Antigentests vor Großveranstaltungen: Chance für Messen, Konzerte und Fußballspiele?

Die Lufthansa hat ein Pilotprojekt mit Antigenschnelltests eingerichtet.

Die Lufthansa hat ein Pilotprojekt mit Antigenschnelltests eingerichtet.

Antigenschnelltests könnten uns das Leben mit Corona im nächsten Jahr leichter machen: Denn die Tests weisen innerhalb von einer halben Stunde eine Coronavirus-Infektion nach. Die Lufthansa nutzt die Tests schon auf ausgewählten Flügen auf der Strecke Hamburg–München. In einem Pilotversuch werden alle Passagiere vor dem Betreten des Flugzeugs getestet. So sollen Infektionen auf dem Flug ausgeschlossen werden.

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Für die Luftfahrtbranche könnten die Tests in Zukunft ein Segen sein – genauso wie für viele andere Unternehmen, deren Geschäft darin besteht, dass viele Menschen zusammenkommen. So könnten zum Beispiel Messe- und Konzertveranstalter sowie Betreiber von Sportstätten und Discotheken von den Schnelltests profitieren.

Lufthansa probt Corona-Schnelltests
MUNICH, GERMANY - NOVEMBER 12: A passenger speaks to staff members at the check in for the Test to Fly Center for rapid antigen test for passengers prior to a Lufthansa Covid-19 test flight at Munich Franz-Josef-Strauss Airport during the second wave of the coronavirus pandemic on November 12, 2020 in Munich, Germany. Lufthansa, Germany's biggest airline, is launching the tests initially for flights between Hamburg and Munich. Lufthansa has been devastated by the sharp drop in air travel that has accompanied the pandemic and is hoping the rapid antigen test will offer a means to restore confidence and passenger volume in air travel, even as Covid-19 infection rates remain high in Germany and across Europe. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Probelauf der Lufthansa mit Corona-Schnelltests fand erstmal nur auf der Strecke zwischen München und Hamburg statt.

Für die Antigentests muss, genauso wie beim herkömmlichen PCR-Test, ein Nasen-Rachen-Abstrich genommen werden. Es ist aber keine Auswertung im Labor nötig. Der Abstrich wird stattdessen vor Ort in eine Lösung gegeben, diese wird dann auf einen Teststreifen getropft. Nach 15 bis 30 Minuten kann – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest – das Ergebnis anhand eines Streifens abgelesen werden.

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Aber ist eine Anwendung solcher Tests vor Großveranstaltungen überhaupt realistisch? Ein Faktencheck:

1. Die Verfügbarkeit

Seitdem die amerikanische Arzneimittelbehörde im Mai den ersten Antigentest in den USA zugelassen hat, verläuft die Entwicklung rasant. Immer mehr Pharmaunternehmen bieten Tests dieser Art an. In Deutschland listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte derzeit 159 verschiedene Antigen-Schnelltests, die die Kriterien in Deutschland erfüllen. Die meisten von ihnen kommen aus China, aber es gibt auch deutsche, amerikanische und andere internationale Hersteller.

Die Bundesregierung hat für den November neun Millionen Antigenschnelltests über Abnahmegarantien bei Herstellern gesichert. Dieses monatliche Kontingent soll schrittweise auf 22 Millionen Schnelltests im Januar anwachsen. Die nationale Teststrategie sieht aber vor, dass die Schnelltests derzeit vor allem dort zum Einsatz kommen, wo Risikogruppen sich anstecken können – also etwa in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Arztpraxen. Außerdem wird diskutiert, die Tests in Schulen anzuwenden, um den weiteren Präsenzunterricht zu gewährleisten.

Großveranstaltungen kommen in den Plänen der Bundesregierung bisher nicht vor. Die Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, Sandra Ciesek, hält den Einsatz zwar grundsätzlich für vorstellbar. „Aber solange wir begrenzte Kapazitäten haben, müssen wir priorisieren: sichere Pflegeheime, Schulen offen, symptomatische Patienten gut versorgen“, sagte sie auf einer Veranstaltung des Science Media Centers (SMC).

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Geht die Entwicklung so rasant weiter, werden aber bald noch größere Mengen Antigentests verfügbar sein – und dann ist auch die breite Anwendung bei Großveranstaltungen oder im Flugverkehr denkbar.

2. Die Kosten

Antigenschnelltests kosten je nach Hersteller unterschiedlich viel. Der deutsche Pharmahersteller Abbott verlangt für seinen „Panbio™ COVID-19 Antigen-Schnelltest“ mit 25 Testkassetten 159,90 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Ein einzelner Test kostet somit derzeit etwa 7,50 Euro.

Die deutsche Firma Nal von Minden verlangt für ihren „Nadal Covid-19 Antigentest“ rund 9 Euro. Günstiger ist der „Beright Covid-19 Antigen-Test“ der chinesischen Firma Hangzhou AllTest Biotech: Ein Test schlägt hier mit 6,30 Euro zu Buche.

Doch das sind mitunter nicht alle Kosten. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft hat in einem internen Papier ausgerechnet, wie viel Mehrkosten ein Veranstalter für die breite Testung vor einem Konzert einplanen müsste. Darin geht man bei 10.000 Besuchern von Sachkosten von rund 70.000 Euro aus. Dazu kämen weitere Ausgaben, etwa für Personal. Insgesamt sei man daher realistisch eher bei 100.000 bis 120.000 Euro. Würde man die Kosten auf die Ticketpreise umlegen, müssten Konzertbesucher somit 10 bis 12 Euro mehr bezahlen.

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Für Discotheken und Clubs sei dieser Aufschlag zu viel, sagt Knut Walsleben, Präsident des Bundesverbands deutscher Discotheken und Tanzbetriebe. Der 46-Jährige betreibt selbst einen Club im Hamburger Umland. „Das Umsatzpotenzial einiger Gäste ist beschränkt, oftmals wird daher heute schon mit freiem Eintritt oder Happy Hours gearbeitet, um auch diejenigen Gäste erreichen zu können, die sozial schwächer gestellt sind“, erklärt er. Für eine breite Testung aller Gäste wäre deshalb staatliche Unterstützung notwendig – etwa über eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf den Eintrittspreis.

3. Die Genauigkeit

Um eine sichere Großveranstaltung zu gewährleisten, müssen die Antigentests genau sein. Die Wissenschaft spricht dabei von Sensitivität und Spezifität. Die Sensitivität gibt dabei im Prinzip an, wie wahrscheinlich es ist, einen Infizierten zu entdecken. Je höher der Wert in Prozent, desto besser. Die restlichen Prozente sind dann Fehler, sogenannte „Falsch-Negative“. Ein Infizierter wird dabei fälschlicherweise als Corona-Negativ eingestuft.

Bei der Spezifität geht es darum, mit welcher Genauigkeit gesunde Menschen erkannt werden. Ein Fehler hier führt dazu, dass eine gesunde Person fälschlicherweise einen positiven Corona-Befund erhält („Falsch-Positiv“).

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Die herkömmlichen PCR-Tests schneiden bei Sensitivität und Spezifität besser ab als die Antigentests. Aber auch die Schnelltests sind genau. So wirbt der Hersteller Abbott mit einer Sensitivität von 91,4 Prozent und einer Spezifität von 99,8 Prozent. Das bedeutet zwar, dass ein Teil der Infektionen mit den Schnelltests nicht nachgewiesen werden kann. Entscheidend ist aber sowohl für den Test als auch für eine mögliche Ansteckung die Viruslast. Soll heißen: Der Antigentest funktioniert sehr gut bei einer hohen Viruslast – und genau dann ist ein Mensch auch besonders ansteckend. Es werden also eventuell einige Fälle nicht gefunden, die noch sehr wenig Viruslast im Rachen haben – diese Menschen sind dann aber auch weniger ansteckend.

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Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dem ZDF: „Diese Tests sind Hochleistungstests, sie sind hochspezifisch.“ Er gehe davon aus, dass die Tests ungefähr 95 Prozent aller Infektionen feststellen können. Lediglich eine von 20 Infektionen könne übersehen werden. „Das ist aber eine sehr gute Zahl“, so Lauterbach.

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4. Der Aufwand

Antigenschnelltests müssen derzeit von geschultem Personal durchgeführt werden, das entsprechende Schutzkleidung trägt. Außerdem braucht es neben einer ausreichenden Anzahl an Testkits Platz für das Testzentrum und Zeit – Besucher müssten also wesentlich früher zu einer Veranstaltung erscheinen. Das alles bedeutet für Veranstalter von Messen oder Konzerten einen erheblichen organisatorischen Aufwand.

Außerdem gibt es noch Gesetzeslücken, bei denen die Bundesregierung nachbessern müsste – etwa bei der Frage, ob jemandem der Zugang zu einer Veranstaltung auf Grundlage eines positiven Testergebnisses verwehrt werden darf. Außerdem stellt sich die Frage, ob „Falsch-Positiv“-Getestete Schadenersatzansprüche stellen können, weil sie zu Unrecht abgewiesen wurden.

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