Außenhandel: ein prächtiges Bild mit Schönheitsfehlern
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Ein Containerschiff verfrachtet Erzeugnisse deutscher Firmen in alle Welt. (Symbolfoto) Die Geschäfte deutscher Unternehmen mit dem Ausland liegen über dem Niveau vor der Corona-Krise.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Frankfurt.Das sieht doch prächtig aus: Der deutsche Außenhandel hat zum Jahresende noch mal eine Schippe draufgelegt. Nach einem ohnehin starken Oktober legten die Exporte im November noch einmal kräftig zu. Es wirkt auf den ersten Blick beinahe so, als würde es Corona gar nicht geben. Denn das Geschäft mit dem Ausland lag deutlich über dem Vorkrisenniveau. Auch die vielen Lkw auf den Autobahnen sind ein Hinweis dafür, dass die Wirtschaft brummt. Doch beim genaueren Hinsehen lassen sich auch Schattenseiten erkennen.
Zunächst die wichtigste Zahl: Die deutschen Unternehmen haben im November nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) Waren im Wert von knapp 126 Milliarden Euro exportiert – das sind gut 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Überdurchschnittlich viel haben Firmen in die anderen EU-Staaten und in die USA geliefert. Was den Groß- und Außenhandelsverband BGA dazu bringt, nicht mit Eigenlob zu geizen: Die guten Werte basierten „auf der Qualität der Produkte und der Erfahrung der deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten“, sagte BGA-Präsident Dirk Jandura.
Und einiges spricht dafür, dass es so weitergehen könnte. So hat Destatis gemeldet, dass im November zahlreiche Großaufträge aus dem Ausland eingegangen sind. Enorme Zuwächse gab es insbesondere für den Fahrzeugbau – einer der stärksten Sektoren der hiesigen Wirtschaft. Spürbar nach oben ging es nicht nur bei den Bestellungen, sondern auch bei der Produktion von Kraftfahrzeugen. Aber noch stärker fiel das Plus in der Kategorie aus, zu der Flugzeuge, Schiffe und Züge gehören. All diese Orders sind nichts anderes als künftige Umsätze.
Apropos Transport: Die Destatis-Experten haben für den Dezember 2021 beim Lkw-Maut-Fahrleistungsindex ein Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem ebenfalls starken November registriert. Der Index rangiert damit knapp unter dem absoluten Höchststand, der im Dezember 2020 erreicht wurde, und ebenfalls deutlich über dem Wert der Monate vor der Corona-Krise.
Die Daten des Mautsystems werden bei dem Index ausgewertet. Er ist ein „Frühindikator“, ermöglicht aktuelle Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung, denn insbesondere in großen Bundesländern mit viel Industrie besteht laut Destatis ein „deutlicher Zusammenhang zwischen Lkw-Fahrleistung und dem Umsatz im verarbeitenden Gewerbe“.
Nachholeffekt verzerrt das Bild
Leider ist das Konjunkturbild aber nicht ungetrübt. BGA-Chef Jandura macht darauf aufmerksam, dass man einen „gewissen Preis- und Nachholeffekt“ berücksichtigen müsse. Ein Teil der positiven Entwicklungen habe noch immer mit der guten Corona-Lage im Sommer zu tun. Zur Erinnerung: Damals war von Omikron noch keine Rede, die Inzidenzen lagen vielfach nahe null. Restriktionen wurden aufgehoben. Zugleich liefen große Wiederaufbau- und Infrastrukturprogramme an – besonders in Europa und den USA.
Für das Exportwachstum seien nun überwiegend Preissteigerungen verantwortlich und nicht ein Mehr an Gütern, die verschifft würden, erläutert denn auch Volker Treier, Experte für Außenwirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Mit den höheren Preisen wurden vielfach schlicht die Verteuerungen beim Einkauf von Materialien und Vorprodukten weitergegeben. Unterm Strich ist dann bei den Firmen nicht viel mehr übrig geblieben.
Die Preisaufschläge sind eine Folge der gesteigerten Nachfrage, die durch Covid-Lockerungen und staatliche Investitionsprogramme ausgelöst wurden. So spricht denn auch Jandura von Logistikproblemen, Lieferengpässen und hohen Energiepreisen. Deshalb könne man nicht davon ausgehen, dass sich der Außenhandel „auch in den kommenden Monaten so prächtig entwickeln wird“.
Corona-Jahr 2020: stärkster Exporteinbruch seit Finanzkrise
Der deutsche Export arbeitet sich seit geraumer Zeit aus dem Corona-Tief. Die Bilanz für das vergangene Jahr fällt dennoch düster aus.
© Quelle: dpa
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski formuliert es martialisch: „Lieferengpässe halten die deutsche Industrie im Würgegriff.“ Die Produktion ging Destatis zufolge im Dezember leicht zurück. Auch weil viele Aufträge von der Industrie nicht abgearbeitet werden konnten.
Verbraucher haben 180 Milliarden Euro zusätzlich gespart
Der positive Aspekt davon: Das Erledigen der Bestellungen wird einfach auf später verschoben. So weist denn auch der „Order-Capacity-Index“ der Bundesbank den höchsten Wert seit Beginn der Statistik auf.
Zudem hat die Marktforschungsfirma IHS Markit herausgefunden, dass Lieferketten wieder stabiler werden und der Preisdruck in Europa sinkt, was auch der französische Notenbankchef Francois Villeroy gerade bestätigt hat. Ferner hat das Ifo-Institut am Freitag gemeldet, dass sich laut einer Umfrage die Materialknappheit in der Baubranche – die es besonders hart getroffen hatte – nachgelassen hat. Vor allem bei Holz und Stahl zeichne sich „eine gewisse Entspannung“ ab.
Und dann gibt es neben dem Export als zweite wichtige Stütze für die Konjunktur auch noch den privaten Konsum. Das gewerkschaftsnahe Wirtschaftsforschungsinstitut IMK schätzt, dass die Deutschen 2020 und 2021 insgesamt 180 Milliarden Euro zusätzlich gespart haben. Eine gewaltige Kaufkraft. Für IMK-Direktor Sebastian Dullien jedenfalls sind die „klassischen Zutaten für eine starkes Konjunkturjahr 2022“ gegeben.