Warum sich Chinas Fahrdienstvermittler Didi von der New Yorker Börse zurückzieht
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Ein Mann hält ein iPhone, auf dessen Bildschirm eine App von Didi zu sehen ist (Archivfoto).
© Quelle: How Hwee Young/EPA/dpa
Peking. Die folgenreiche Ankündigung von Didi besteht aus einem einzigen Satz, der weder erklärt noch eingeordnet wird: „Nach sorgfältiger Untersuchung wird das Unternehmen mit der Dekotierung an der New Yorker Börse beginnen und die Vorbereitungen für eine Notierung in Hongkong einleiten“, heißt es auf der Onlineplattform Weibo am Freitagmorgen.
Doch es benötigt keine Kaffeesatzleserei, um die Gründe für die Entscheidung aufzubröseln. Chinas Staatsführung fürchtet, dass die Daten seines mit Abstand größten Online-Fahrdienstvermittlers in US-amerikanische Hände gelangen können. Viele der Daten wertet Peking nämlich als kritisch für die nationale Sicherheit des Landes.
Und in der Tat entspricht das Techunternehmen Didi längst einer regelrechten Datenkrake: Sämtliche Fahrten werden aus Sicherheitsgründen per Videokamera aufgezeichnet, jeder der fast 500 Millionen Nutzer muss sich per Ausweisnummer registrieren, und die 13 Millionen Fahrer haben zudem ihr Führungszeugnis einreichen müssen.
Für die chinesische Techbranche ist der erzwungene Rückzug aus New York der bisher vielleicht heftigste Schlag: Didi hatte erst im Sommer bei seinem Börsendebüt im „Big Apple“ 4,4 Milliarden Dollar bei den Anlegern eingenommen und wurde am ersten Handelstag mit 80 Milliarden Dollar bewertet. Es war immerhin die größte Kotierung eines chinesischen Unternehmens seit Alibaba vor sieben Jahren.
Doch die chinesischen Aufsichtsbehörden hatten schon damals eine Warnung ausgesprochen, die jedoch von der Firmenzentrale offenbar nicht ernst genommen wurde. Für die Öffentlichkeit umso überraschender stellte die Regierung Didi dann nur zwei Tage nach seinem US-Börsengang praktisch auf Eis: Das App wurde aus den Stores in China gelöscht, keine Neukunden konnten mehr registriert werden. Die Kurse brachen daraufhin brachial ein.
Für Xi Jinping geht es um eine richtungsweisende Entscheidung
Auf den ersten Blick wirkt es geradezu kontraproduktiv, dass eine Staatsführung die erfolgreichsten Unternehmen ihres Landes aus freien Stücken derart dezimiert. Doch für Parteichef Xi Jinping geht es um eine richtungsweisende Entscheidung für die Zukunft des Landes: Die Techfirmen à la Tencent, Alibaba und Didi sind mittlerweile derart mächtig geworden, dass sie potenziell die Legitimität der Kommunistischen Partei gefährden könnten.
Zudem steuern sie laut Xi das Land in eine falsche Richtung. Die Führung in Peking will Chinas Ressourcen vor allem in die Produktion von Halbleitern, Lithium-Batterien und Elektroautos lenken und nicht vorrangig in Verbraucheranwendungen und Haushaltselektronik.
Insbesondere die Abhängigkeit von Halbleitern aus den USA und Taiwan ist Chinas Achillesferse beim Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten. Für die Parteikader in Peking war das Exportverbot vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump gegen den Smartphone-Hersteller Huawei ein geradezu traumatisches Erlebnis: Sie mussten mitansehen, wie die USA aufgrund ihrer technologischen Vorreiterrolle eines der erfolgreichsten chinesischen Unternehmen nahezu ausbluten konnten. Mittlerweile spielt Huawei keine Rolle mehr auf dem Smartphone-Markt, dem einstigen Kerngeschäft.
Infolgedessen hat Chinas Regierung einen deutlichen Kurswechsel eingeschlagen. Es fordert von seinen Unternehmen zunehmend, sich an der Hongkonger Börse kotieren zu lassen. Dort sind die Anlagesummen zwar deutlich geringer als in New York, doch Peking kann in der Sonderverwaltungszone seine strengere Auflagen durchsetzen und stärkere Kontrolle ausüben.