Bundesregierung: Fehlanzeige beim Thema Carsharing
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Carsharing mit E‑Autos: Das hilft dem Klimaschutz und reduziert Schadstoffe in den Städten.
© Quelle: Volkswagen AG
Frankfurt am Main. „Carsharing nutzen“ – unter dieser Überschrift wirbt das Umweltbundesamt (UBA) auf seiner Website für das Teilen von Autos. Das nutze der Umwelt, und Verbraucher könnten damit bares Geld sparen. „Wer weniger als 10.000 Kilometer pro Jahr fährt, für den lohnt sich Carsharing finanziell“, so das UBA. Doch bei der Bundesregierung ist das Interesse, diese Angebote attraktiver zu machen, eher unterbelichtet.
Die Grünen-Bundestagsfraktion hat kürzlich in einer Anfrage um Auskünfte gebeten. Es ging neben Carsharing auch um E‑Scooter und Fahrräder, die für eine Kurzzeitmiete offeriert werden. Es wurde unter anderem nach der Nutzung der Fahrzeuge, nach der Zahl der Kunden, nach der Bereitschaft, das eigene Auto abzuschaffen, nach Problemen der Anbieter oder nach Stellplätzen für Sharingfahrzeuge gefragt.
Auf diese Fragen – ein Dutzend von insgesamt 22 – gab es unisono die gleiche Antwort: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor.“
Das Umweltbundesamt, das der Regierung unterstellt ist, weiß mehr: Aus einer Grafik auf der UBA-Website geht hervor, dass bei den Carsharinganbietern Anfang 2021 rund 2,87 Millionen Fahrberechtigte registriert waren. 26.220 Fahrzeuge standen zur Verfügung. Die Behörde nennt als Quellen den Bundesverband Carsharing (BCS).
„Bei uns fehlt es bisher an Engagement der Regierung – und auch an bundesweiten Regeln. Die Bundesregierung bemüht sich auch auf Nachfrage noch nicht einmal darum, sich über das Sharinggeschehen in der Bundesrepublik Informationen oder zumindest einen Überblick zu verschaffen“, sagte Stefan Gelbhaar, Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das klassische stationsbasierte Carsharing ist schon lange etabliert. Die Fahrzeuge haben feste Stellplätze. Die Nutzer müssen sie dort abholen und dort auch wieder abgeben. Das UBA sieht hier „die meisten Vorteile für Umwelt und Nutzer“. Marktführer mit weitem Abstand ist Flinkster, eine Tochter des Staatskonzerns Deutsche Bahn.
Hinzu kommen seit gut einem Jahrzehnt in vielen Großstädten sogenannte Free-Float-Angebote. Die Fahrzeuge können überall innerhalb der Geschäftsgebiete am Straßenrand abgestellt werden. Betreiber sind Autokonzerne. Marktführer ist Share Now – dahinter stecken BMW und Daimler. Besonders diese Variante erlebt seit Jahren einen Boom. Doch trotz des Aufwärtstrends ist Carsharing noch immer eine Mobilitätslösung, die sich in einer kleinen Nische abspielt – den rund 2,8 Millionen Autos zum Teilen stand Anfang des Jahres ein Gesamtbestand von 47,7 Millionen Pkw gegenüber.
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© Quelle: Reuters
In zahlreichen Studien wurde derweil nachgewiesen, dass insbesondere das klassische Carsharing die Verkehrsbelastung reduziert: Die Nutzer sind häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad unterwegs, wenn sie sich auf die Schnelle ein Auto für die Fahrten mieten können, die nicht mit Bussen, Bahnen oder Velos zu bewältigen sind.
Auch die Bundesregierung weist in der Antwort auf die Grünen-Anfrage darauf hin, dass Carsharing, insbesondere in Verbindung mit öffentlichen Verkehrsangeboten, einen Beitrag dazu leisten könne, „den Menschen eine Mobilität unabhängig vom eigenen Auto zu bieten“. Damit diese Vorteile zum Tragen kommen, müssten „die Kommunen die Rahmenbedingungen vor Ort entsprechend ausgestalten“, heißt es.
Forderung nach bundesweiter Förderung
Der BCS sieht hingegen die Bundesregierung selbst in der Pflicht. Der Verband fordert ein nationales Entwicklungsprogramm. Kernpunkte: Förderung von Carsharing in ländlichen Gebieten und in der Peripherie der Städte. Unterstützung der Kommunen beim Ausbau von speziellen Stellplätzen für Carsharingautos. Ein Förderprogramm für Ladesäulen, um mehr E‑Autos für die Kurzzeitmiete auf die Straße zu bekommen. Und ein Sharingzuschuss für private Haushalte, analog zur Kaufprämie für elektrifizierte Pkw.
Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter. Sie verlangen von der Bundesregierung ein Gesetz zur Einführung von „Sharingzonen“ in Innenstädten. Nutzern soll zudem eine Art Roaming ermöglicht werden, damit sie bei mehreren Anbietern mieten können. Kostentransparenz müsse garantiert werden. Zudem soll die Straßenverkehrsordnung so verändert werden, dass Sharingautos beim Parken bevorrechtigt werden. Ein entsprechender Antrag der Grünen fand in der letzten Sitzung des Bundestages Ende Juni aber keine Mehrheit.
Für Gelbhaar ist indes klar: „Die Bundesregierung hat es verschlafen, Sharing als moderne Lösung für die Mobilitätswende zu etablieren.“ Aus Sicht des Grünen-Verkehrsexperten ist das umso paradoxer, als „die Bahn ein gewichtiger Player mit expliziten Interessen in der Sharingbranche ist.“ Darüber hinaus brauchten Städte einen definierten Handlungsspielraum. Sharingzonen beispielsweise seien aber aktuell nicht einmal vorgesehen. Auch eine Förderung von Sharingstationen – gerade in Randgebieten – sei notwendig.