Warnhinweise bei Alkohol

Entsetzen bei Italiens Weinproduzenten über Schocketiketten in Irland

Bei Weinen kann vor allem das Anbaugebiet einen wichtigen Qualitätshinweis geben.

In Irland soll künftig auf jeder Weinflasche ein Hinweis zur Schädlichkeit von Alkohol stehen – doch dagegen sträuben sich nun italienische Weinbauern und Weinbäuerinnen sowie die Politik (Symbolbild).

Diese irischen Banausen! Wer wird denn einen piemontesischen Barolo mit seinen edlen Veilchennoten verschmähen? Oder einen Brunello di Montalcino, sortenrein gekeltert aus den strengen, männlichen Sangiovese-Trauben der Toskana? Die Biertrinker von der grünen Insel wissen ja nicht einmal, woher der Name Sangiovese kommt: von Sangue (Blut) und Giove (Jupiter) nämlich, also vom Blut des römischen Göttervaters. Von einem Sassicaia 2016 der Tenuta San Guido gar nicht zu reden. 100 Punkte hat der Super Tuscan in der Bibel des amerikanischen Weinpapstes Robert Parker erhalten. Das Maximum!

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In Italien ist der Wein nicht einfach ein Getränk, sondern ein nationales Kulturgut. Und so hat die Entscheidung des irischen Parlaments, auf Alkoholprodukten Warnhinweise nach dem Vorbild von Zigarettenschachteln einzuführen, die vor den Leber- und Krebsrisiken von Wein, Bier und Spirituosen warnen, unter den italienischen Weinproduzentinnen und Weinproduzenten sowie in der Regierung einen Aufschrei der Empörung ausgelöst.

Italiens Landwirtschafts­minister spricht von „Verzerrung des Marktes“

Francesco Lollobrigida, Italiens Landwirtschafts­minister und „Schwager der Nation“ – der Minister ist mit Giorgia Melonis Schwester verheiratet –, erklärte, dass die irischen Schocketiketten zu einer „Verzerrung des Marktes“ führen könnten, was gegen EU-Recht verstoße. Er will zusammen mit Außenminister Antonio Tajani in Brüssel Protest gegen das irische Gesetz einlegen und die Eröffnung eines Vertrags­verletzungs­verfahrens fordern.

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Die Verpflichtung der EU, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, kann nicht mit Entscheidungen umgesetzt werden, die die Gefahr bergen, dass einzelne Produkte unabhängig von den konsumierten Mengen auf ungerechte Weise kriminalisiert werden.

Ettore Prandini,

Präsident des italienischen Bauernverbands Coldiretti

Die italienischen Weinbauern und Weinbäuerinnen schlagen ebenfalls Alarm: „Die Verpflichtung der EU, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen, kann nicht mit Entscheidungen umgesetzt werden, die die Gefahr bergen, dass einzelne Produkte unabhängig von den konsumierten Mengen auf ungerechte Weise kriminalisiert werden“, betont der Präsident des italienischen Bauernverbands Coldiretti, Ettore Prandini. Will heißen: Wenn sich die Iren in ihren Pubs notorisch zu viel Guinness-Bier hinter die Binde gießen, dann ist das ihr Problem und heißt noch lange nicht, dass man vor einem Glas italienischen Weines warnen müsse. Die irischen Schocketiketten würden bei den Konsumentinnen und Konsumenten nur unbegründete Angst auslösen. Dabei seien doch ein oder zwei Gläser Wein am Tag gesund, oder etwa nicht?

Italiener blicken weniger tief ins Glas als Iren oder Deutsche

Fest steht jedenfalls, dass die Italienerinnen und Italiener deutlich weniger tief ins Glas blicken als die Iren und Irinnen oder auch die Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz: In Italien liegt der durchschnittliche Konsum reinen Alkohols bei acht Litern pro Jahr und Person, bei den anderen genannten Ländern bei etwa elf bis 13 Litern. Aber beim italienischen Protest geht es natürlich nicht um hehre Prinzipien wie Mäßigung und Eigenverantwortung, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen.

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Italien ist mit Ausfuhren im Wert von 7,9 Milliarden Euro (2022) weltweit der zweitgrößte Weinexporteur hinter Frankreich mit 12,3 Milliarden. Rein mengenmäßig ist Italien sogar das wichtigste Exportland der Welt. Nun könnte man einwenden, dass Irland in der italienischen Exportstatistik keine wirklich entscheidende Rolle spielt: Gerade einmal für 45 Millionen Euro haben die Irinnen udn Iren im vergangenen Jahr italienischen Wein importiert.

Wohl der italienischen Weinbauern hängt kaum von Irland ab

Das entspricht 0,57 Prozent des gesamten italienischen Weinexports. Das Wohl und Wehe der italienischen Weinbauern und Weinbäuerinnen hängt also kaum von Irland ab. Aber – und das ist die große Befürchtung der Produzentinnen und Produzenten – das irische Beispiel könnte ja Schule machen. Etwa in den puritanischen USA, wo es heute kaum noch möglich ist, irgendwo in Frieden eine Zigarette zu rauchen. Sollten die Amerikanerinnen und Amerikaner wegen Warnhinweisen beim Alkohol plötzlich ähnlich abstinent werden wie beim Nikotin, dann täte das Italiens Weinbranche richtig weh: Die USA sind die größten Abnehmer von Barolo, Brunello und all den anderen tollen Tropfen.

Bedenken, dass die Warnhinweise nur der Anfang einer größeren, vielleicht weltumfassenden Diskriminierungs- und Kriminalisierungs­kampagne gegenüber dem Wein sein könnten, gibt es nicht nur in Italien. Auch Frankreich und Spanien haben gegenüber dem irischen Gesetz Vorbehalte angemeldet und wollen sich auf EU-Ebene mit Italien verbünden.

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Befürchtungen der Weinländer

Ob die Befürchtungen der Weinländer bezüglich einer Ausweitung der Warnhinweise auf die ganze EU begründet sind, bleibt dahingestellt: Ein Versuch, solche Etiketten europaweit einzuführen, ist von der EU-Kommission erst im letzten Jahr abgeschmettert worden. Für die nur in Irland eingeführten Warnhinweise hat die EU-Kommission dagegen im Januar grünes Licht gegeben. Nun muss sich Brüssel wegen des Protestes von Italien, Frankreich und Spanien erneut mit der Causa befassen.

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