Unklare Zukunft, hohe Bewertung: Airbnb will an die Börse

Airbnb will an die Börse.

Airbnb will an die Börse.

Frankfurt am Main. Woher kommt eigentlich der merkwürdige Name? Airbnb? Mit der Antwort wird zugleich der Gründungsmythos der US-Start-up-Firma erzählt. Denn es handelt sich um die Abkürzung für Airbed and Breakfast, also Luftmatratze inklusive Frühstück. So soll alles 2007 angefangen haben. Brian Chesky und Joe Gebbia offerierten in San Francisco Messegästen drei Lumas, um ihr kärgliches Budget ein bisschen aufzubessern. Daraus ist ein Konzern geworden, der in fast allen Ländern der Erde aktiv ist und nun an die Börse geht. Eine Bewertung bis zu 42 Milliarden Dollar ist möglich. Damit wäre der Unterkünftevermittler deutlich mehr wert als beispielsweise der Energieriese RWE oder der Autozulieferer Conti. Doch es gibt viele Fragezeichen, wie es mit dem Start-up weitergeht.

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Airbnb – das ist vor allem eine Internetplattform, die Zimmer, Wohnungen und sogar ganze Schlösser für kurze und auch längere Zeit anbietet. Damit haben die Kalifornier die Tourismusbranche heftig durcheinandergewirbelt. Zunächst waren es tatsächlich Privatleute, die einen Teil oder ihre gesamte Wohnung offerierten. Im Laufe von einem Dutzend Jahren hat sich die neue Spielart im Beherbergungsgewerbe enorm professionalisiert. Wohnungen werden längst ausschließlich für Airbnb-Kunden hergerichtet. In Barcelona soll das für drei Viertel aller Angebote gelten, so eine am Mittwoch vorgelegte Studie im Auftrag der Linken im Europa-Parlament.

Mehr als sieben Millionen Übernachtungsmöglichkeiten weltweit

Eine harte Konkurrenz für Etablierte: Da bei Airbnb-Zimmern häufig behördliche Auflagen für Hotels und Pensionen (etwa beim Brandschutz) nicht gelten, sind Dumpingpreise möglich. Entsprechend stark ist das Angebot in beliebten Städten gewachsen. In Venedig und Florenz sollen ganze Stadtteile in Airbnb-Unterkünfte umgewandelt worden sein. Laut der Studie mit dem Titel „Plattformversagen“ sind in Paris bis zu 25.000 Apartments zu Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen geworden, in Prag sollen es 15.000 Wohnungen sein und in Amsterdam eine von neun Wohneinheiten in einigen Stadtteilen. Auf der Webseite gibt es mittlerweile mehr als sieben Millionen Angebote weltweit.

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Trotz Verlusten soll es an die Börse gehen

Das Start-up erwirtschaftet Einnahmen durch Vermittlungsgebühren. Doch damit kann es bislang kein Geld verdienen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres kam ein Fehlbetrag von 1,2 Milliarden Dollar zusammen. Dennoch streben Vorstandschef Chesky (39) und seine Mitstreiter seit geraumer Zeit an die Börse. Die Covid-Pandemie stoppte das Vorhaben vorläufig. Die Zahl der Buchungen brach ein. Chesky verordnete seiner Firma eine heftige Verschlankungskur. 1900 Beschäftigte – ein Viertel der Belegschaft – wurde gefeuert. So gelang es, zumindest für das dritte Quartal schwarze Zahlen zu zeigen. Und nun soll der Weg aufs Parkett gegangen werden.

Die Manager wollen die Hochstimmung an den Börsen insbesondere bei Tech-Aktien nutzen – verknüpft mit Hoffnungen auf Impfstoffe. Das Kalkül scheint aufzugehen. Anfang der Woche wurde noch einmal die Preisspanne für die Ausgabe der Aktie nach oben korrigiert. Rund 3 Milliarden Dollar könnte Airbnb beim Börsengang einsammeln. Die Erstnotiz ist für Donnerstag geplant. Die Bewertung des Unternehmens liege in der Gruppe der Onlinereisevermittler am oberen Ende der Skala, betonen die Experten des Finanzinformationsdienstes Bloomberg.

Vermieter bewegen sich meist in Grauzonen

Das Unternehmen werde aber mit verstärkten regulatorischen Beschränkungen konfrontiert, so wie es auch anderen Akteuren der Gig-Ökonomie ergehe. Es geht um zweierlei. Erstens Steuerhinterziehung: Die Vermieter bewegen sich häufig in Grauzonen. Die Behörden sind mittlerweile aufgewacht. So haben Hamburger Steuerfahnder im September in einem komplizierten Verfahren durchgesetzt, dass Airbnb Daten von Vermietern herausrücken muss, um die (Nicht-)Zahlung von Abgaben an den Fiskus überprüfbar zu machen. Schließlich sind die Margen enorm: Wer Wohnungen zu Airbnb-Herbergen macht, kann in einer Stadt wie Hamburg das Drei- bis Vierfache eines normalen Mietpreises erzielen.

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Linke fordern verpflichtendes Registrierungssystem

Noch viel schwerwiegender ist der Vorwurf der Zweckentfremdung von Wohnungen. Die Studie „Plattformversagen“ belege, dass mit den Kurzzeitvermietungen den Einwohner großer Städte Wohnraum gestohlen werde, so Martin Schirdewan von den Linken im Europa-Parlament. Die Bookingplattformen müssten reguliert werden. Viele Stadtverwaltungen in Europa haben Airbnb zwar bereits dazu verdonnert, angebotene Schlafquartiere zu melden. Doch in Barcelona etwa seien bei 60 bis 70 Prozent die Angaben unkorrekt oder fehlten vollständig. In Berlin würden sogar 80 Prozent der aufgelisteten Unterkünfte illegal angeboten, der Datenaustausch mit der Verwaltung werde verweigert.

Schirdewan hofft nun auf einen Digital Service Act, den die EU-Kommission am Mittwoch vorstellen wollte. Er müsse im Besonderen ein verpflichtendes Registrierungssystem und eine Offenlegung der Plattformdaten von Airbnb festzurren, so Schirdewan.

Airbnb will sich mit KI von der Reisebranche abkoppeln

Analysten bewerten neben Reglementierungen die weitere Entwicklung des Tourismus als maßgeblich fürs Schicksal von Airbnb. Das Management hingegen will sich von der konventionellen Reisebranche abkoppeln. Der künftige Erfolg hänge davon ab, wie gut es gelinge, technologische Neuerungen auf der Plattform zu integrieren, heißt es im Prospekt für den Börsengang.

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Aufgezählt wird dann alles, was derzeit angesagt ist: von Blockchain bis virtuelle Realität und natürlich künstliche Intelligenz (KI). Das soll offenbar auf Dienstleistungen hinauslaufen, die weit über das Vermitteln von Zimmern hinausgehen. Etwa Angebote für Urlauber, wo gleich Ausflüge und Besichtigungen nach den jeweiligen Vorlieben der Nutzer automatisch mitgebucht werden.

Maßgeschneiderte Urlaube für digitale Nomaden

Immer wieder ist auch von digitalen Nomaden als neuer Nutzergruppe die Rede, die permanent durch die Welt ziehen und das Arbeiten am Laptop mit Urlaub an schönen Orten verknüpfen. Höchst interessant könnten Dienste für Investoren werden: Ein Algorithmus sucht weltweit neue Wohnungen an attraktiven Standorten, diese werden maßgeschneidert für eine Zielgruppe eingerichtet und dann optimiert an die digitalen Nomaden vermietet – alles gesteuert durch KI von Airbnb. Das könnte die gesamte Immobilienbranche durcheinanderwirbeln.

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