Ist Saatgut patentwürdig?

Bedrohte Biervielfalt: Europäischer Streit um ein Patent auf Gerste

Gerste gedeiht auf einem Feld bei Stemmern (Bördekreis).

Gerste ist ein entscheidender Rohstoff beim Bierbrauen.

München. Im Streit um Patente auf Gerste und daraus gebrautes Bier steht es vor dem Europäischen Patentamt in München auf gewisse Weise eins zu eins. „Ein Patent wurde aufrecht erhalten, ein Patent hat Antragsteller Carlsberg zurückgezogen“, erklärt Johanna Eckhardt. Nun werde über ein drittes und umfassendes Patent (EP 2575433) des dänischen Brauriesen dazu entschieden, sagt die Projektkoordinatorin der Initiative „Keine Patente auf Saatgut“ zur für Dienstag angesetzten Patentverhandlung. Sollte das vom Bündnis angefochtene Schutzrecht bestehen bleiben, fürchten Gerstenzüchter nach und nach aus dem Geschäft gedrängt zu werden, Bierbrauer um die bestehende Vielfalt des Gerstensafts und Bauern rechtliche Unsicherheiten, die zur Nutzung patentierter Gerste zwingen kann.

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Gerstezüchter Karl-Josef Müller ist alarmiert. „Ich habe über 20 Jahre lang eine Gerste gezüchtet mit ähnlichen Eigenschaften wie die des Carlsberg-Patents“, sagt der Experte der Cultivari Getreidezüchtungsforschung. Ähnlich heißt, die gezüchtete Gerstensorte enthält ein Minimum unerwünschter Geschmacksstoffe, was niedrigere Brautemperaturen erlaubt.

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Sein Rechtsempfinden sage ihm, dass er nichts von Patentanwälten des Carlsberg-Konzerns zu befürchten habe, auch wenn das Schutzrecht bestätigt werden sollte, meint Müller. Immerhin habe er schon vor zwei Jahrzehnten mit seiner Forschung begonnen und das Resultat nun beim Bundessortenamt angemeldet, wodurch es der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt würde.

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Christoph Then ist skeptisch. „Ich bin mir nicht sicher, ob es reicht, vor 20 Jahren mit der Züchtung angefangen zu haben“, warnt der Patentexperte. Er vertritt das Bündnis vor dem Europäischen Patentamt und weiß, dass Rechtsempfinden und Entscheidungen von Patentrichtern oft gegensätzlich sind. Insofern ist der Fall typisch. Es herrscht große Rechtsunsicherheit, die verbunden mit dem langen Atem großer Saatgutkonzerne schnell Fakten schaffen könnte.

ARCHIV - 15.08.2016, Schleswig-Holstein, ---: Der Offshore-Windpark «Butendiek», etwa 30 Kilometer vor der Insel Sylt in der Nordsee. (zu dpa: «IG Metall: Noch lange kein «Grünes Job-Wunder» in der Windindustrie») Foto: Daniel Reinhardt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Nicht nur bisherige Freiheiten von Züchtern sondern auch die von Brauern stünden auf dem Spiel, findet Sandra Ganzenmüller. „Wenn es so weit kommt, dass wir Lizenzen für Gerste erwerben müssen, dann bekommen kleine Brauer und die Vielfalt des Biers ein Problem“, warnt die Sprecherin der 44 Braubetriebe umfassenden Vereinigung Die Freien Brauer. Auch die ist Teil der Initiative, die Patente auf Saatgut zu Fall bringen will. Zwischen Züchtern und Brauern stehen im Fall von Gerste und Bier die Bauern, die den Rohstoff anbauen. Georg Janßen ist einer von ihnen. Er denkt an den Krieg in der Ukraine.

Der habe unter anderem eine Lehre gebracht, findet der Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Wir müssen Abhängigkeiten verringern und das nicht nur gegenüber Staaten, sondern auch gegenüber großen Konzernen.“ Den Hunger in der Welt werde man nicht durch Patente besiegen, sondern nur durch Zugang zu Land, Wasser und Saatgut.

Patent von besonderer Tragweite

Das jetzt zur Verhandlung stehende Gerstenpatent sei so wichtig, weil es die gesamte Wertschöpfung bis zum Endprodukt Bier abdeckt und ein Präzedenzfall für künftige Patentstrategien von Großkonzernen werden könnte, ergänzt Then. Zudem habe Carlsberg eigentlich gar nichts erfunden, sondern nur einen Weg gefunden, natürliche Mutationen zu beschleunigen. „Es geht nicht um Gentechnik, sondern um konventionelle Züchtung und es ist keine Erfindung aber trotzdem ein Patent“, findet der Experte. Konventionelle Züchtungen seien eigentlich nicht patentierbar, aber es gebe angesichts der gängigen Patentpraxis wohl Schlupflöcher.

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Die könne grundsätzlich nur die Politik schließen, schätzen die Patentkritiker. Sie wollen die 38 europäischen Mitgliedsstaaten der Patentamtsorganisation dazu bringen, zum Streitthema eine Konferenz abzuhalten, die beim Streitthema für Klarheit sorgt. Über 200.000 Unterschriften seien bereits gesammelt, sagt Eckhardt. Im Herbst könnte der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts eine Konferenz beschließen und sie 2023 abhalten. Jetzt wird aber erst einmal der Einspruch gegen das Patent auf Gerste und Bier entschieden.

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