Urbane Mobilität

Free-Now-Chef: „Das 9‑Euro-Ticket ist die perfekte Gelegenheit für alternative Mobilität“

Alexander Mönch, Free-Now-Chef, fordert, Barrieren zwischen ÖPNV und neuen Mobilitäts­diensten einzureißen.

Alexander Mönch, Free-Now-Chef, fordert, Barrieren zwischen ÖPNV und neuen Mobilitäts­diensten einzureißen.

Frankfurt am Main. Alexander Mönch, Jahrgang 1971, ist seit 2016 der General Manager der Mobilitäts­plattform Free Now für Deutschland und Österreich. Mönch hat eine bewegte berufliche Laufbahn hingelegt. Nach dem Studium verfasste er mehrere erfolgreiche Bücher über die Nutzung von Internetdiensten. Er arbeitete als Produktionsleiter bei internationaler Filmproduktionen, kümmerte sich um das Innovations­management in einem Versandhandels­konzern und war der Co-Gründer eines Start-ups, das sich mit Edutainment auf Smartphones beschäftigte. Seit 2011 ist er bei Free Now.

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Im RND-Interview kritisiert er, dass die kommunalen Verkehrsverbünde beim 9‑Euro-Ticket nicht zu einer Zusammenarbeit mit seiner Firma bereit waren. Dabei sollten die Bürgerinnen und Bürger „doch unbeschränkten Zugang zum öffentlichen Verkehr bekommen, und zwar auf allen Plattformen, auf denen sie Mobilität buchen“, so Mönch. Mit der Free-Now-App ist es möglich, Taxis zu bestellen, Carsharing-Autos, E‑Scooter oder E‑Bikes zu buchen. Hinter dem Unternehmen, das sich selbst als größte Mobilitäts­plattform in Europa sieht, stehen die Autokonzerne Mercedes und BMW.

Herr Mönch, das 9‑Euro-Ticket startet, aber auf Ihrer Plattform kann es der Bus- und Bahnkunde nicht kaufen. Sind Sie sauer?

Sauer bin ich nicht, jedoch sprechen Sie einen wunden Punkt an. Aber damit wollte ich das Interview eigentlich nicht starten.

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Zum Start des 9‑Euro-Tickets: Was sagen Reisende und wo lauern Tücken?

Es ist so weit: Für nur 9 Euro kann man ab dem 1. Juni quer durch Deutschland reisen. Doch was sagen eigentlich Reisende und wo lauern mögliche Tücken?

Sondern womit?

Ich möchte zunächst zwei positive Punkte betonen: Das 9‑Euro-Ticket ist zum einen als sozialpolitische Maßnahme kreiert worden, hat aber eine große energiepolitische Relevanz. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es jetzt da ist, weil es hilft, nachhaltige urbane Mobilität gegenüber dem motorisierten Individualverkehr zu stärken. Viele Nutzer werden merken, dass sie ohne eigenes Auto viel Geld sparen und gleichzeitig etwas Positives für die Umwelt tun können. Das 9‑Euro-Ticket ist damit jetzt die perfekte Gelegenheit, in Deutschland das Thema alternative Mobilität zu diskutieren. Wir brauchen dringend Alternativen zum eigenen Pkw, das kann das 9‑Euro-Ticket sein oder Angebote auf unserer Plattform wie Taxi, Carsharing, E‑Scooter oder E‑Bikes. Zum anderen sind wir seit einiger Zeit in engen Verhandlungen mit dem öffentlichen Nahverkehr in Deutschland und gehen von ersten Pilotprojekten im Herbst dieses Jahres aus.

Zurück zur Ausgangsfrage. Der Verband der Verkehrs­unternehmen hat seine eigene 9‑Euro-Ticket-App gerade vorgestellt. War das nötig?

Leider ist es uns bisher nicht gelungen, das 9‑Euro-Ticket über unsere Plattform zu vertreiben. Das möchte man über eigene Vertriebswege und auch am Schalter verkaufen. Dabei ist es das große politische Ziel, den ÖPNV mehr Menschen zugänglich zu machen. Dann sollten Menschen doch auch unbeschränkten Zugang zum öffentlichen Verkehr bekommen, und zwar auf allen Plattformen, auf denen sie Mobilität buchen. Aber genau das ist aktuell nicht möglich. Wir bei Free Now verfügen über ein ganzes Ökosystem für Mobilität und verknüpfen alle Formen von Shared Mobility. Nur der ÖPNV fehlt aktuell leider noch.

30.05.2018, Nordrhein-Westfalen, Hamm: Hinter einem Bahnhofsstandortschild, das auf die Stadt Hamm (Westfalen) hinweist, steht ein Regionalzug, der auf die Abfahrt in Richtung Dortmund wartet. Die Deutsche Bahn und der Nahverkehr Westfalen-Lippe, NWL, informieren über die zweimonatige Sperrung der Gleise zwischen Hamm und Dortmund sowie ein Ersatzkonzept. Ab dem 14. Juli bis zum 10. September 2018 stehen auf der Strecke zwischen Dortmund und Hamm umfangreiche Bauarbeiten an, die eine Sperrung beider Gleise erfordern. Deutsche Bahn und NWL informieren über die Bauarbeiten, das Ersatzkonzept für den Schienenverkehr sowie die Reisendeninformation und -lenkung. Foto: Guido Kirchner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Zehn Fragen an die Deutsche Bahn, die Sie schon immer stellen wollten – und die Antworten

Warum werden die Reservierungen oft nicht angezeigt, und wieso ist das Bordbistro manchmal geschlossen? Wir haben die Deutsche Bahn gefragt – und interessante Antworten bekommen.

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Warum ist das so wichtig?

Der ÖPNV ist und bleibt die wichtigste Form der geteilten Mobilität. Wir bei Free Now können darüber hinaus die Anschluss­mobilität sicherstellen, damit Sie weiterkommen, wenn Sie den Bahnhof erreicht haben. Wir müssen durchgängige Tickets für intelligente und effizientere Mobilität ermöglichen. Also beispielsweise mit dem schnellen Umbuchen vom E‑Scooter auf Carsharing, weil es auf der letzten Meile zu Ihrem Geschäftstermin regnen wird. Auch arbeiten wir gerade verstärkt an der Einführung von Bundle-Optionen, also etwa Stunden-, Tages- oder Monatspässen für Mobilität. Das sind alles Beiträge zur Lösung der Verkehrs­probleme in den Städten.

Wer hat verhindert, dass über die Free-Now-App das 9‑Euro-Ticket verkauft wird?

Wir haben in den vergangenen Wochen mit vielen ÖPNV-Anbietern gesprochen. Da geht es mitunter um Konkurrenz­gedanken. Die Position ist, dass die Unternehmen des ÖPNV viel Geld in eigene Vertriebssysteme investiert haben und sich scheuen, nun den Vertrieb an weitere Kanäle zu öffnen. Letztlich geht es um den direkten Kontakt zum Kunden und auch um den Anspruch, eigene, lokale Plattformen für den Vertrieb von Verkehrs­leistungen zu bauen. Was hier nicht berücksichtigt ist, ist, dass wir als europaweit tätige Plattform sehr viele Privat- oder Geschäfts­reisende mitbringen, die Free Now aus Gewohnheit nutzen und keine Kunden einer lokalen Lösung werden würden.

Ist an dem Konkurrenz­gedanken nicht auch etwas dran?

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Wir halten mit zwei Argumenten dagegen: Menschen, die keine Digital Natives sind, müssen erst einmal an das Thema der Shared Mobility herangeführt werden. Da müssen Impulse von verschiedenen Seiten kommen, um die Koexistenz verschiedener Mobilitäts­plattformen deutlich zu machen. Gerade Deutschland ist eine Autofahrernation. Geteilte Mobilitäts­angebote machen aktuell nur einen minimalen Anteil am gesamten Verkehrs­aufkommen aus. Wir glauben, dass die Politik eigentlich eine Öffnung der Präsenz aller Angebote auf allen möglichen Vertriebskanälen fördern müsste, um die Mobilitätswende voranzutreiben. Es muss maximal simpel für den Kunden sein, nicht das eigene Auto zu nutzen. Und das geht, indem es gute, immer verfügbare Alternativen gibt, die zu vielfältigen Reisebedürfnissen passen. Mobilität ist situativ – und daher ist es wichtig, alle möglichen Optionen zusammen­zubringen und Zugangs­barrieren einzureißen. Die EU arbeitet daher auch gerade an einer Regulierung, die genau das unterstützen soll. In Deutschland werden aktuell leider lokale Lösungen favorisiert.

Und in anderen Sektoren ist auch das digitale Bezahlen von komplexeren Dienstleistungen schon sehr weit entwickelt. Im Verkehrssektor tut sich wenig. Woran liegt das?

Technisch ist das Bezahlen mehrerer Beförderungsarten – bis hin zu Flugreisen – auf einer App möglich. Die Integration verschiedener Mobilitätsformen und Partner ist technisch eine große Herausforderung. Also die Bahnfahrt plus U‑Bahn plus E‑Scooter mit einer Buchung und einer digitalen Rechnung. Wir sind hier schon sehr weit und haben als einzige App in Europa zehn Partner mit über 180.000 Fahrzeugen in unsere App integriert. Weitere Partner – und auch der öffentliche Nahverkehr in ersten Städten – werden demnächst hinzukommen und in unsere Plattformen integriert. Wir sind dabei bereit, unsere Daten der Deutschen Bahn oder Verkehrsverbünden zur Verfügung zu stellen, um nachhaltige Mobilität insgesamt zu fördern.

ARCHIV - 12.06.2020, Mecklenburg-Vorpommern, Karow: Ein Lokführer steuert einen Triebwagen der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (ODEG) auf der Fahrt von Parchim nach Plau am See durch den verlassenen Bahnhof von Karow. Die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG) fährt auf der Südbahnstrecke von Parchim nach Plau am See. Von der Prignitz in Brandenburg an die Mecklenburgische Seenplatte zu fahren, ist per Bahn derzeit nicht möglich. (zu dpa: «Die Bahn kommt - oder nicht? Der Netzausbau stockt») Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

9‑Euro-Ticket: unterwegs im Land der Triebwagen

Das 9‑Euro-Ticket treibt die Menschen in die Regionalzüge, auf die oft unbeachteten Nebenflüsse des Eisenbahnsystems. Sind sie dafür bereit? Was müsste passieren, um den öffentlichen Verkehr wirklich attraktiv zu machen? Eine Reise mit literarischer Zugbegleitung.

Das Verknüpfen der Verkehrssysteme liegt Ihnen schon länger am Herzen.

Das stimmt, weil es etwas ist, das die gesamte Gesellschaft möchte: eine Bundesregierung, die Klimaschutz durchsetzen will. Und Städte, die im Verkehr ersticken – das will keiner mehr. Digitale Plattformen für Mobilität sind ein Schlüssel, um Städte lebenswerter zu machen.

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Letztlich geht es Free Now doch bei alldem auch darum, Geld zu verdienen. Wie stehen sie heute da?

Wir wachsen kontinuierlich: In den ersten fünf Monaten des Jahres haben wir mehr Fahrten vermittelt als im gesamten Jahr 2021. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich die Nachfrage auf unserer Plattform weiterhin positiv entwickelt, weil mit der Rücknahme der Corona-Beschränkungen die Menschen wieder stärker mobil sind.

In allen Bereichen?

In fast allen, ja. Das Geschäftsreise­segment hat sich mit der Pandemie aber wahrscheinlich nachhaltig verändert, weil unter anderem mehr auf Videokonferenzen gesetzt wird. Auf der anderen Seite reagieren wir zum Beispiel mit unserem Mobilitäts­budget auf Veränderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass wir sehr bald neue Nachfrage­rekorde erreichen. Die zunehmende Urbanisierung ist dabei ein Megatrend, der uns entgegenkommt. Und je mehr Menschen in die Städte ziehen, umso größere Chancen gibt es für alle Alternativen zum motorisierten Individualverkehr.

Dabei gehört Free Now doch BMW und Mercedes. Was erwarten die Eigentümer von Ihnen? Sind sie ein Lieferant von Nutzerdaten, die die beiden Konzerne irgendwann zum Beispiel für autonomes Fahren nutzen wollen?

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Wir stehen in sehr gutem Austausch mit unseren Shareholdern und arbeiten auf einer sehr engen Vertrauensbasis zusammen. Dabei haben wir von unseren Anteilseignern die volle Rückendeckung, weiter zu wachsen, was auch finanziell unterstützt wird. Gleichwohl haben wir natürlich die Aufgabe, in allen Märkten profitabel zu werden.

Mercedes Drive Pilot

Hände weg vom Lenker! Auf der Autobahn mit dem Drive Pilot von Mercedes

Als erster Autohersteller hat Mercedes-Benz in Deutschland eine Lizenz zum hochautomatisierten Fahren der Stufe drei erhalten. Seit 2017 ist das nach dem Straßenverkehrs­gesetz (StVG) auf deutschen Autobahnen zugelassen – wenn auch mit etlichen Einschränkungen. Ein Selbstversuch mit dem neuen Elektroflaggschiff EQS.

Wie weit sind Sie davon noch weg?

Das muss man in jedem der elf Länder, in denen wir aktiv sind, separat betrachten. Wir sind bereits heute die größte Plattform für Mobilität in Europa – über keine andere Plattform können Nutzer so viele Fahrzeuge buchen. Diesen Erfolg wissen natürlich auch unsere Shareholder sehr zu schätzen.

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