Impfpflicht, Nachhaltigkeit, Deutschland-Urlaub: So reisen wir 2022

Für Ungeimpfte werden viele Urlaubsländer 2022 nicht zu bereisen sein.

Für Ungeimpfte werden viele Urlaubsländer 2022 nicht zu bereisen sein.

„Reisen wird 2022 nicht einfacher“, sagt Tourismus­forscher Markus Pillmayer von der Hoch­schule München. „Reisende müssen sich besser und häufiger informieren, die Thematik nimmt an Komplexität zu und Reisende müssen spontaner und flexibler reagieren.“ Denn auch 2022 wird uns die Corona-Pandemie begleiten.

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Das Redaktions­Netzwerk Deutschland hat bei drei Reiseforschern nach den Trends und Themen für 2022 gefragt: Wie werden wir reisen? Wohin werden wir reisen? Welche Themen bestimmen die Wahl unserer Reiseart und unseres Reiseziels?

Impfpflicht und 2G

Für Ungeimpfte wird es 2022 noch ungemütlicher: Nicht nur in Deutschland gibt es Einschränkungen und Diskussionen über eine Impfpflicht. Wer 2022 halbwegs frei reisen möchte, werde eine Corona-Impfung benötigen, sagt Reiseforscher Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilian-Universität München. „Wenn sich herausstellt, dass eine Impfpflicht der Schlüssel ist, wird sie sich weltweit ausbreiten“, sagt er. Immerhin hätten fast zwei Jahre Pandemie gezeigt: Mobilität sei durchaus ein Treiber des Infektions­geschehens.

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Israel, USA und Kanada machen es vor, Costa Rica und Kenia ziehen nach: Zumindest bei Fernreisen müssen sich Reisende auf 2G einstellen. „Der Zugang wird Ungeimpften erschwert, das sieht man jetzt schon bei Destinationen, aber auch bei Airlines oder Kreuzfahrt­anbietern“, sagt Schmude. Generell sollten Reisende auch im Reisejahr 2022 weiter mit Einschränkungen rechnen, etwa was Masken­pflicht an beliebten Urlaubszielen, Test­nachweise etwa beim Restaurant­besuch oder auch Abstands­regeln an Stränden angeht.

Allerdings: Pillmayer geht davon aus, dass nicht alle Reiseziele auf die Impfpflicht setzen werden. „Es kommt darauf an, wie das Reiseland wahr­genommen werden will. Ziele, die sehr vom Tourismus abhängen, werden eher auf Impfpflicht und strenge Regeln setzen, um als sicher wahr­genommen zu werden. Sie wollen nicht, dass jemand das Virus einschleppt“, sagt er. Bei anderen Ländern hingegen erwartet er, dass sie weniger restriktiv an die Sache herangehen und sich als freies Reiseziel ohne viele Maßnahmen präsentieren. Ungeimpfte könnten also Alternativen finden, wenn sie flexibel und offen für Neues sind.

2G wird Reisen wohl nicht nur in Deutschland begleiten.

2G wird Reisen wohl nicht nur in Deutschland begleiten.

Risikogebiete und Stornierungs­optionen

Erst vor rund einer Woche wurden acht Staaten Subsahara-Afrikas binnen Stunden zum Virus­varianten­gebiet erklärt, Reisende hatten keine Möglichkeit, ohne 14-tägige Quarantäne nach Hause zu kommen. Das wird auch 2022 möglich bleiben. „So was kann immer passieren“, sagt Schmude. Auch Pillmayer geht davon aus, dass die eine oder andere Reise durch die Entdeckung einer neuen Virus­variante vermiest werden kann.

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Bisher habe sich hier gezeigt: Wenn es um Stornierungen oder plötzliche Änderungen geht, böten Pauschal­reisen höhere Sicherheit für Reisende: Sie müssten weniger selbst organisieren und erhielten das Geld häufiger zurück, so Schmude. Individual­reisende müssen auf die Kulanz von Hotel­betreibern, Airlines und Co hoffen und bleiben im Zweifel auf Kosten sitzen.

Deutschland-Tourismus 2022: Natur im Trend, Städte ziehen an

Die Unsicherheit, plötzlich in einem anderen Teil der Welt festzusitzen, mit eingeschränktem Flugverkehr und Quarantäne­anordnungen, sowie Einschrän­kungen durch Masken- und Testpflichten, sorgt dafür, dass der Deutschland-Tourismus auch 2022 wieder boomen wird – allerdings womöglich mit abnehmender Tendenz.

Noch immer wird erwartet, dass mehr Menschen 2022 in Deutschland urlauben als vor der Pandemie, Buchungs­zahlen wie 2020 und 2021 könnten aber der Höhepunkt gewesen sein. In beiden Jahren waren nur minimal mehr Deutsche im gesamten Ausland unterwegs als im eigenen Land, zeigt die Statistik der Reiseanalyse, die Reisen mit einem Mindest­aufenthalt von fünf Tagen untersucht.

Am beliebtesten wird wohl der Urlaub in der Natur in Deutschland bleiben. „Küste und Berge sind stark frequentiert“, sagt Schmude, „das werden auch 2022 die Topdestinationen in Deutschland sein.“ Natur und Outdoor seien dabei am beliebtesten, dieser Trend zeigte sich schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie und hat sich in den vergangenen beiden Jahren manifestiert. „Die Eindrücke aus der Pandemie sind noch so frisch, Corona hat uns zu lange geprägt, als dass wir jetzt schon wieder Menschen­massen wollen“, so Schmude.

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Der Strand in Scharbeutz war am Sonntag gut gefüllt – am Abend schaltete die Strandampel erstmals auf Orange.

Der Strand in Scharbeutz war am Sonntag gut gefüllt – am Abend schaltete die Strandampel erstmals auf Orange.

Tourismusforscher Wolfgang Günther vom Institut für Tourismus- und Bäder­forschung in Nordeuropa (NIT), spricht davon, dass die Deutschen gerne beides wollen: Natur und Stadt. „Das Reise­verhalten ist diverser geworden, das eine schließt das andere nicht aus. Wir sprechen von multi­optionalen Kunden, die nichts verpassen wollen.“

Der Städtetourismus könnte dennoch sowohl bei deutschen als auch ausländischen Reisenden wieder beliebter werden. „Der Städte­tourismus wird sich allerdings schwertun. Der Kultur­bereich wird wieder stärker gefragt sein, aber der gesamte Bereich Geschäfts­reisen ist weg­gebrochen und wird auch nur in Teilen wieder zurück­kommen“, sagt Schmude.

Pillmayer hingegen glaubt, dass Städte erst mit Aufhebung der 2G-plus-Regeln wieder zulegen werden. „Das kulturelle Angebot wird durch Auflagen unattraktiv gemacht“, sagt er. Für Städte könnte die Krise aber auch eine Chance sein: „Die Frage ist, ob wir den Tourismus von 2019 wieder wollen, ob es sinnvoll ist, nur auf Übernachtungs­zahlen und jährliches Wachstum zu schauen.“

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Reisen in Europa auf Vor-Pandemie-Niveau

Wieder mehr Europa statt nur Deutschland, das könnte 2022 dennoch gelten. Wenn es ab Ostern keine corona­bedingten Reise­beschrän­kungen mehr geben sollte, könnte uns ein gutes Reisejahr bevorstehen. Dann sehen Hochrechnungen bereits wieder mehr Auslands­reisen und weniger Inlandsreisen als im Jahr 2020. 2023 könnten schon wieder so viele Deutsche am Mittelmeer Urlaub machen wie vor der Pandemie.

Reiseanlayse 2022 des Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH

Reiseanlayse 2022 des Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH

Weiterhin nachgefragt sind Ziele in den unmittelbaren Nachbar­ländern von Deutschland sowie die deutschen Touristenorte an der Küste und in den Bergen. „Die Deutschen sind sehr reiselustig und werden voraussichtlich alles nutzen, was im Angebot ist. Gern wird dabei an das vertraute Reise­verhalten von vor Corona angeknüpft“, sagt Günther. Spätestens 2023, so das NIT, könnte es ähnliche Verhältnisse wie 2019 geben.

Ob schon 2022 Spanien, Italien und die Türkei wieder die liebsten Auslands­reise­ziele der Deutschen werden, hängt nach Einschätzung von Schmude von dem Faktor ab, wie die Corona-Lage vor Ort sei. „Die Warm­wasser­ziele sind leicht austausch­bar, vielen Reisenden ist es egal, ob sie in Spanien oder Portugal Urlaub machen.“

Fernreisen 2022: Impfpflichten und Öffnungen

Fernreisen sind bisher das große Sorgenkind: Während die Deutschen sich 2021 wieder mehr ins europäische Ausland gewagt haben, ist der Tourismus außerhalb des Kontinents weiter einge­brochen. Hoch­rech­nungen sehen ihn für dieses Jahr bei einem Viertel des Reise­auf­kommens von 2019. „Die klassische Fernreise mit mehrmaligem Umsteigen wird auch 2022 eher verhalten nach­gefragt werden“, sagt Pillmayer. Das liege an genannten Gründen wie Unsicherheit bezüglich möglicher neuer Varianten und Formalitäten bei der Einreise.

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Ein weiterer Punkt aber: Einige beliebte Reiseziele haben noch gar nicht wieder geöffnet. So lassen die USA, Kanada und Thailand zwar inzwischen wieder Deutsche einreisen, aber nur Geimpfte und Genesene. Australien und Neu­see­land hingegen haben noch kein Datum für die touristische Öffnung beschlossen. „Es kann gut sein, dass es in einigen Monaten immer noch Ziele gibt, die nicht geöffnet sind“, so Pillmayer.

ARCHIV - Eines der bekanntesten Wahrzeichen Australiens, der riesige Sandstein Uluru oder Ayers Rock in der zentralaustralischen Wüste. (zu dpa «Klettertouren auf Australiens «Heiligen Berg» bald verboten» vom 01.11.2017) Foto: Angela Merker/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

ARCHIV - Eines der bekanntesten Wahrzeichen Australiens, der riesige Sandstein Uluru oder Ayers Rock in der zentralaustralischen Wüste. (zu dpa «Klettertouren auf Australiens «Heiligen Berg» bald verboten» vom 01.11.2017) Foto: Angela Merker/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Gegen Overtourism: Besucher­lenkungen als zentrales Thema

Das Interesse an Deutschland als Urlaubsziel ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie stark gestiegen. Das freut einerseits all jene, die in der Branche arbeiten. Andererseits schafft es bisweilen aber auch Verstimmungen mit den Einheimischen. „Wir haben viele Diskussionen, wann die Wachstums­grenze erreicht ist“, sagt Günther. Bevor Unruhe entstehe, weil Straßen und Geschäfte verstopft seien und die lokale Bevölkerung Einbußen habe, müsse reagiert werden. Zudem kommt die Natur an ihre Grenzen, wenn zu viele Menschen ins Grüne wollen.

Besuchermanagement und Besucher­lenkung, da sind sich die Tourismus­forscher einig, werden deshalb zwei der Topthemen im kommenden Jahr sein, die Destinationen in Deutschland angehen müssen. Tools wie Ticker auf Websites oder Apps mit Ampel­systemen, die anzeigen, wie voll es an welchem Ort gerade ist, waren schon vor der Pandemie in der Entwicklung, Corona hat diese beschleunigt. Denn so wollen die Deutschen zwar auch im eigenen Land die größten Sehens­würdig­keiten sehen – aber bitte ohne andere Touristinnen und Touristen.

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„Wir sehen, dass die Küste beispiels­weise in der Hochsaison ausgelastet ist, aber im Binnenland etwa in Schleswig-Holstein noch freie Potenziale bestehen“, sagt Günther. Deshalb liege es nun an den Destinationen, den Besuche­rinnen und Besuchern, am besten bevor sie anreisen, auch alternative Ziele vorzuschlagen, wenn Urlaubsorte zu voll werden. „Es geht darum, den Leuten Lust auf Alternativen zu machen: Da ist auch ein schönes Ziel, und das kannst du dort erleben.“ Viele hätten ein Bild von dem im Kopf, was sie sehen wollten, andere jedoch könne man davon überzeugen, dass es im Sand­stein­gebirge nicht die große Bastei sein müsse, sondern die kleine nur wenig abseits auch ihren Reiz habe.

Reisen und Klimakrise: Nachhaltiger Urlaub im Trend

Die Sehnsucht nach der Natur sei groß, sagt Günther. Gleichzeitig wächst das Interesse daran, nachhaltig zu reisen. „Umwelt- und klima­freundlich und sozial verträglich soll es sein“, sagt er. Destina­tionen müssten sich – beispielsweise über die genannte Besucher­lenkung – darauf einstellen, ihre Natur­schätze zu bewahren.

Eine Herausforderung ist dabei die Klimakrise. Viele Ziele weltweit haben mit Extrem­wetter­situationen zu tun. Krisen­kommunikation und eine passende Infrastruktur seien deshalb essenziell, sagt Günther. „Dürre oder Flut? Es ist schwierig für Destinationen, sich vorzubereiten, weil man nicht weiß, wann an welchem Ort welche Extreme auftreten.“ Würde alles weg­geschwemmt wie bei der Flut­katastrophe diesen Sommer, sind große Schäden auch bei der besten Vorplanung nicht zu vermeiden. „Aber es gibt ja viel dazwischen.“

Neuer Schlot entstanden: Vulkan auf La Palma spuckt weiter Lava
News Bilder des Tages View of Cumbre Vieja volcano expelling lava and ashes in a photo taken from El Paso, in La Palma island, Canary Island, southwestern Spain, 28 November 2021. A new vent appeared early morning 28 November. Cumbre Vieja volcano eruption ACHTUNG: NUR REDAKTIONELLE NUTZUNG PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xMiguelxCalerox GRAF3640 20211128-19d19e0097eadced11b2feeebd1cd355b2ee8a01

Mittlerweile hat das flüssige Gestein rund 2700 Gebäude zerstört und mehr als 1100 Hektar Land und Vegetation unter sich begraben.

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Auch Reisende sind zunehmend sensibilisiert für ihre Umgebung. „Die Bilder aus dem Sommer, die Flut im Ahrtal, die Waldbrände in Griechenland und der Türkei, der Vulkan­ausbruch auf La Palma, das geht nicht spurlos an den Menschen vorbei. Die machen sich Gedanken“, sagt Pillmayer.

RND

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