Brexit-Folgen werden spürbar: Britische Verbände fordern Nachverhandlungen
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Leere Regale in einer "Marks & Spencer's" Filiale in Belfast. In Nordirland bekommen Verbraucher den Brexit wenige Tage nach dem Ende der Übergangsphase bereits im Supermarkt zu spüren.
© Quelle: Liam Mcburney/PA Wire/dpa
London. Rund eineinhalb Wochen nach dem endgültigen Austritt Großbritanniens aus der Zollunion und dem Binnenmarkt der EU werden Forderungen nach Nachverhandlungen mit Brüssel über den Handelspakt laut. Für Schwierigkeiten sorgen besonders Vorschriften zu Zöllen und zur Lebensmittelsicherheit sowie zur Mehrwertsteuer bei grenzüberschreitendem Handel.
Teilweise stellten Unternehmen den Handel zwischen Großbritannien und der EU aus Unsicherheit über die Bestimmungen oder wegen des Mehraufwands schlicht ein - darunter Exporteure von Fisch, ein Paketdienstleister und Modeketten. Besonders Nordirland ist stark betroffen. Dort gab es Klagen über leere Supermarktregale. Die Provinz ist zwar Teil des Vereinigten Königreichs, wird aber laut Austrittsabkommen nach den Regeln der EU-Zollunion und des Binnenmarkts behandelt. Damit soll eine harte Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland und ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts verhindert werden.
Verbänder fordern zusätzliche Gespräche
Britische Unternehmensverbände hoffen nun auf weitere Verhandlungen zwischen Brüssel und London, um den Schwierigkeiten Herr zu werden. „Wo es Probleme gibt, wird es weitere Gespräche geben müssen“, sagte der Chef des britischen Lebensmittelhandelsverbands Food and Drink Federation dem „Observer“ am Sonntag. Der Geschäftsführer des Industrieverbands Make UK sagte dem Blatt, selbst Zollexperten mit 30 Jahren Erfahrung seien „verblüfft“ darüber, was die neuen Bestimmungen bedeuteten. Er sieht schlimmstenfalls jahrelange Verhandlungen anstehen.
Großbritannien vollzieht Brexit
Nach 48 Jahren gehört das Land nun nicht mehr dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion an.
© Quelle: Reuters
Warnung vor „erheblichen zusätzlichen Behinderungen“
London und Brüssel hatten sich erst an Heiligabend auf ein Freihandelsabkommen geeinigt, das an Neujahr in Kraft trat. Premierminister Boris Johnson hatte von einem „fantastischen“ Deal geschwärmt, der keinerlei Handelshemmnisse mit sich bringen werde. Doch von Zöllen befreit sind nur Waren, die in Großbritannien hergestellt oder dort veredelt wurden. Viele Produkte wie Kleider britischer Modeketten, die in Asien genäht werden, fallen nicht darunter. Auch nicht Lebensmittel, die in der EU produziert wurden und in Großbritannien abgepackt werden. Dazu kommt, dass für alle Waren nun aufwendige Zollerklärungen und teilweise Zertifikate über die Produktsicherheit notwendig sind.
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Lastwagen fahren am Freitag zum Check-in in das Terminal am Hafen in Dover. Gut eine Woche nach dem Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion machen sich die Brexit-Folgen bei immer mehr Unternehmen bemerkbar.
© Quelle: Gareth Fuller/PA Wire/dpa
Der britische Staatsminister Michael Gove warnte deshalb bereits vor „erheblichen zusätzlichen Behinderungen“ im Warenverkehr zwischen Großbritannien und der EU in den kommenden Wochen. Das werde vor allem den Hafen von Dover betreffen, wo täglich Tausende Lastwagen von Fähren ins französische Calais und andersherum befördert werden, so Gove. Bislang war das Verkehrsaufkommen im neuen Jahr an der wichtigsten Handelsroute des Landes erheblich geringer als üblich. Viele Unternehmen hatten bereits vor dem Ende der Brexit-Übergangsphase zum Jahreswechsel ihre Lagerbestände erhöht. Doch nun wird erwartet, dass der Handel wieder anzieht und damit die Probleme wachsen.
Dover: Verkehr über Ärmelkanal reibungslos
Der Hafen von Dover teilte mit, der Verkehr über den Ärmelkanal laufe derzeit reibungslos. Das Aufkommen sei im Januar stets geringer als sonst. Doch viele Unternehmen halten ihre Lastwagen wohl schlicht zurück, weil die notwendigen Papiere nicht vorliegen. Hinzu kommt, dass europäische Logistikfirmen damit zögern, ihre Lkw auf die Insel zu schicken, nachdem es kurz vor Weihnachten zu langen Staus gekommen war, als Frankreich wegen einer neuen Virusvariante in England seine Grenzen komplett zumachte.
RND/dpa