Wegen Coronavirus im Homeoffice: Ist Deutschland zu zurückhaltend?

Ist der Betrieb geschlossen, kann die Arbeit zu Hause fortgeführt werden.

Ist der Betrieb geschlossen, kann die Arbeit zu Hause fortgeführt werden.

Twitter, Google und einige andere Tech-Unternehmen sind im Umgang mit dem Coronavirus vergleichsweise entschlossen: Sie setzen aufs Homeoffice. Schließlich reduziert das die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mitarbeiter gegenseitig anstecken - ein Schritt, der die Ausbreitung des Virus verlangsamen und im Falle eines erkrankten Mitarbeiters die Ausfälle im Unternehmen gering halten kann. Doch in Deutschland bleibt das bislang offenbar eine Ausnahme. Lediglich einige Start-ups gaben bekannt, präventiv auf die Arbeit von Zuhause aus zu setzen.

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Ganz anders in Japan: “Bitte kommt nicht zur Arbeit”, scheint dort zur offfiziellen Devise geworden zu sein. Denn während das Coronavirus, offiziell Covid-19 genannt, in Japan seine Kreise zieht, igelt sich das Land zusehends ein. Die Regierung rät ihren Bürgern, Menschenansammlungen möglichst zu vermeiden. Betriebe bittet sie, Bürozeiten zu reduzieren. Dem leisten namhafte Arbeitgeber Folge. Der Telekommunikationsgigant NTT und der Internetkonzern Yahoo Japan sorgen dafür, dass sich ihre Mitarbeiter ein Homeoffice einrichten oder möglichst wenig Zeit im Büro verbringen. In der ansonsten sehr emsigen Arbeitswelt des Landes hat so etwas Seltenheitswert.

Familien stellen ihren Alltag um

Ganze Familien stellen nun ihren Arbeitsalltag um. Während die Regierung allen Schulen des Landes dazu riet, den Unterricht zunächst ausfallen zu lassen, verlassen nach und nach auch die Eltern zusehends nicht mehr das Haus. Nach NTT und Yahoo Japan hat etwa Dentsu, die größte Werbeagentur des Landes nachgezogen und lässt Tausende Mitarbeiter ihren Dienst nur noch per Telefon von Zuhause aus schieben. Ebenso halten es Shiseido, ein führender Kosmetikhersteller, und mehrere weitere große Unternehmen. Schließlich empfehlen schon die Betreiber der S- und U-Bahnen im Land, möglichst wenig unterwegs zu sein.

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In Japan haben die radikalen Maßnahmen vor allem einen Grund: Bald stehen dort die olympischen Spiele an. Sie könnten zu einem wirtschaftlichen Fiasko werden, wenn Besucher aus Angst vor dem Coronavirus fernbleiben. Eigentlich sollte die größte Sportveranstaltung der Welt neben einem Bauboom auch zu einem langwährenden Aufschwung des Tourismus und des Inlandskonsums führen.

Homeoffice: Vorteile gibt es viele

So verwundert die Entschlossenheit bei der Eindämmung des Virus nur wenig, schließlich liegen die Vorteile der Arbeit von Zuhause aus auf der Hand: Einerseits ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit in den eigenen vier Wänden gering, weil man nur wenig Kontakt zu anderen - potenziell erkrankten - Menschen hat. Andererseits profitieren diejenigen, die in der Produktion arbeiten oder wegen Kundenkontakten zur Arbeit müssen davon, dass generell weniger Menschen im Büro und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Und schlussendlich muss ein Betrieb wegen eines im Homeoffice erkrankten Mitarbeiters eben nicht schließen, so wie es einigen Unternehmen in Deutschland schon passiert ist.

Zumindest weltweit erlebt Home-Office deshalb gerade einen regelrechten Boom: Die US-Firma Zoom, die entsprechende Software anbietet, registriert eine deutlich erhöhte Nachfrage. Ähnlich dürfte es bei dem deutschen Anbieter Teamviewer aussehen, dessen Aktienkurs in den vergangenen Tagen stetig stieg. Wie das Handelsblatt berichtet, meldet auch Cisco wesentlich mehr Interesse an seiner Videokonferenz-Software Webex als sonst: In China sei der Datenverkehr dort seit dem Ausbruch der Epidemie in der Spitze auf das 22-fache Volumen gestiegen. In Japan, Südkorea und Singapur hat die Cisco-Tochter vier bis fünf Mal so viele Nutzer wie sonst verzeichnet. Auch in Italien habe die Nutzung zuletzt zugenommen.

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Zurückhaltung in Deutschland

Trotzdem ist man in der Bundesrepublik, wo sich die Coronafallzahlen dem japanischen Niveau annähern, zurückhaltend beim Thema Homeoffice und mobiler Arbeit. Weder Wirtschaftsverbände noch das Bundeswirtschaftsministerium oder die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sprechen Empfehlungen für die Arbeit von Zuhause aus. Das Robert-Koch-Institut, bei der Pandemie-Bekämpfung federführend, erwähnt lediglich diffus eine “nächsten Phase” der Virus-Ausbreitung, in der Home-Office sinnvoll sein könnte.

Für die deutsche Zurückhaltung gibt es wohl mehrere Gründe: Einerseits eine Präsenzkultur, die eine typisch-deutsche Zurückhaltung bei den Themen Homeoffice und mobiles Arbeiten zeigt. Allzu oft schildern Chefs, dass sie Angst haben, zu wenig Kontrolle über ihre zu Hause arbeitenden Beschäftigten zu haben. Und andersrum ist es in Deutschland eben keine Seltenheit, dass Beschäftigte mit physischer Anwesenheit glänzen wollen – auch bei 39 Grad Fieber.

Rechtslage ist schwierig

Allerdings ist es auch gar nicht so einfach, auf einen Schlag die Beschäftigten ins Homeoffice zu schicken - aufgrund des Arbeitsrechts: Kein Betrieb kann seinen Beschäftigten einfach verordnen, Zuhause zu arbeiten, weil in Arbeitsverträgen im Regelfall das Büro als Arbeitsort festgelegt ist. Um davon abzuweichen, brauche es die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers oder des Betriebsrats, erklärt Till Bender, Sprecher des DGB-Rechtsschutz.

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Auch ist die Rechtslage in Punkto Homeoffice in Deutschland nicht ganz einfach. Denn theoretisch kann das Telearbeitsgesetz zur Anwendung kommen, demzufolge der heimische Arbeitsplatz von einer vorgeschriebenen Schreibtischhöhe bis zu einem bestimmten Lichteinfallswinkel bestimmte Anforderungen erfüllen muss. Hinzu kommt, dass bei der Arbeit von Zuhause aus eine ganze Reihe von Schwierigkeiten in Punkto Datenschutz entstehen kann. Wenn etwa Kundendaten auf dem Esstisch liegen, kann das schon erhebliche rechtliche Risiken bergen.

Vorbereitet sein lohnt sich

Und zu guter Letzt sind viele deutsche Unternehmen generell noch zögerlich, was mobiles Arbeiten und Homeoffice anbelangt. Nur ein Viertel der deutschen Unternehmen bietet es überhaupt an, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg 2019 herausfand. Das könnte sich nun rächen: "Die Einführung mobiler Arbeit ist eigentlich nicht als Ad-Hoc-Werkzeug gedacht“, sagt etwa Ole Wintermann, vom Zukunft-der-Arbeit-Projekt der Bertelsmann-Stiftung. “Im Idealfall dauert der Prozess, wenn das ganze Team involviert ist, mehrere Wochen.”

Dass es sich für Unternehmen angesichts des Coronavirus lohnen kann, auf Homeoffice vorbereitet zu sein, demonstriert unterdessen die Unternehmensberatung Ernst & Young. Am Düsseldorfer Standort war ein Mitarbeiter erkrankt, 1500 Beschäftigte mussten kurzfristig mehrere Tage zu Hause arbeiten. “Das war Business-as-Usual”, sagt ein Sprecher. Schließlich sei mobiles Arbeiten in der Welt der Unternehmensberatungen schon lange üblich.

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