Das Börsenjahr: ein Wechselbad zwischen Euphorie und Sorgen
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ZX7YC4I36VDA3PAGGLKCAV77RA.jpeg)
Der Schriftzug „Börse Frankfurt" leuchtet im Handelssaal der Frankfurter Wertpapierbörse unterhalb der Anzeigetafel mit der Dax-Kurve.
© Quelle: Arne Dedert/dpa
Frankfurt. Börsianer haben allen Grund, schon vor Silvester die Korken knallen zu lassen. 2021 hat ihnen kräftige Kursgewinne beschert. Fürs neue Jahr fallen die Prognosen aber verhaltener aus. Vor allem wegen eines völlig unberechenbaren Faktors, der den Namen Omikron trägt.
Als der Deutsche Aktienindex (Dax) am Donnerstag gegen 14 Uhr für dieses Jahr stehen blieb, zeigte die große schwarze Anzeigentafel im Handelssaal der Frankfurter Börse die Zahl 15.885. Das waren gut 15 Prozent mehr als beim Jahresstart im Januar. Es ging beim Finale ziemlich träge zu – bei geringen Umsätzen.
Dabei konnte man dem Dax mangelnde Agilität in den vergangenen zwölf Monaten ganz bestimmt nicht vorwerfen. Nach einem holprigen Start mit spürbaren Abschlägen ging es im März mit einem Plus von mehr als 1000 Punkten heftig nach oben.
Die kalte Dusche kam dann im Spätsommer. Das wichtigste hiesige Börsenbarometer verzeichnete im September ein Minus von rund 1500 Punkten. Um sich im Oktober wieder zu berappeln und im November ein Allzeithoch von 16.290 Punkten zu erklimmen. Die Omikron-Mutante sorgte danach unter den Anlegern für einige Verunsicherung. Aber immerhin legte der Dax zum Jahresende noch einen respektablen Schlussspurt hin. Am letzten Handelstag ging ihm dann aber die Puste etwas aus. Der Index kurvte um die Nulllinie herum und schloss mit einem Plus von 0,2 Prozent zum Vortag.
„Wechselbad aus Euphorie und Sorgen“
Die Aktienstrategen der DZ-Bank sprechen in einer aktuellen Studie von „einem Wechselbad aus Euphorie und Sorgen“: Mit der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie, als es im ersten Halbjahr mit dem Impfen losging. Bauchschmerzen bereiteten den Investoren im Sommer die immer deutlicher werdenden Lieferengpässe und die anschwellende Inflation. Doch der Herbst brachte zwischenzeitlich wieder großen Optimismus, weil wieder einmal das Ende der Covid-Seuche nahe schien – was sich leider nicht bestätigt hat.
Dennoch lieferte der Dax zum neunten Mal in zehn Jahren unterm Strich ein Plus ab. Und wer das Kunststück vollbracht hat mit einem Fonds, der den Index abbildet, am Tiefpunkt Ende Januar einzusteigen und am Tag des Rekords (17. November) auszusteigen, der hat sogar einen Gewinn von fast 22 Prozent gemacht.
Ein schwieriges Winterhalbjahr steht bevor
Viele Prognosen für 2022 gehen davon aus, dass die Anleger demnächst aber deutlich kleinere Brötchen backen müssen. Und da werden wieder die großen drei Problemzonen genannt: Inflation, Lieferprobleme und natürlich Covid. Auffallend ist aber auch, dass gleichwohl Optimismus verbreitet wird. So auch von den Strategen der DZ-Bank: Die Risiken sollten im Laufe des Jahres „immer mehr unter Kontrolle gebracht werden und somit sowohl der Wirtschaftserholung als auch dem Aktienmarkt buchstäblich freie Fahrt geben“.
Ähnlich sieht es Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK. Zwar stehe der deutschen Wirtschaft wegen der neuen Kontaktbeschränkungen und der Konsumzurückhaltung durch die neue Covid-Welle ein schwieriges Winterhalbjahr bevor. Sobald man das Virus aber wieder im Griff habe, „ist mit einer kräftigen Fortsetzung der Erholung zu rechnen“, sagte Dullien dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das Geld ist da, liegt aber noch auf den Konten der Bürger
Er sieht zwei entscheidende Punkte: die aufgestaute Konsumnachfrage und die vollen Auftragsbücher der Industrie. Viele Milliarden Euro haben sich auf den Girokonten der Bundesbürger angesammelt, da wegen der diversen Lockdowns und der Reisebeschränkungen es schlicht an Gelegenheiten mangelte, Geld unter die Leute zu bringen. Fallen die Einschränkungen weg, werden diesem Szenario zufolge anstehende Anschaffungen endlich getätigt und geplante Urlaubsreisen nachgeholt.
Verbraucherpreise steigen weiter: Inflation springt im November auf 5,2 Prozent
Die Inflation in Deutschland hat sich im November deutlich beschleunigt.
© Quelle: AFP
Hinzu kommt, dass wegen eines Mangels an elektronischen Bauteilen und anderen Vorprodukten die Industrie viele Bestellungen von Maschinen oder Anlagen nicht abarbeiten konnte. Die Orders sind aber nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Eine Mehrheit der Ökonomen erwartet, dass Lieferengpässe sich im zweiten Halbjahr mehr oder weniger auflösen, weil Transportkapazitäten vergrößert und das Angebot bei Grund- und Rohstoffen erweitert wird.
Geringere Inflation wird erwartet
Folglich erwarten Aktienexperten besonders bei konjunkturabhängigen Unternehmen kräftige Gewinnschübe. Namentlich empfehlen die DZ-Bank-Strategen, sich unter anderem die Aktie des Stahlkochers Thyssenkrupp und das Papier des Autobauers General Motors genauer anzuschauen.
Und was ist mit der Inflation? Die wurde vor allem durch die heftig gestiegenen Rohölpreise befeuert. Eine gebremste Förderung traf auf eine schnell steigende Nachfrage. Hier gehen die Autoren der DZ-Bank-Studie davon aus, dass sich „diese Knappheitsgrade mittelfristig abbauen“. In Summe erwarte man eine „moderatere Inflationsentwicklung als 2021″.
Das steht in Übereinstimmung mit den Einschätzungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die jüngst angekündigt hat, die geldpolitischen Zügel zwar etwas anzuziehen. Doch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat abermals klargemacht, dass es Zinserhöhungen im Jahr 2022 nicht geben werde. Das weiterhin extrem niedrige Zinsniveau dürfte auch bedeuten, dass viele Anleger gar keine andere Wahl haben, als bei Aktien zuzugreifen.