Streifzug durch Madrid: Fast alles ist geöffnet, doch die Stadt ist überraschend leer
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Menschen sitzen in der Sonne auf der Terrasse eines Cafés inmitten der Corona-Pandemie. In der spanischen Hauptstadt Madrid lässt es sich beinahe wie in Vor-Corona-Zeiten leben.
© Quelle: Bernat Armangue/AP/dpa
Madrid. Das gibt’s nur jetzt, mitten in der Pandemie: Im Saal, der Hieronymus Bosch gewidmet ist, im Madrider Prado sitzt in einer Ecke ein Aufpasser und hat nichts aufzupassen. Hier hängt der „Garten der Lüste“, vor dem sich sonst die Menschen drängen wie vor der „Mona Lisa“ im Louvre, und nun ist hier niemand. Wer in den Prado kommt, hat den Bosch ganz für sich und kann sich fühlen wie ein schwerreicher Kunstsammler in seiner Privatgalerie.
Madrid hat geöffnet. Die Museen haben geöffnet, Theater, Oper und Kino ebenso, und Restaurants und Kneipen auch. Bis 23 Uhr abends, dann beginnt die nächtliche Ausgangssperre. Wer von außerhalb kommt, kann es kaum fassen. Alles sehr entspannt hier. Ganz wie früher. Natürlich nicht wirklich.
Der Verkehr ist noch immer heruntergefahren
So viel man in Madrid auch unternehmen darf, wer die Stadt gut kennt, sieht, wie sie sich geleert hat. Ein guter Indikator sind die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Busse fahren nicht mehr geisterhaft leer durch die Straßen wie während der harten Quarantänewochen vor einem Jahr. Stattdessen sind sie jetzt, nach den Zahlen des Nationalen Statistikinstituts für Januar, zu gut einem Drittel besetzt, und die Metro zur Hälfte. Für den Autoverkehr gibt es keine aktuellen Daten, aber auch der hat im Vergleich zu früher eher ab- als zugenommen.
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Menschen in einem Café spielen Gitarre – und das im März 2021.
© Quelle: Pablo Blazquez
Besonders still ist es in der Innenstadt. Nicht ausgestorben, aber nicht mehr Madrid-pulsierend wie sonst. Rund um die Puerta del Sol stehen deprimierend viele Ladenlokale leer, ihre Schaufenster sind verrammelt. Zum Beispiel die des Lhardy, eines beinahe 200 Jahre alten Restaurants in der Carrera de San Jerónimo. „Unsere Ersparnisse sind aufgebraucht“, erklärt der Betreiber Daniel Marugán. Die Touristen fehlen. Auf dem Madrider Flughafen kamen im Februar 82,9 Prozent weniger Passagiere an als im Februar des Vorjahres. Die Zahl der Hotelgäste ist um 80,7 Prozent zurückgegangen, vor allem die der ausländischen: um mehr als 90 Prozent auf knapp 35.000 im ganzen Monat Februar.
Gerüchte geistern durch die Stadt
Die Zahlen werden hier deswegen so präzise genannt, weil einige Berichte aus Madrid in letzter Zeit den gegenteiligen Eindruck nahelegten: als würde die Stadt gerade von ausländischen – vor allem französischen – Touristen überschwemmt.
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Die Madrider selbst beginnen schon, statt ihren eigenen Augen den sensationellen Gerüchten zu trauen: dass die Stadt gerade von „Horden von Franzosen“ überrannt werde, die hierherkämen, um sich – natürlich – „zu betrinken“. So twitterte gerade die Spitzenkandidatin der Linkspartei Más Madrid, Mónica García. Die Madrider sollen Anfang Mai ein neues Regionalparlament wählen, und in der Hitze des beginnenden Wahlkampfs geht die Genauigkeit verloren.
Es ist gut möglich, dass das Gerücht, ursprünglich aufgebracht von französischen Medien, sich irgendwann bewahrheitet: Wenn überall zu lesen und zu hören ist, dass in Madrid die Post abgeht, dann lockt das wohl ein paar Leute. Und wahr ist ja auch, dass man hier mehr unternehmen kann als in den meisten anderen europäischen Großstädten. Sich ungestört den „Garten der Lüste“ anschauen, zum Beispiel. Oder Benjamin Brittens „Peter Grimes“ im Teatro Real genießen. Oder sich in eines der Straßencafés setzen. Die sind alle geöffnet und dürfen zu drei Viertel besetzt sein (was aber nicht eingehalten wird – bei gutem Wetter sind sie restlos voll). Man darf sich auch reinsetzen in die Lokale, was manche, aber nicht so viele tun.
Illegale Partys in der Corona-Hochburg
Die Entspanntheit hat ihren Preis: Madrid gehört zu Spaniens Regionen mit den höchsten Corona-Fallzahlen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt zurzeit bei gut 110, fast viermal höher als auf den Balearen. Ihren Beitrag dazu mögen die unerlaubten Partys leisten, von denen die Polizei jedes Wochenende mehr als 300 unfreundlich beendet. Unter den Gästen sind manchmal auch ein paar Franzosen und andere Ausländer, aber vor allem sind es die jungen Madrider selbst, denen es nach Vergnügen dürstet.
Bei aller Entspanntheit: Diese Gärten der Lüste sind ihnen vorerst immer noch verboten.