Antisemitische Klischees? Arbeitgeberlobby hat Ärger wegen Anti-Baerbock-Kampagne
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Umstrittenes Kampagnenmotiv der INSM.
© Quelle: INSM
Berlin. Wenn es etwas gibt, das man der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) nicht vorwerfen kann, dann die Angst, irgendwo anzuecken. Die Lobbyorganisation, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert wird, macht vor allem in Wahljahren immer wieder mit pointierten und auch plakativen Kampagnen von sich Reden.
In der Vergangenheit traf es dabei meist die SPD. Angesichts der neuen Kräfteverhältnisse in den Umfragen aber hat die INSM offenbar die Grünen als neue Hauptgegner entdeckt. Pünktlich zum Parteitag an diesem Freitag hat die Initiative auf zahlreichen Webseiten und auch in gedruckten Ausgaben deutscher Tageszeitungen große Anzeigen geschaltet, die das Wahlprogramm der Grünen kritisieren.
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Zu sehen ist ein Abbild der biblischen Moses-Figur inklusive der berühmten zwei Steintafeln mit den zehn Geboten. Die Figur hat allerdings nicht, wie in solchen Darstellungen üblich, das Gesicht eines alten Mannes, sondern das der Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Auch die zehn Gebote sind abgewandelt. „Du darfst kein Verbrennerauto fahren“, steht auf den Steintafeln oder „Du darfst nicht fliegen“. Daneben sind Slogans wie „Warum uns grüne Verbote nicht ins Gelobte Land führen“ oder „Warum wir keine Staatsreligion brauchen“ zu sehen.
Den Protest der politischen Linken hatte die INSM zweifellos einkalkuliert. Überraschend dürfte dagegen der ungewohnte Gegenwind aus dem eigenen Lager sowie von Vertretern der Religionen gekommen sein.
Charlotte Knobloch: „Völlig im Ton vergriffen“
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch, warf der Initiative das Schüren von Vorurteilen vor. „Gewiss, Wahlkampf ist Wahlkampf. Aber die INSM wäre gut beraten, das Thema Religion, von dem sie offensichtlich nichts versteht, anderen zu überlassen. Hier hat sie sich völlig im Ton vergriffen und sollte sichergehen, dass sie nicht mit solchen Darstellungen Vorurteile schürt“, schrieb Knobloch auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
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Der evangelische Theologe und Berliner Professor für Antikes Christentum, Christoph Markschies, schrieb auf Twitter, die Anzeige sei ein „schreckliches Musterbeispiel für eine perfekte Doppelstunde Vorurteile über das Judentum in Schule und Universität: Judentum wieder einmal porträtiert als eine Gesetzesreligion voller absurder Verbote“.
Auch der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume äußerte sich ähnlich. „Schon letztes Jahr wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel in Stuttgart mit dem Verschwörungsvorwurf konfrontiert, sie sei heimlich Jüdin. Über die Gleichsetzung einer Kanzlerkandidatin mit einer orientalischen Moses-Gestalt, die angeblich bedrückende Verbote und eine Staatsreligion erlassen wolle, kann ich da überhaupt nicht lachen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Arbeitgeberverband BDA geht auf Distanz
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) distanzierte sich umgehend: „Persönliche Herabsetzungen und eine misslingende Verwendung christlicher Symbolik sind kein angemessener Umgang im notwendigen Wettstreit um politische Inhalte.“ Dies sei nicht der Stil der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. „Sozialpartnerschaft ist vom gegenseitigen Respekt getragen“, teilte der Verband mit.
Angesichts der massiven Kritik sah sich die INSM plötzlich aus dem Angreifermodus in die Defensive gedrängt. „Unsere Anzeige, die thematisiert, dass die Grünen politische Ziele mit Verboten durchsetzen wollen, drohte heute falsch verstanden zu werden“, teilte die Initiative am Freitagnachmittag in den sozialen Medien mit.
Zu ihrer Verteidigung führte sie ein Zitat des jüdischen Publizisten und Schriftstellers Rafael Seligmann an. Ob die Anzeige klug, passend oder politisch korrekt sei, wolle er nicht beurteilen, sagte Seligmann laut Mitteilung der Initiative. „Ich will allerdings festhalten: ‚antisemitisch‘ ist das Inserat keineswegs.“ Begriffe wie „antisemitisch“ oder „judenfeindlich“ würden zunehmen als politische Waffe genutzt, um missliebige Kritik zu denunzieren, so Seligmann weiter.
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Moses ist eine der zentralen Figuren des Judentums und spielt auch für Christen eine wichtige Rolle. Nach biblischer Überlieferung hat er die Israeliten aus ägyptischer Gefangenschaft in das gelobte Land geführt und während der Wanderung auf dem Berg Sinai die zehn Gebote direkt von Gott entgegengenommen.
RND/mit Material von epd