umfrage des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wollen drei Viertel der Mitglieder ihre Geschäftsaktivitäten in den USA ausweiten.
© Quelle: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbil
Washington. Wenn Karl Haeusgen über die USA spricht, dann beginnt er irgendwann von den Pferdelaufbändern im pittoresken Derbyland Kentucky zu schwärmen. Auf den übergroßen Übungsgeräten werden die Galopper gelenkschonend trainiert, wobei die Last durch eine Neigung der Bahn gezielt auf die Hinterhand des Tieres verlagert werden kann. „Da sind überall unsere Komponenten drin“, berichtet der Mehrheitseigentümer eines bayerischen Hydraulikherstellers stolz.
Es sind weit mehr als Sentimentalitäten, die Mittelständler wie Haeusgen – im einflussreichen Nebenjob Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) – derzeit sehnsüchtig über den Atlantik blicken lassen. „Unsere Mitgliedsfirmen sehen die USA so positiv wie lange nicht mehr“, berichtet der Lobbyist: „Drei Viertel wollen dort ihre Geschäftsaktivitäten ausweiten.“
Bereits mehr als 100.000 Beschäftigte in den USA
Wie stark der Drang nach Westen ist, offenbart eine aktuelle Umfrage des Verbandes, an der sich rund 350 Maschinenbauunternehmen beteiligten: Zwei Drittel von ihnen bieten derzeit Service und Vertrieb in den USA, ein Drittel hat bereits eine eigene Montage oder Produktion vor Ort. Mehr als 80 Prozent erwarten im laufenden Jahr steigende US-Umsätze – davon die Hälfte im zweistelligen Bereich. Zwei Drittel der Firmen wollen ihre Belegschaft in den Vereinigten Staaten aufstocken. Schon jetzt beschäftigt die Branche dort mehr als 100.000 Menschen.
Die Gründe für die wachsende Amerika-Begeisterung liegen auf der Hand: Die Lage in China, dem hinter den USA bislang zweitgrößten außereuropäischen Exportmarkt der Branche, wird ökonomisch immer unberechenbarer und politisch zunehmend heikel. „Da braucht man einen Plan B“, sagt Haeusgen. Die USA drängen sich alleine wegen der Größe des Marktes und der billionenschweren Investitionen auf, die dort gerade durch das Infrastrukturgesetz lockergemacht werden.
Mit dem Krieg in der Ukraine und den explodierenden Energiekosten in Deutschland ist ein weiteres Argument hinzugekommen: Der hiesige Strompreis ist inzwischen um ein Vielfaches höher als in den USA. Entsprechend teurer sind die hier gefertigten Maschinen. Für Exporteure sei dies „ein dramatischer Wettbewerbsnachteil gegenüber der amerikanischen Konkurrenz“, sagt Haeusgen. Gleichzeitig verlangt die Biden-Regierung unter dem Slogan „Buy American“ einen immer höheren heimischen Anteil bei staatlich geförderten Projekten. Beide Entwicklungen sprechen für eine Produktion vor Ort.
Der Arbeitskräftemangel ist ein großes Problem
Doch auch in der Neuen Welt herrschen keine paradiesischen Zustände. Da ist zum Beispiel das Personalproblem. Qualifizierte Arbeitskräfte waren schon immer rar in den USA. Die Pensionsierungswelle in der Corona-Pandemie hat das Problem extrem verschärft. „Das ist der zentrale Flaschenhals“, klagt Haeusgen. Hinzu kommen die aufwendigen Zertifizierunganforderungen der Amerikaner für ausländische Maschinen und Anlagen. Bis zu 18 Prozent Zusatzkosten und monatelange Wartezeiten fallen dadurch an: „Das ist wirklich eine Innovationsbremse.“
Um diese und ähnliche Probleme zu erörtern, ist der VDMA-Boss diese Woche zu einem zweitägigen Besuch nach Washington gereist. Gespräche mit Vertretern der Fachministerien, des Kongresses und der Wirtschaft standen auf dem Programm. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die EU und die USA einfach wechselseitig ihre Zertifizierungen anerkennen würden?, fragte Haeusgen. Klingt logisch. Aber in der Praxis gibt es hartnäckige Widerstände.
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Setzt große Hoffnungen auf die USA: VDMA-Boss Karl Haeusgen.
© Quelle: imago images/Hartenfelser
Auch anderswo könnte der Optimismus des Mittelständlers auf eine Probe gestellt werden. So rechnet sein Verband bislang nicht mit einer Rezession in den USA, obwohl sich auch dort die konjunkturellen Wolken verfinstern. Und von einer möglichen Rückkehr Donald Trumps im Jahr 2024 will sich Haeusgen nicht abschrecken lassen. Die Republikaner, glaubt er, hätten ihre ökonomische Lektion gelernt und würden nicht noch einmal mit extremem Protektionismus gegen die Konkurrenz vorgehen.
Im bayerischen Aschheim, dem Sitz von Haeusgens eigener Firma Hawe Hydraulik, die bislang deutlich über 20 Prozent ihres Geschäfts in China macht, wird jedenfalls Richtung Westen umgesteuert. Derzeit beschäftigt der Mittelständler 100 Menschen in den USA. „Das wird wachsen“, verkündet der Unternehmenschef entschlossen.
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