Trotz sinkender Corona-Zahlen: Japan bleibt für Reisende gesperrt
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Bis Touristinnen und Touristen wieder nach Japan dürfen, wird es voraussichtlich noch eine Weile dauern.
© Quelle: Getty Images
Tokio. Pinke Dinge und flauschige Teddys gibt es bei „6% Dokidoki“ in Hülle und Fülle. Was dem kleinen Geschäft im Tokioter Stadtteil Harajuku aber fehlt, sind Kunden aus dem Ausland. Und die könnte es dringend gebrauchen. Das Angebot von „6% Dokidoki“ ist typisch für das Kulturphänomen „Kawaii“ – dem japanischen Wort für „niedlich“. Vor Corona waren in Harajuku Touristen auf der Suche nach „Kawaii“-Souvenirs in Scharen durch die Straßen geströmt.
Ähnlich wie viele andere asiatische Länder hatte Japan seine Grenzen aus Angst vor einer Ausbreitung des Virus im vergangenen Jahr geschlossen. Während manche der bei Urlaubern beliebtesten Ziele in der Region aber allmählich wieder auf eine Öffnung zusteuern, scheint die Regierung in Tokio weiter abwarten zu wollen. Im Jahr 2019 waren noch 32 Millionen Gäste aus dem Ausland nach Japan gekommen – und viele der Betriebe, die sich stark auf diese Touristen ausgerichtet hatten, können sich kaum noch über Wasser halten.
„Dann plötzlich konnte niemand mehr kommen.“
Ausländer würden das Konzept „Kawaii“ auf eine emotionalere Art verstehen als Japaner, sagt Yui Yoshida, die das Geschäft „6% Dokidoki“ leitet. Während die Einheimischen das Wort meist für konkrete Dinge wie etwa süße Hundewelpen verwendeten, sei es für Ausländer auch einfach ein Ausdruck wie „wunderbar“, „cool“ oder „herrlich“. „Vor der Pandemie hatten wir sehr viele Kunden aus dem Ausland“, betont Yoshida. „Dann plötzlich konnte niemand mehr kommen.“
Eröffnet wurde „6% Dokidoki“ vor 26 Jahren. Seitdem hat das Geschäft viele treue Fans gefunden. Als es wegen der Pandemie in Schwierigkeiten geriet, starteten Unterstützer innerhalb und außerhalb des Landes Crowdfunding-Kampagnen. Die Betreiber verstärkten den Fokus auf den Versandhandel. Parallel lancierten sie einige passende neue Produkte, etwa bunte Gesichtsmasken mit psychedelischen Mustern und stofftierartige Beutel für Handdesinfektionsmittel.
Bislang nur Quarantäne-Regelungen gelockert
Yoshida rechnet laut eigenen Angaben nicht damit, dass die ausländischen Touristen bis zur nächsten Kirschblütensaison im kommenden Frühjahr zurückkehren. Und womöglich wird Japan noch deutlich darüber hinaus strikte Reisebeschränkungen beibehalten. Bislang sind lediglich die Quarantäne-Regelungen leicht gelockert worden, seit die Zahl der Neuinfektionen in Tokio von mehreren Hundert pro Tag auf wenige Dutzend pro Tag zurückgegangen ist.
Für Touristen ist Japan aber weiter gesperrt – anders als etwa die indonesische Urlaubsinsel Bali und einige Regionen in Thailand. Ausländische Studenten und Geschäftsreisende können angesichts der strengen Vorgaben ebenfalls kaum ins Land kommen. Eine viel kritisierte Ausnahme machte die Regierung im Sommer im Rahmen der Olympischen Spiele für Athleten und Sportfunktionäre.
Impfquote in Japan bei 73 Prozent
Die Menschen in Japan hätten wegen ihrer „Insel-Kultur“ noch immer Vorbehalte gegenüber einer Öffnung ihres Landes für internationale Gäste, sagt Kotaro Toriumi, ein Tourismus-Experte und Reisebuch-Autor, der in Tokio an der Universität Teikyo lehrt. Es werde daher sicher noch ein oder zwei weitere Jahre dauern, bis die Branche wieder in Schwung komme.
Die Impfquote liegt in Japan bei 73 Prozent. Sie ist damit deutlich höher als die in den meisten anderen Ländern Asiens, mit Ausnahme von Singapur. Trotzdem schottet sich Japan weiterhin ab. Selbst wenn die Grenzen theoretisch wieder geöffnet würden, werde kaum ein Tourist kommen, solange die Pflicht zu einer zehntägigen Quarantäne bestehe, sagt Toriumi. Solange auch nur ein einziger Tag Quarantäne vorgeschrieben bleibe, sei ein Neustart für die Branche unmöglich.
Inlandstourismus soll gefördert werden
Vieles wird natürlich vom weiteren Infektionsgeschehen abhängen. Auch wenn einige Mediziner auch in Japan vor einer neuen Welle warnen, setzt die Regierung aktuell auf die Wiederaufnahme eines Programms zur Förderung des Inlandstourismus. Dieses umfasst etwa Vergünstigungen bei den Kosten für Fahrten, Übernachtungen und anderen Ausgaben. Im vergangenen Jahr hatten die Behörden das Programm namens „GoTo“ wegen eines erneuten Anstiegs der Ansteckungszahlen nach nur fünf Monaten wieder ausgesetzt.
Laut Schätzungen des Instituts Japan Travel Bureau Foundation sorgte das „GoTo“-Programm für Umsätze in Höhe von 1,8 Billionen Yen (rund 14 Milliarden Euro). Insgesamt machten den Angaben zufolge 52,6 Millionen Japaner Urlaub im eigenen Land. Deren Ausgaben sind für die Branche aber kein echter Ersatz für die Einnahmen, die sonst über internationale Gäste generiert werden. Vor der Pandemie hatten diese jährlich mehr als vier Billionen Yen in Japan gelassen.
Einige Geschäfte haben bereits aufgeben haben
Im Jahr 2019 hatte der Reise- und Tourismussektor damit 7,1 Prozent zur Gesamtwirtschaft Japans beigetragen, wie aus Zahlen des World Travel & Tourism Council hervorgeht. Für 2020 hatte das Land auf bis zu 40 Millionen Besucher gehofft. Stattdessen sank der Anteil der Branche an den wirtschaftlichen Aktivitäten in Japan auf 4,7 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche ging laut dem World Travel & Tourism Council von 5,7 Millionen auf 5,4 Millionen zurück.
An beliebten Sehenswürdigkeiten wie den historischen Tempelanlagen in der früheren Hauptstadt Kyoto sind statt Touristen-Massen derzeit fast nur Kinder auf Schulausflügen zu sehen. Im Tokioter Viertel Harajuku haben einige Geschäfte bereits aufgeben müssen. „Es sind nur zwei ausländische Kunden gekommen“, sagt eine Verkäuferin mit rosa Haaren über einen zurückliegenden Tag in den Räumen von „6% Dokidoki“. Und die hätten in Japan gelebt, seien also keine Touristen gewesen.
RND/dpa