Formel-1-Kolumne

Fünf Thesen mit Norbert Haug: Deutschland sitzt im letzten Waggon des F1-Zuges

RND-Kolumnist Norbert Haug sorgt sich um die Zukunft des Motorsports in Deutschland.

RND-Kolumnist Norbert Haug sorgt sich um die Zukunft des Motorsports in Deutschland.

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Quo vadis, Formel 1? In dieser Saison, in der der Sieger des jeweiligen Rennens zumeist schon vor dem Wochenende feststeht – Max Verstappen führt die WM nach sechs Rennen mit 39 Punkten Vorsprung an –, hält sich das TV-Interesse in Deutschland an der Königsklasse des Motorsports weiter in Grenzen. Ein Free-TV-Partner als Nachfolger von RTL ist mitten in der Saison immer noch nicht in Sicht. Rechteinhaber Sky überträgt den Großen Preis von Spanien am Sonntag (15 Uhr) nun im kostenlosen Livestream bei Youtube. Ein erneuter Deutschland-GP in naher Zukunft rückt währenddessen in immer weitere Ferne. Traurig - oder?

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Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat dem ehemaligen Mercedes-Motorsport-Chef Norbert Haug diese These vorgelegt – und noch vier weitere. So äußert sich der 70-Jährige, der die Karrieren der jeweils siebenmaligen (Rekord-)Weltmeister Lewis Hamilton und Michael Schumacher von Beginn an begleitete, beide ab dem Juniorenalter gefördert und mit ihnen als Sportchef erfolgreich gearbeitet hat, unter anderem auch über die Gerüchte um Hamilton und F1-Rentner Sebastian Vettel.

These eins: Der Formel 1 mangelt es an Spannung

Haug: „In der Tat könnte es auf der Strecke enger zugehen. Und der Sieger sollte idealerweise nicht bereits feststehen, bevor das Rennen gestartet wird. Dass der erste Verfolger bei den Rundenzeiten Aston Martin ist und dabei im Durchschnitt bereits über eine halbe Sekunde pro Runde zurückliegt, zeichnet für Formel-1-Fans, die Spannung mehr als Dauersieger lieben, leider ein düsteres Bild der aktuellen Konkurrenzsituation. Und die Chancen, dass sich dieser Zustand alsbald ändern wird, sind eher als sehr gering einzuschätzen.“

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These zwei: Dass Rechteinhaber Sky seine Free-TV-Rennen ohne TV-Partner im Gratis-Livestream verramschen muss, ist traurig.

Haug: „Das ist klarerweise die Folge der aktuellen Autoverteufelung, die in Deutschland – und nur dort – von diversen Kreisen so vehement wie sinnfrei betrieben wird. Nachdem zwischen 1994 und 2016 deutsche Fahrer zwölf Formel 1-Weltmeistertitel einfuhren und die Automobilnation Deutschland mit großem Abstand das erfolgreichste Land des Automobilsports und seiner Königsklasse war, sitzen wir heute im allerletzten Waggon des Formel-1-Zuges, der international erfolgreicher denn je unterwegs ist. Wir halten die rote Laterne: seit Jahren kein deutscher Grand Prix – wo es früher pro Jahr gleich zwei gab –, kein deutscher Fahrer mit Titelchancen – wo deutsche Fahrer während 22 Jahren zwölf Titel holten und der Rest der Welt nur deren zehn. Amerika boomt in Sachen Formel 1, während Deutschland darbt. Apple, Microsoft etc. lassen grüßen. Was in Deutschland seine Wurzeln hatte, wird dort, wo man es versteht, zu Ruhm und Erfolg und zum wirtschaftlichen Überflieger gemacht.“

Neulich gab es mit dem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring eine der größten Publikumsveranstaltungen in Deutschland mit rund 250.000 friedlichen und begeisterten Besucherinnen und Besuchern – die nicht mit Wasserwerfern bewacht werden mussten, für die auch nicht der Begriff „Hochrisikorennen“ geschaffen werden musste und zu deren Überwachung nicht Tausende Polizeibeamte bereitzustehen hatten. Diese Menschen genossen so freudig wie friedlich.

Weder ARD noch ZDF hielten es für nötig, auch nur eine Minute lang über dieses so großartige wie friedliche Festival zu berichten. Es stand schließlich Sport mit dem Automobil im Mittelpunkt, jener Erfindung, der Deutschland einen großen Teil seines Wohlstandes zu verdanken hat. Doch das Thema Auto ist für Öffentlich-Rechtliche, wie man sehen – beziehungsweise zutreffenderweise nicht sehen – kann, so out wie für weite Teile der Regierungsverantwortlichen und jenen NGO, die mit dem Mut der Verzweiflung ihre sinnfreien Anti-Auto-Kampagnen inszenieren. Wer sollte sich da trauen, Formel-1-Rennen zu übertragen? Da verfahren die in Deutschland Verantwortlichen lieber wie bei klimaneutraler Atomkraft: Alle schalten ein, Deutschland schaltet aus.“

These drei: Fernando Alonso erlebt seinen zweiten Frühling und ist ernstzunehmendster Titelrivale von Max Verstappen.

Haug: „Nein, das ist er ganz sicher nicht. Aber Alonso ist seit Saisonbeginn Verstappens erster Verfolger aus einem konkurrierenden Team. Ein Team, das sowohl mit Mercedes-Motor als auch mit Mercedes-Getriebe unterwegs ist. Und das freut mich schon aus nostalgischen Gründen sehr. Hut ab vor dem, was beim Aston-Martin-Team in eher kurzer Zeit nach vorne bewegt wurde – und aktuell auch dank Fernando Alonso.“

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These vier: Ein Ferrari-Wechsel von Lewis Hamilton würde die Formel 1 attraktiver machen.

Haug: „Das würde der erste Hamilton-Sieg seit Beginn der Saison 2022 – und ein Kampf zwischen ihm und Verstappen auch. Die Saure-Gurken-Zeit hat in der Formel 1 mittlerweile ganzjährig Saison und sollte Hamilton einen Farbwechsel wünschen, kann sein derzeit schwarzes Auto ganz ohne Teamwechsel wieder silbern gefärbt werden.“

These fünf: Sebastian Vettel wäre ein Topnachfolger für Helmut Marko bei Red Bull.

Haug: „Womöglich entspringt dieses Gerücht auch der oben erwähnten Ganzjahressaison. Ich habe dazu keine Informationen, bezweifle aber, dass ein Fahrer, der eben Tschüs – und nicht auf Wiedersehen – zu einer Saison mit über 20 Formel-1-Rennen gesagt hat, kurz darauf mit den Worten ‚Hallo, da bin ich wieder‘ zurückkommen wird – zwar nicht im Cockpit, dafür aber am Kommandostand. Aber, wie hat ein gescheiter Beobachter der Szene einmal gesagt? ‚Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt und drittens in der Formel 1.′“

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