Turbo für den Green Deal: Mit 300 Milliarden Euro will die EU unabhängig von Russland werden
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Die EU will mehr in erneuerbare Energie investieren.
© Quelle: Daniel Bockwoldt/dpa
Frankfurt am Main. Jetzt soll alles ganz schnell gehen: Die EU-Kommission hat am Mittwoch einen Plan vorgestellt, um die Union der 27 Staaten so schnell wie möglich unabhängig von russischen Energieimporten zu machen.
Es geht um dreierlei: Russisches Gas durch Methan aus anderen Quellen ersetzen – besonders die USA und Katar werden hier immer wieder genannt. Ein erheblich schnellerer Ausbau der Erneuerbaren nebst einem zügigen Umschalten auf grünen Wasserstoff. Und drittens deutlich stärkere Anstrengungen beim Einsparen von Energie.
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Russische Unternehmen dürfen keine Geschäfte mehr mit ehemaligen Töchterfirmen des Energiekonzerns Gazprom im Westen machen. Besonders Mecklenburg-Vorpommern hat enge Verbindungen zu dem Energieriesen – und bekommt nun das scharfe Schwert der russischen Energiesanktionen zu spüren.
„Wir müssen unsere Abhängigkeit von Russland im Energiebereich so schnell wie möglich verringern“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das erfordere erhebliche Investitionen und Reformen. „Wir mobilisieren zu diesem Zweck bis zu 300 Milliarden Euro.“ So werde für den Green Deal „der Turbo“ gezündet. Ziel sei es, im Laufe des Jahrzehnts keine Energie mehr von Russland kaufen zu müssen.
Massiver Ausbau des Sonnenstroms
Beim sogenannten REPowerEU-Plan handelt es sich um eines der größten Investitionsprojekte in der Wirtschaftsgeschichte. Die Vorschläge im Einzelnen:
Bei der Umstellung der fossilen Energie geht es vor allem um Erdgas, das bislang preiswert via Pipelines aus Russland kam. Künftig soll der Brennstoff im verflüssigten Zustand (LNG) von Schiffen importiert werden, was ihn deutlich teurer machen wird. Aber zugleich geht die Kommission davon aus, dass der Verbrauch von fossilem Gas bis 2030 um ein Drittel gesenkt werden kann. Als neue potenzielle Lieferanten werden auch Ägypten, Nigeria und Israel genannt. Das alles verlangt auch, die Gasnetze in Europa auszubauen, vor allem fehlt es aber an Übergabepunkten an den Landesgrenzen. Zudem müssen neue Terminals zum Anlanden des Gases errichtet werden.
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© Quelle: dpa
Beim Ausbau der Erneuerbaren schlägt die Kommission als neues Ziel für 2030 vor, dass 45 Prozent der Energie in der EU aus regenerativen Quellen kommt, bislang waren 5 Prozentpunkte weniger geplant, aktuell sind es rund 22 Prozent. Ein wichtiger Pfeiler ist der Sonnenstrom, dessen erzeugte Menge schon in drei Jahren doppelt so groß wie heute sein soll. Um das zu erreichen, sollen auf die Dächer aller neuen gewerblichen Gebäude Solaranlagen montiert werden. Eine Solarpflicht für neue Wohngebäude soll später folgen.
Der zweite Pfeiler ist der Windstrom, der in Deutschland bereits das Rückgrat der Stromerzeugung ist. Die vier Nordsee-Anrainer Deutschland, Belgien, Niederlande und Dänemark wollten am Mittwoch einen Plan vorstellen, mit dem die Kapazität der Windkraft auf See bis zum Jahr 2050 ungefähr verzehnfacht werden soll. Die Anlagen sollen dann eine Gesamtleistung von 150 Gigawatt haben – was in etwa 150 Atomreaktoren entspricht.
Subventionen für grünen Wasserstoff
Mit dem Ökostrom soll auch im großen Stil grüner Wasserstoff (mithilfe von Elektrolyse) in der EU hergestellt werden – als Ersatz für Erdgas. Das selbstgemachte klimaneutrale H2 soll im Jahr 2030 auf zehn Millionen Tonnen kommen. Noch einmal die gleiche Menge will die Kommission importieren, insbesondere Nordafrika dürfte hier eine wichtige Rolle spielen. Das entspricht rund einem Sechstel der aktuellen weltweiten Wasserstoffproduktion. Damit der grüne Wasserstoff, der erheblich teurer ist als Erdgas oder Kohle, auch beispielsweise in Stahlwerken eingesetzt wird, soll die neue Energiequelle massiv subventioniert werden.
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© Quelle: Reuters
Der gesamte Energiebedarf der EU soll nicht mehr nur um 9, sondern um 13 Prozent bis 2030 verringert werden. Wobei Luxemburgs Energieminister Claude Turmes bereits gefordert hat, dies auch mit einem unionsweiten Tempolimit für Pkw, zwei Tagen Homeoffice pro Woche und autofreien Wochenenden in Städten umzusetzen. So könnten jährlich 2,5 Millionen Fass (159 Liter) Rohöl eingespart werden.
Die Vorschläge der Kommission zielen indes vor allem auf Gebäude und Heizungen ab. Experten gehen davon aus, dass Unternehmen ihren Energiebedarf um rund 30 Prozent drücken können, wenn sie auf effiziente Verfahren in der Produktion oder auf intelligente Systeme bei der Temperierung und Lüftung von Büros umstellen.
Das größte Potenzial bieten aber bestehende Wohngebäude – mit Dämmung, modernen Fenstern und neuen Heizungen kann deren Energiebedarf massiv gesenkt werden. Hier gibt es seit Jahren aber nur bescheidene Fortschritte, weil viele Hausbesitzer die notwendigen Investitionen scheuen. Hierzulande wird deshalb über die Ausweitung von Förderprogrammen diskutiert. Kurzfristig könne die Gas- und Ölnachfrage unter anderem durch sparsameres Heizen oder geringere Geschwindigkeiten auf der Autobahn um 5 Prozent gedrückt werden. Die Kommission schlägt indes steuerliche Vorteile für Modernisierer vor.
Die Milliarden Euro zur Finanzierung all dieser Projekte stehen im Wiederaufbaufonds der EU bereits als Darlehen in Höhe von 225 Milliarden Euro bereit. Außerdem sollen sie unter anderem aus dem Topf für die EU-Agrar-Subventionen und dem Fonds für die regionale Entwicklung abgezweigt und umgewidmet werden. Bereits heftig umstritten ist die Idee, dass sich die EU zusätzliches Geld auch noch durch die Ausgabe von mehr CO₂-Verschmutzungszertifikaten beschafft. Dadurch würden die Preise für die Papiere, die die Industrie und Kraftwerksbetreiber kaufen müssen, sinken. Dies würde die CO₂-Emissionen erhöhen und damit dem Klimaschutz zuwider laufen. „Einen CO₂-Sturm loszulassen, kann nicht unser Ziel sein“, sagte Michael Bloss, Europaabgeordneter der Grünen.
Der größte Teil des REPower-Plans muss noch mit den Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament verhandelt werden.
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