Manege unfrei: Die Zirkusbranche steckt in ihrem zweiten Corona-Winter – und leidet

Ein Mann kommt zur Impfaktion des Münchner Doms und des Malteser Hilfsdienstes in den Circus Krone. Eine Vorstellung gab es in dem Zirkus schon lange nicht mehr.

Ein Mann kommt zur Impfaktion des Münchner Doms und des Malteser Hilfsdienstes in den Circus Krone. Eine Vorstellung gab es in dem Zirkus schon lange nicht mehr.

München. Es ist eine Geschichte der enttäuschten Hoffnungen und vergeblichen Wiederbelebungsversuche. „Damals haben wir gedacht, das werden zwei bis drei Monate Unterbrechung“, erzählt Frank Keller. Der Programmplaner des Circus Krone in München lacht bei dem Satz kurz fatalistisch auf. Es war im März 2020, als beim weltgrößten Zirkus zum vorerst letzten Mal die Manege frei gegeben wurde.

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Im Sommer 2020 ist der erste Neustartversuch an Corona-Realitäten gescheitert. „Mehr als kommentierte Raubtierproben und eine Clown-Waschstraße, wo Besucher komplett kontaktfrei in ihrem Auto gesessen sind, war nicht drin“, bedauert Keller. Gewaschen wurden die Gefährte von Krone-Clowns. Dazu kamen noch Führungen auf der Krone-Farm für verrentete Zirkustiere im Münchner Umland. Dann sollte es im Winter 20/21 mit einigem Aufwand wieder richtig losgehen.

„40.000 Euro für Plexiglaswände im Zuschauerraum, weitere 40.000 Euro für Filter in der Klimaanlage“, zählt der Zirkusberater auf. Alle Vorgaben habe man erfüllt. Was folgte, war ein neuer Lockdown. Dem sei auch ein geplanter Adventsmarkt im Freien mit Eislauffläche und Eisrutsche zum Opfer gefallen, nachdem weitere 60.000 Euro investiert waren. „Wir hatten wieder viel Geld in die Hand genommen für nichts“, sagt Keller. Seine Stimme klingt jetzt leidend.

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Eine für Frühjahr und Sommer erwogene Krone-Tournee sei an unterschiedlichen Corona-Regularien der Bundesländer gescheitert. „Dann haben wir vorigen Herbst gedacht, wir sind über dem Berg und können neu starten“, erzählt der Programmplaner. Auf den Weihnachtszirkus am 25. Dezember 2021 im firmeneigenen Krone-Bau in München habe man sich vorbereitet, Artisten engagiert, Hotelzimmer reserviert und Plakate gedruckt. „Und erneut wurde alles abgesagt“, grummelt Keller coronagebeutelt. Das Schicksal des Krone ist keine Ausnahme, sondern typisch für die Zirkusbranche.

Alle großen Weihnachtszirkusse in Stuttgart, Heilbronn oder anderswo seien kurzfristig gestrichen worden, stellt Ralf Huppertz klar. „Das hätte ich noch Anfang November 2021 nicht für möglich gehalten“, gesteht der Chef des Verbands Deutscher Circusunternehmen (VDCU). Dabei seien die Veranstaltungen kurz nach dem Fest besonders wichtig.

Nur jeder vierte Platz darf derzeit belegt sein

„Zehn Tage Weihnachtszirkus bringen oft einen Umsatz wie zwei bis drei Normalmonate“, weiß der Experte. Wegen der Corona-Auflagen lohne es sich wirtschaftlich einfach nicht zu spielen, was Keller bestätigt. Nur jeder vierte Platz darf derzeit belegt sein. „Mit 25 Prozent Auslastung kommen wir aber finanziell auf keinen grünen Zweig“, stellt der circensische Berater des Circus Krone klar.

Die Tristesse ist allumfassend. Seit März 2020 hätte es branchenweit außer bei einigen kleinen Zirkussen vereinzelt im Süden der Republik keine Veranstaltungen gegeben und auch die nur zeitweise, schildert Huppertz die allgemeine Lage. Trotz Staatshilfen, die der Verbandschef ausdrücklich lobt, drohten nun finanzielle Engpässe. „Es wird für viele Zirkusse ganz knapp“, warnt er.

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Auch Verbandskollegin Jenny Patschovsky vom Bundesverband zeitgenössischer Zirkus (Buzz) fürchtet Pleiten. „Unsere Veranstalter kämpfen ums Überleben“, sagt sie mit Blick auf moderne Zirkusbühnen ohne Tiere bundesweit. Buzz vertritt Artisten, die von Zirkussen engagiert werden, wenn nicht gerade Pandemie ist.

Viele Häuser hätten derzeit Hemmungen, ein Programm zu planen, weil sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie der Circus Krone. „Es ist zermürbend“, stellt Patschovsky klar. Sie fürchtet auch, dass Zuschauern langsam grundsätzlich die Lust auf Zirkus vergeht. „Wir beginnen, unser Publikum zu verlieren“, unkt die Buzz-Vorsitzende.

Diese Angst hat Huppertz nicht. „Das Publikum will auch unter Bedingungen von 2G+ kommen“, glaubt er. Keller vertraut auf die Treue des Krone-Publikums und hofft auf Anfang Februar. Dann will Bayerns Landesregierung entscheiden, ob die Corona-Regeln gelockert werden. „Wenn wir wieder die Hälfte aller Plätze belegen dürfen, sieht es ganz anders aus“, sagt der Krone-Planer.

Dann werde man zügig Mitte bis Ende Februar neu starten und eine Tournee ab April planen. So lange würden auch in den Jahren vor der Pandemie angesparte Rücklagen reichen. „Wir haben uns weder von einem Tier getrennt noch Mitarbeiter entlassen“, sagt Keller stolz. Das soll auch so bleiben. Aber vorerst geht der Drahtseilakt für eine ganze Branche weiter.

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