Von der „Lindenstraße“ in die Drogensucht: Das bewegte Leben des Willi Herren
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Willi Herren war zuletzt vor allem als Realityteilnehmer und Ballermannsänger bekannt (Archivbild).
© Quelle: imago/Future Image
Köln. Seine besten TV-Minuten hat Willi Herren ausgerechnet eine Woche vor seinem Tod, in einer der schlimmsten Sendungen aller Zeiten.
Als der berüchtigte Proll-Prinz Marcus von Anhalt im Sat.1-Trash-Format „Promis unter Palmen“ einen schwulen Kandidaten beleidigt, hält es Herren nicht mehr zurück. Als einziger von insgesamt zwölf Kandidaten geht er dazwischen: „Das ist ein No-Go, das sagst du nicht! Marcus, bei allem Respekt“, ruft er dem Prinzen entgegen.
Auch die anderen Teilnehmer der Sendung nimmt der 45-Jährige in die Verantwortung. „Ey Leute, so was darf man nicht totschweigen“, stellt er sie im Garten zur Rede, während diese noch versuchen, die Lage schnell aus der Welt zu schaffen. Später im Sprechzimmer der Promivilla appelliert Herren auch an die Zuschauer, bei Homophobie keineswegs wegzusehen.
Dubiose Geschäfte in der „Lindenstraße“
Über derartig viel Zivilcourage waren selbst einige TV-Rezensenten erstaunt. Zugegeben, nicht alle von Herrens TV-Auftritten der jüngeren Zeit waren so rühmlich. Die meisten waren eher das Gegenteil davon.
Mal bekam Herren beim Promiboxen auf die Nase, mal zoffte er sich öffentlich mit seiner Frau Jasmin im „Sommerhaus der Stars“. In den vergangenen Jahren ließ Herren praktisch keine Realityshow aus: vom Dschungelcamp über „Promi Big Brother“ bis „Temptation Island“. Mal trat er am Ballermann auf, mal machte er Werbung für Haartransplantationen.
Die seriösen Fernsehjahre des Kölners waren da schon seit einigen Jahrzehnten vorbei: Bekannt wurde Herren als Anfang 20-Jähriger in der „Lindenstraße“, hier spielte er den fiesen Oliver „Olli“ Klatt. Die Figur stahl und erpresste sich durch die Folgen 367 bis 1476. Auf der Suche nach Geld verstrickte er sich zudem regelmäßig in dubiose Geschäfte und landete im Knast.
Das tragische Ende einer TV-Karriere
Anfang der 2000er Jahre nimmt jedoch auch Herrens ganz reales Leben eine tragische Wendung. Seine Ehe geht zu Bruch, 2007 verliert er seinen Job in der „Lindenstraße“. Der Grund: sein Drogenkonsum. Bekannte hätten ihn erstmals mit Kokain in Berührung gebracht, erzählt er in einer ZDF-Reportage im Jahr 2012. Sie hätten ihm versprochen, dass die Drogen gegen den Stress helfen würden, er könne mehr Termine wahrnehmen, müsse nicht mehr schlafen.
Von da an habe er sich in einem Teufelskreis befunden, sagt Herren. „Dann war ich dem Zeug verfallen. Da hat es mich im Griff gehabt. Und zwar so dermaßen, dass es mein Leben beherrscht hat. Ich hätte alles dafür getan, um an den Stoff zu kommen. Alles.“
Seinen weiteren Lebenslauf beschreibt Herren in der Reportage so: „Dann war ich auf einmal arbeitslos. Frau verloren, vorher schon. Drogenabhängig, kein Geld mehr. Dann noch das heiligste, was mir im Leben ist, nach meiner Familie: ‚die Lindenstraße‘. Ich konnte das alles nicht mehr fassen.“
Drogenabsturz im Vorabendprogramm
Völlig „überschätzt“ habe sich Herren zu dieser Zeit. Auch von „Größenwahn“ spricht er. „‚Lindenstraße‘? Die können mich doch nicht rausschmeißen, ich bin doch gut, warum sollten die mich denn rausschmeißen? Die brauchen mich doch. Warum soll meine Frau mich rausschmeißen, die liebt mich doch. (…) Aber nichts war. Alles verloren.“
Zu dieser Zeit entsteht auch eine RTL-Reihe mit dem Namen „Willi Herren im Drogensumpf“. Der Kölner Privatsender macht das Schicksal des Schauspielers zum TV-Event, und zwar täglich ab 18 Uhr. Im Rahmen der Sendung „Explosiv“ zeigt RTL Herrens Versuch, von den Drogen loszukommen.
Gezeigt werden teils schockierende Aufnahmen. Herren versucht, vor laufender Kamera verzweifelt an seinen „Stoff“ heranzukommen. Die Clips sind noch Jahre nach der Ausstrahlung im Internet abrufbar, erreichen zigtausende Klicks. Der Absturz einer tragischen Figur, vor den Augen der Fernsehzuschauer.
Immer wieder Schlagzeilen
Am Ende entschließt sich Herren zu einer Entziehungskur in der Klinik von Bad Brückenau. Und tatsächlich kommt der Schauspieler wieder auf die Beine. Eine zweite Karriere als Schauspieler bleibt ihm zwar verwehrt, dafür startet Herren als Ballermannsänger durch. Wenig später wird Herren Dauergast in zahlreichen Realityformaten, an denen er noch bis kurz vor seinem Tod teilnimmt.
In den Klatschspalten ist Herren auch nach seiner Drogensucht ein gern gesehener Gast. Mal wird er wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheit am Steuer verurteilt, mal sorgt das „Liebes-Aus“ mit seiner Frau Jasmin für neue Schlagzeilen.
Der Auftritt bei „Promis unter Palmen“ vergangene Woche zeigt einen Willi Herren, wie man ihn nur selten im Fernsehen sah. Er zeigte keine tragische Figur, sondern jemanden, der im richtigen Moment Zivilcourage bewies. Ein bisschen Herz oder „Hätz“, wie Herren als Kölner wohl gesagt hätte, in der kalten, grausamen Welt des Reality-TV.
Der Traum vom Foodtruck geht nicht mehr in Erfüllung
Wie die Polizei auf Anfrage mitteilt, wurde Herren am Dienstag in seiner Kölner Wohnung tot aufgefunden. Hinweise auf ein Fremdverschulden gebe es derzeit nicht.
Erst am Freitag hatte der Schauspieler und Sänger ein neues Projekt vorgestellt. Eines, das nicht mit Skandalen und Rampenlicht zu tun hat: Ein Foodtruck, an dem man Reibekuchen kaufen konnte. Es hätte laut Herren ein „neuer Lebensabschnitt“ werden sollen. „Wenn ich mich irgendwann mal zur Ruhe setze, dann mit einer Reibekuchenbude.“