Trotz Fachkräftemangel fällt die Lohnuntergrenze

Baubranche: Arbeitgeber kippen Branchenmindestlohn

Alle Hände voll zu tun: Trotz Corona verzeichnet die Baubranche volle Auftragsbücher und solide Umsätze.

Harter Job: Am Bau muss angepackt werden. Fachkräfte fehlen in großer Zahl. Dennoch haben die Arbeitgeber den Mindestlohn gekappt.

Frankfurt am Main. Der erste Branchenmindestlohn in Deutschland ist Geschichte. Die Arbeitgeber der Baubranche haben die Lohnuntergrenze gekippt. „Das ist unverantwortlich, das gefährdet die Zukunft der Bauwirtschaft. Die Unternehmen haben damit eine große Chance verpasst“, sagte Robert Feiger, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Er fügte hinzu: „Ein fairer Wettbewerb scheint für die Bauunternehmen keine feste Größe mehr zu sein. Denn jetzt haben vor allem diejenigen Firmen einen Vorteil, die nicht tarifgebunden sind. Ob das wirklich intelligent ist, wage ich zu bezweifeln.“

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IG Bau: Bewährtes System wird zerschlagen

Der Branchenmindestlohn in der Bauwirtschaft wurde vor 25 Jahren eingeführt – er war der erste seiner Art in Deutschland. Seinerzeit war sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber noch einig, dass es angesichts der oftmals harten Arbeit am Bau bei Wind und Wetter eine attraktive Bezahlung braucht, um Fachkräfte zu gewinnen. „Dies hat sich über die Jahrzehnte bewährt, ich kann nicht verstehen, dass die Arbeitgeber dieses System jetzt zerschlagen wollen. Nach meinem Kenntnisstand sind es die Arbeitgeber selbst, die immer wieder nach Fachkräften und Auszubildenden rufen“, betonte Feiger.

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Der sogenannte Baumindestlohn I für einfachere Tätigkeiten hatte bis Ende des vergangenen Jahres bei 12,85 Euro pro Stunde gelegen, der Branchenmindestlohn II für fachliche Tätigkeiten im Westen bei 15,70 Euro. Lange wurde in den vergangenen Wochen verhandelt. Ohne Ergebnis. Es kam zu einem Schlichtungsverfahren. Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hatte als Kompromiss vorgeschlagen, den Mindestlohn I in diesem, im nächsten und im Jahr 2024 um jeweils 60 Cent zu erhöhen. 2025 und 2026 sollte sich die unterste Lohngrenze an der zurückliegenden Teuerungsrate orientieren. Der Mindestlohn II sollte zum Ende dieses Jahres wegfallen.

Doch noch ein Angebot für Verhandlungen

Die Tarifgemeinschaft der Bauarbeitgeber erklärte, die vorgeschlagene Erhöhung stelle eine „nicht zu rechtfertigende Verteuerung einfachster Tätigkeiten im Baugewerbe dar“. Zudem ließen die „aktuelle Preis- und allgemeine wirtschaftliche Entwicklung“ wenig Spielraum zu.

Zugleich signalisierten die Arbeitgeber, dass sie für weitere Verhandlungen offen seien. Auch wenn eine Branchenlösung nach momentaner Arbeitsmarktlage nicht zwingend und kurzfristig nötig erscheine, sei weiterhin die Bereitschaft vorhanden, einen einheitlichen Baumindestlohn zu verabreden. Nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland ist im Lager der Unternehmen der Wegfall des Mindestlohns umstritten. Das neuerliche Verhandlungsangebot könnte bedeuten, dass nun eine Lohnuntergrenze angestrebt werden soll, die deutlich unter dem Schlichterspruch liegt. Feiger indes betonte: „Wir werden jetzt mit den Beschäftigten intensiv diskutieren, wie sich die weitere Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern gestalten wird. Zur Entspannung an der Tariffront wird das sicherlich nicht führen.“

Nach dem Wegfall der spezifischen Regelungen für die Branche gilt künftig auch am Bau der gesetzliche Mindestlohn. Der liegt seit dem 1. Januar bei 9,82 Euro pro Stunde. Zum 1. Juli 2022 steigt er planmäßig auf 10,45 Euro. Die Bundesregierung will das Minimum der Bezahlung zum 1. Oktober dann auf 12 Euro erhöhen.

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