Corona-Wachstumsschub für Ravensburger
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Hat angesichts der Bilanz 2020 allen Grund zur Freude: Clemens Maier, Vorstandsvorsitzender der Ravensburger Gruppe.
© Quelle: Felix Kästle/dpa
Sie tragen eine Corona-Schutzmaske und referieren über das Geschäftsjahr 2020. Dennoch sind die Ravensburger-Vorstände Clemens Maier und Hanspeter Mürle gut gelaunt. Denn als Vertreter der Spielwarenindustrie gehören sie einer Branche an, die von der Pandemie profitiert wie kaum eine andere.
„Es war die höchste Steigerung in der neueren Vergangenheit“, freut sich Maier. 632 Millionen Euro und damit ein Fünftel mehr Umsatz habe das Corona-Jahr 2020 gebracht. Vor allem Gesellschaftsspielen und Puzzles, aber auch Büchern sei das zu verdanken. „Die Leute wollten abschalten, hatten mehr Zeit für Familie und wir konnten Hilfe geben“, erklärt Maier die Sonderkonjunktur seiner Branche.
Der einheimische Spielwarenmarkt wuchs um 9 Prozent
Von der konnte aber nicht jeder profitieren. So haben die Umsätze bei Deutschlands größter Spielwarengruppe Simba Dickie 2020 mit 830 Millionen Euro praktisch stagniert. Große Unterschiede gibt es für die stark exportorientierte Branche auch regional. Hierzulande konnte der Spielwarenmarkt im Corona-Jahr um stolze 9 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro wachsen, obwohl stationäre Geschäfte ausgerechnet in den umsatzstärksten Wochen vor Weihnachten schließen mussten, haben die auf Spielzeug spezialisierten Marktforscher der Nürnberger npd-Group ausgerechnet.
„Ohne den Lockdown wäre es noch wesentlich besser ausgegangen“, betont Marktforscher Joachim Stempfle. Auch 2020 boomende Onlineverkäufe hätten das Schließen des stationären Handels kurz vor Weihnachten nicht mehr ausgleichen können. Für die Branche wichtige Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich waren von der Pandemie dagegen so stark getroffen, dass der Spielwarenumsatz dort 2020 rückläufig war. Zudem hat nicht jedes Segment gleich profitiert.
2020 verkaufte Ravensburger 28 Millionen Puzzles
Bei Weitem am stärksten zugelegt hätten Spiele und Puzzles, betont Stempfle. Auch das erklärt, warum darauf konzentrierte Hersteller wie Ravensburger oder auch Kosmos heute so gut dastehen. Gut zwei Drittel aller Umsätze macht Ravensburger mit Spielen und Puzzles, verrät Maier. 2020 habe man 28 Millionen Puzzles verkauft, ein Drittel mehr als 2019. Dazu wurden 25 Millionen Spiele verkauft, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Solche Nachfragesprünge muss man aber auch bedienen können, in einer Branche, die ihre Produkte zum Großteil aus China bezieht.
„Unsere hohe Fertigungstiefe hat uns geholfen“, stellt Mürle klar. Ravensburger fertigt am baden-württembergischen Firmensitz und in Tschechien. „Da konnten wir schnell auf die hohe Nachfrage reagieren“, erklärt der Manager. Dennoch sei man zeitweise an Kapazitätsgrenzen gestoßen. Wer dagegen Ware aus China bezieht, kann kurzfristig kaum reagieren. Zudem hat Ravensburger zuletzt seine Organisation aufgemöbelt und den Vertrieb gestärkt. Deshalb konnten Spiele und Puzzles mit dem blauen Dreieck in der Pandemie auch im Lebensmittelhandel gekauft werden oder über den eigenen Onlineshop sowie die Onlinefilialen von Buchhändlern bestellt werden.
Billigspielzeug und stationärer Handel hatten das Nachsehen
Wer aber 2020 auf Spontankäufe von Billigspielzeug im stationären Handel angewiesen war, hatte das Nachsehen. Bekannte Marken sind hier im Vorteil. In Deutschland konnte Ravensburger deshalb mit 16 Prozent klar deutlich stärker wachsen als der Markt und selbst in Krisenländern wie Frankreich (9 Prozent), Italien (10 Prozent) oder Spanien (33 Prozent) zulegen. Wer als Spielwarenhersteller im Corona-Jahr durchstarten wollte, musste also in den gefragten Segmenten anbieten, möglichst in Deutschland fertigen und alle Vertriebskanäle bespielen. Vom Erfolg 2020 ermutigt, baut Ravensburger nun die Produktionskapazitäten am Firmensitz und in Tschechien aus. Nach einer Aufstockung um 100 Stellen im Vorjahr auf gut 2300 Beschäftigte zieht das weitere Einstellungen ungenannten Ausmaßes nach sich.
Sorgen bereitet Ravensburger aber der stationäre Fachhandel. „Wir erwarten, dass es einige Insolvenzen geben wird“, fürchtet Mürle. Kleinere Pleiten im Handel habe es schon gegeben. Ein Opfer der Pandemie ist auch die größte Spielwarenmesse der Welt, die eigentlich immer um diese Jahreszeit in Nürnberg über die Bühne geht. Sie ist dieses Jahr abgesagt und vorerst auf Juli verschoben. „Für die meisten Hersteller ist das zu spät, weil dann das Weihnachtsgeschäft 2021 schon gelaufen ist“, sagt ein Branchenkenner.
Über eine völlige Absage würde sich deshalb niemand wundern. Das könnte sich auch noch negativ für Hersteller auswirken. Ravensburger will jedenfalls für 2021 keine Prognose wagen – außer der, dass es weiter aufwärts geht.
RND