Trotz Corona: Deutschland bleibt bei der Digitalisierung Mittelmaß

Digital bezahlen funktioniert auch in Deutschland immer flächendeckender. Doch in vielen Bereichen hinkt die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft – auch laut eigener Einschätzung zahlreicher Unternehmen – hinterher.

Digital bezahlen funktioniert auch in Deutschland immer flächendeckender. Doch in vielen Bereichen hinkt die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft – auch laut eigener Einschätzung zahlreicher Unternehmen – hinterher.

München. Die aus der Corona-Not geborenen Digitalisierungsschritte der deutschen Wirtschaft werden die Pandemie überwiegend überdauern. Das ist das positive Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des heimischen Digitalverbands Bitkom unter gut 600 Firmen aller Branchen. „Diese digitale Aufbruchstimmung müssen wir nutzen“, forderte Bitkom-Chef Achim Berg dennoch.

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Denn auch wenn Videokonferenzen neuer Standard sind, Firmenpersonal mit mobiler Computertechnik aufgerüstet und Papier von digitalen Dokumenten ersetzt wurde, ist die deutsche Wirtschaft digital längst noch nicht auf der Sonnenseite. Sie weiß das auch. Sich selbst geben befragte Firmen im Schnitt in Digitalisierung die Schulnote 3,2 nach 3,4 vor einem Jahr.

„Das ist mittelmäßig“, stellt Berg klar. Für übertrieben hält er, dass fast neun von zehn Firmen sagen, die deutsche Wirtschaft als Ganzes habe digital den Anschluss zu Ländern wie den USA und China verloren. Immerhin seien deutsche Konzerne in der Medizintechnik oder bei autonomem Fahren global mit in der Spitze.

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Allgemein gilt das aber auch im Urteil des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung eben nicht, das dazu eine Studie verfasst hat. „Deutschland zeigt bisher im internationalen Vergleich bei der Digitalisierung eine deutliche Tendenz zum Mittelfeld“, urteilt Ifo-Studienautor Oliver Falck. Er bemängelt auch schwachen digitalen Gründergeist und eine seit Jahren rückläufige Gründungsrate in der IT-Branche. Zumindest schätzen Firmen ihre digitale Lage mittlerweile realistisch ein.

Neun von zehn Firmen sehen Deutschland digital abgehängt

2019 hatten sie sich in einer damaligen Bitkom-Umfrage noch zu 39 Prozent als digitale Vorreiter gesehen. Im Corona-Jahr 2020 wurden angesichts der Realitäten daraus 27 Prozent und dieses Jahr wieder 34 Prozent.

Digitalthemen erführen in Firmen heute gestiegene Aufmerksamkeit, freut sich Berg. Das betreffe vor allem künstliche Intelligenz, womit sich aktuell gut ein Drittel befragter Firmen beschäftigt. 2019 waren es noch 12 Prozent. Ähnliche Sprünge gibt es beim Internet der Dinge mit seinen vernetzten Fabriken und Produkten oder bei Big Data und dem Analysieren großer Datenmengen.

Bedenklich findet Berg aber, dass Firmen bei ihrer Digitalisierung 2022 schon wieder knausern wollen. 37 Prozent hätten bekundet, ihre digitale Investitionen zurückfahren zu wollen. „Ich halte das für gefährlich“, warnt Berg vor Sparen am falschen Ort. Sieben von zehn Firmen planten auch einen Abbau von Homeoffice. Jedes vierte Unternehmen will das Arbeiten von zu Hause aus sogar wieder ganz abschaffen. Das sei aber die einzige digitale Errungenschaft, die derart infrage gestellt wird, betont Berg.

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Politik bremse die Digitalisierung

Für gravierender hält er vor allem politische Digitalisierungsbremsen. Als Hürde Nummer eins sehen acht von zehn befragte Firmen den deutschen Datenschutz. Hierzulande bestehe mit 16 Landesdatenschutzchefs und einem weiteren auf Bundesebene ein weltweit einzigartiges Auslegungswirrwarr, kritisiert Berg und fordert die künftige Bundesregierung zum Einschreiten auf.

Zweite Digitalhürde für die Wirtschaft ist aus deren Sicht steigender Expertenmangel. Den beklagen aktuell zwei Drittel aller Firmen. 88.000 fehlende IT-Fachkräfte zählt Bitkom aktuell. „Ich garantiere, dass es 2022 wieder sechsstellig wird“, sagt Berg zudem voraus. Auch das erklärt das trotz Verbesserungen weiter bestehende Mittelmaß der deutschen Wirtschaft in Sachen Digitalisierung.

Es gibt auch Bereiche, wo es noch düsterer aussieht. Unterdurchschnittlich schneide Deutschland im internationalen Vergleich bei digitalen Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung ab, kritisiert die Ifo-Studie. Es mangle an Nutzerfreundlichkeit, Datenaustausch zwischen Behörden und digitalen Angeboten speziell für Firmen. Grund seien im föderalen System fehlende Entscheidungskompetenzen oder schlicht mangelnde Digitalkompetenz in Behörden.

Einig sind sich Ifo, Bitkom und Firmen deshalb auch, dass deutsche Behörden digital dringend aufrüsten müssen und digitale Bildung in allen Schularten ganz oben im politischen Aufgabenheft steht. „Aber es liegt nicht nur an der Politik, sondern auch an der Wirtschaft“, stellt Berg klar.

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