Darum rollen immer mehr SUV durch Deutschland
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IAHV43PEXJFF5F37AKFV6H5A6Q.jpg)
SUV stehen in der Kritik - nicht immer zurecht, wie Experten betonen.
© Quelle: imago images / Jörg Schüler
Die Bundesrepublik diskutiert heftig über SUV - und die Umweltbewegung bekommt mit "Fridays for Hubraum" Gegenwind von PS-Freunden. Doch die vermeintlichen Geländewagen gelten als klimaschädliche Spritfresser. Und seit einem schweren Unfall mit vier Todesopfern in Berlin am vergangenen Freitag scheint der Ruf der SUV ruiniert zu sein. Es gibt allerdings handfeste Gründe dafür, dass in diesem Jahr trotzdem mehr als eine Million SUV zugelassen werden dürfte.
Sind SUV immer Spritfresser?
Für 2019 rechnet das Kraftfahrt-Bundesamt erstmals mit mehr als einer Million neu zugelassenen SUV - ein Rekordwert. Automobilexperten warnen allerdings, dass der Begriff SUV unscharf ist. Denn längst werden so nicht mehr nur große Geländewagen bezeichnet, sondern auch viele kleinere Fahrzeuge. "Das was heute als SUV bezeichnet wird, hat mit klassischen Geländewagen technisch nichts mehr zu tun", sagt deshalb Christoph Stürmer, Automobilmarkt-Experte bei Pricewaterhouse-Coopers.
Ein Beispiel dafür sei der VW T-Cross. Der baue auf dem VW Polo auf, sei letztendlich vor allem höher. "Insgesamt ist der kleiner als ein Golf, firmiert aber trotzdem als SUV", erklärt Stürmer. Ähnliches gelte auch für die E- und die M-Klasse von Mercedes. Technisch seien sich beide Autos sehr ähnlich. Die M-Klasse als SUV wirke allerdings wuchtiger. "Und das führt dann bei vielen zu Schnappatmung."
Trotzdem sagt auch Stürmer: "Natürlich gibt es Fahrzeuge, bei denen man sich fragt, ob das sein muss - beispielsweise bei einem 500-PS-starken Tuning-SUV". Doch insgesamt gebe es bei den Herstellern viele Bemühungen, um auf technischer Ebene den Verbrauch von SUV zu reduzieren.
Warum ist die Nachfrage so groß?
Aus Stürmers Sicht liegt es vor allem an den Kunden, dass sich SUV derzeit gut verkaufen. Einerseits hätten SUV eine "Proportionensprache, die offensichtlich viele Kunden anspricht", so der Automobilmarkt-Kenner. Und anderseits gebe es beim Kunden eben ein großes Bedürfnis nach Bequemlichkeit und Platz - wo die SUV mit leichtem Einstieg und Innenraumhöhe punkten.
Lesen Sie auch: "Klimakiller an Bord“: Greenpeace blockiert SUV-Auslieferung
Auch habe sich das Nutzungsverhalten geändert: Während früher beispielsweise eine Urlaubsfahrt mit einer E-Klasse dank der hohen Geschwindigkeit bevorzugt worden sei, wählen Reisende heutzutage häufiger das Flugzeug als Reisemittel. Deshalb falle es aus Kundensicht weniger ins Gewicht, dass SUV bei mehr als 130 Km/h auf der Autobahn viel Sprit verbrauchen. "Die werden eher für die Stadt und fürs Umland angeschafft", sagt Stürmer.
Kritiker haben allerdings Zweifel, ob die Kundenwünsche wirklich die große Nachfrage nach SUV erklären. "Die Auto-Werbung hat sich in den letzten Jahren sehr stark auf SUV konzentriert", wirft zum Beispiel Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) den Autoherstellern vor.
Viele SUV sind allerdings Dienst- und Firmenwagen...
Ohnehin entfallen 70 Prozent aller Neuzulassungen in Deutschland auf gewerblich genutzte Fahrzeuge - wo auch der Anteil von SUV entsprechend hoch ist. Zwar sind nach Stürmers Angaben Firmenwagen im Regelfall immer noch möglichst repräsentative Fahrzeuge. Der Treibhausgas-Ausstoß großer Fahrzeugflotten sinke aber kontinuierlich. "CO2-orientierte Fuhrpark-Strategien setzen sich eindeutig durch", sagt Stürmer über die Flottenpolitik großer Unternehmen.
"Auf der Straße sieht man eher SUV von kleineren Unternehmern, Anwälten und Ärzten", glaubt Stürmer deshalb. Diese achteten weniger auf den Verbrauch, zumal die bislang geltenden Regeln bei der Dienstwagenbesteuerung ohnehin zu geringen Kostenunterschieden zwischen SUV und PKW geführt hätten. Der VCD argumentiert ähnlich, Müller-Görnert betont: "Das ist ein Fehler im System."
Aus Stürmers Sicht wird sich aber auch das bald ändern - wegen der seit Januar geltenden sogenannten 0,5-Prozent-Regelung für elektrische Dienstwagen. Dieser neue Kniff bei der Dienstwagenbesteuerung vergünstige E-Autos im Vergleich zu konventionellen PKW deutlich. "Hier im Frankfurter Westend steht vor jeder Kanzlei mindestens ein Tesla", so Stürmer.
Warum setzen die Hersteller auf SUV?
Unbestritten ist, dass sich das SUV-Geschäft bislang für die Hersteller lohnt. Denn die Gewinnmargen sind bei den Fahrzeugen deutlich höher als etwa bei Kleinwagen, was Stürmer am Beispiel des VW T-Cross verdeutlicht: An den Herstellungskosten ändere sich im Vergleich zum Polo fast nichts. "Aber die Hersteller bekommen einfach dadurch, dass sie auf Kundenwünsche eingehen, mehr Geld", sagt Stürmer angesichts des höheren Kaufpreises.
Geht es nach ihm, sind die Hersteller auf die Einnahmen auch dringend angewiesen. Im Vergleich zu anderen Branchen sei die Automobilindustrie bei der Profitabilität ohnehin schon im Hintertreffen. Gleichzeitig seien die Herausforderungen derzeit "extrem", weil die ganze Branche erst am Anfang einer umfassenden Transformation in Richtung Digitalisierung und E-Mobilität stehe. "Deshalb ist es für die Hersteller wichtig, die Erlös-Seite abzusichern.
Weichen die SUV künftig dem E-Auto?
Auch wenn in den kommenden Jahren viele Elektroautos auf den Markt kommen - SUV werden im Straßenverkehr noch eine Weile präsent sein. Denn die Hersteller haben längst elektrische SUV angekündigt oder verkaufen sie bereits. Das stößt dem VCD allerdings sehr übel auf: "Große Wagen zu elektrifizieren ist nicht die Lösung", meint Müller-Görnert. Denn diese bräuchten tendenziell auch größere Batterien - "das ist ein erheblicher ökologischer Rucksack".
Lesen Sie auch: Kommentar: Die Autohersteller sollten mutig sein – und weniger SUVs bauen
Hinweis: Der Text wurde nach der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) aktualisiert.