Schlagerstar stirbt mit 85 Jahren

Tony Marshall: Von einem, der immer das Schöne sah

Mit einem großen Strahlen und der Lockenpracht kannten und liebten die Fans Tony Marshall (hier 1994).

Mit einem großen Strahlen und der Lockenpracht kannten und liebten die Fans Tony Marshall (hier 1994).

Im Rollstuhl sitzt er am Klavier, einen Hut auf dem Kopf. Auf dem Instrument liegen CDs ausgebreitet, ein Glas steht bereit. Sein Blick, sein Körper ist einem Teil des Publikums zugewandt. Die Menschen sitzen dort an gedeckten Tischen und lauschen seinem Gesang. Nicht alle, einige reden. Zwei Frauen kommen nach vorn und knipsen mit ihren Handys Fotos von einem der größten deutschen Schlagerstars. „Ich kann im Leben noch alles Schöne sehn. Ich hab den Blick noch nicht verloren“, singt Tony Marshall, mehr melancholisch als euphorisch, „auch wenn die Tage langsam von mir gehn.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Facebook, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Es ist Juli 2022. An einem Dienstag, wie so oft an Dienstagen, ist Tony Marshall zu Gast im Hotel Dollenberg in Bad Petersberg-Griesbach, unweit seiner Heimat Baden-Baden. Seine Bühne. Er singt „Mein letzter Traum“, seine letzte Single, von seinem letzten Album, entstanden während der Corona-Pandemie. Es ist sein letzter Song, es ist sein letzter Auftritt. „Wenn er das Hotel betrat, schien der Raum heller, die Stimmung wandelte sich, und mit seinem Wesen begeisterte er die Menschen, die ihm begegneten“, schreibt das Hotel Dollenberg auf Facebook.

Nun ist Herbert Anton Hilger (geborener Bloeth), der Mann, der Tony Marshall war, am Abend des 16. Februars im Alter von 85 Jahren gestorben.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Tony Marshall, der „Fröhlichmacher der Nation“

Tony Marshall war als „Fröhlichmacher der Nation“ bekannt geworden. Er strahlte, wenn er die Bühne betrat, er strahlte, wenn eine Kamera auf ihn gerichtet wurde. Es war seine Aufgabe, sein Erfolg, mit Schlagern tourte er durch das Land, sang vor Tausenden von Menschen auf Konzerten. „Wir versuchten, die Menschen fröhlich zu stimmen, ein bisschen den Alltag vergessen lassen“, sagte er vor zwei Jahren in einem Interview mit dem „Spiegel“. Im Herzen aber, und das ist eines der großen Missverständnisse im Leben des Tony Marshall, mochte er die Klassik. Chopin, Mario Lanza, Enrico Caruso.

Tony Marshall wurde am 3. Februar 1938 als Herbert Anton Bloeth in Baden-Baden geboren. Die Musik, sie war ein ständiger Begleiter. 27 Kilometer sei er zu Fuß zur Tante gelaufen – und gegen den Schmerz habe er angesungen. Er lernte Blockflöte, Klavier, Geige. Er war ein Teenager, als er beschloss, Opernsänger zu werden. Seine Mutter hatte ihn mit ins Kino genommen, „Der große Caruso“. Jahre später wurde er bei einem Auftritt im Kurhaus Baden-Baden entdeckt, erhielt ein Stipendium, studierte Gesang und Klavier an der Musikhochschule Freiburg.

Schlagersänger Tony Marshall im Alter von 85 verstorben

Die „Schöne Maid“ fällt wohl allen sofort ein, die an Tony Marshall denken.

Tony Marshall: Seinen größten Hit mochte er zunächst nicht

Doch mit dem Gesang und dem Geld war das so eine Sache. Es war Leidenschaft und Hobby, aber es reichte nicht für ihn und die Familie. Schon im Kindesalter, sagte er, habe er im Tante-Emma-Laden seiner Mutter ausgeholfen, während der Vater im Zweiten Weltkrieg kämpfte. Später machte er eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann, arbeitete als Bauarbeiter und Croupier im Casino, jobbte im Installationsgeschäft seiner Schwiegereltern, den Eltern seiner Jugendliebe Gabi, half seinen Eltern im Laden und führte eine Kneipe.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Es war 1971, als Tony Marshall zum deutschen Schlagersuperstar wurde. Bei einem Gesangswettbewerb hatte er einen Plattenvertrag gewonnen, nach zwei Flops präsentierte ihm sein Produzent „Schöne Maid“. Er wollte sich, so sagte er später, weigern, das Lied zu singen. „So einen Scheiß singe ich nicht“, wird er im „Spiegel“ zitiert. Doch Marshall hatte einen Vertrag unterschrieben. Er sang „Schöne Maid“, und es folgten die Jahre des Ruhms. 20 Millionen verkaufte Platten. Konzerte, Auftritte, eigene Fernsehsendungen mit seinem Namen. Folgehits wie „Komm, gib mir deine Hand“ und „Bora Bora“. Villen in Baden-Baden und Florida. 37 Oldtimer. Ehrenbürger der Südseeinsel Bora Bora.

Schlager-Tony wollte lieber Musik mit Tiefgang machen

Tony Marshall war der Schlager-Tony. Die Fans wollten ihn so. Und so zog er immer wieder seine Perücke auf, die zum Markenzeichen wurde, und performte. Mal im Seniorenheim, mal im großen Stadion. Immer gut gelaunt, immer fröhlich, der Gute-Laune-Tony eben. Er fremdelte mit dem Schlager, er wollte Musik mit Tiefgang, mit Inhalt und kämpfte damit, als „Trallala-Tony“ gebrandmarkt zu sein. Er sang auf acht Sprachen, spielte sechs Instrumente – und nach außen verteidigte er den Schlager. „Wenn so viele Menschen das Lied lieben, muss ja was dran sein“, sagte er einmal. Er wusste: Der Erfolg, das Geld, der Ruhm, die Fans – die hat er dem Schlager zu verdanken, nicht der Klassik.

Als andere in Rente gingen, mit 67, hatte er die größte Rolle seines Lebens. 2005 übernahm er die Hauptrolle im Musical „Anatevka“ am Volkstheater Frankfurt. Es war das erste Mal, dass er das singen konnte, was er wollte, und dafür bezahlt wurde. Es war eine Art Versöhnung. Das große Highlight. Er hoffte auf weitere Aufträge. Aber es kamen keine. Und so kehrte er zurück auf die kleinen Bühnen, sang „Schöne Maid“. Wieder und wieder. „Sie hat mir ein wunderbares Leben beschert. Für mich als Künstler war sie Pech“, sagte er dem „Spiegel“.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Tony Marshall, ein Familienmensch

Privat war Tony Marshall ein Familienmensch. Seine Frau Gabi kennt er aus Kindheitstagen, gemeinsam haben sie drei Kinder. Die beiden Söhne, Marc und Pascal, machen ebenfalls Musik. Mit Tochter Stella, die aufgrund eines Ärztefehlers mit Epilepsie geboren wurde, hat er die Tony-Marshall-Stiftung gegründet, die sich für Menschen mit Behinderung einsetzt. Tony Marshall wurde in Baden-Baden geboren, er lebte in Baden-Baden, er starb in Baden-Baden. Zuletzt wohnte er in einem Fachwerkhaus am Stadtrand. Nebenan Tochter Stella, in der Nachbarschaft auch eine Enkelin und Sohn Marc.

Die letzten Jahre war er viel an der Seite seiner Familie. Denn die letzten Jahre waren von Schmerz und Krankheiten geprägt. 2018 sollte er eigentlich ins RTL-Dschungelcamp, wegen Herzproblemen war das nicht möglich. Marshall hatte einen Herzschrittmacher und war durch die Nervenerkrankung Polyneuropathie an den Beinen gelähmt. Er hatte einen Schlaganfall, musste wegen Nierenproblemen dreimal pro Woche zur Dialyse, sein Blutzuckerwert war kritisch, 2021 erkrankte er schwer an Covid‑19. Seinen 85. Geburtstag vor zwei Wochen feierte er im engsten Kreise seiner Familie.

Zuletzt tauschte Tony Marshall seine Perücke gegen einen Hut, wie hier bei einem Auftritt 2020.

Zuletzt tauschte Tony Marshall seine Perücke gegen einen Hut, wie hier bei einem Auftritt 2020.

Tony Marshalls Leben war die Bühne

Doch trotz allem blieb er der Bühne treu. Die Bühne, sie war neben der Familie sein Leben. Es heißt, er habe zum ersten Mal 2022 wegen einer Notoperation ein Konzert verpasst, zuvor soll er selbst krank und mit drei gebrochenen Rippen aufgetreten sein. Am Ende tourte er nicht mehr um die Welt, er riss sich nicht mehr um Sendezeit im Fernsehen. Aber er machte Musik, wie eben dienstags im Hotel Dollenberg. 2021 war noch einmal ein aktives Jahr. Er brachte sein letztes Album raus, er spielte Konzerte mit Sohn Marc und alleine, vor 20 oder 50 Menschen. In Gaggenau unweit seiner Heimat wurde die Tony-Marshall-Galerie eröffnet, ein Museum auf einem Bauernhof, das Goldene Schallplatten, Bilder und Requisiten seines Lebens zeigt.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Viele seiner Weggefährten hat er überlebt. Costa Cordalis. Karel Gott. Rex Gildo. Ein paarmal sei es schon knapp gewesen, sagte Marshall dem „Spiegel“. Seine Familie hatte schon Abschied genommen. Doch er wollte noch nicht gehen. „Der letzte Traum ist immer noch in Farbe, in meiner Welt ist immer noch Musik. Und das Gefühl, das ich vom Leben habe, es ist so groß, dass meine Seele fliegt“, singt er in „Mein letzter Traum“. Doch auch Tony Marshall wusste, irgendwann wird er den anderen folgen. Vor wenigen Monaten sagte er der „Bild“: „Wenn der Tod kommt, dann kommt er. Ich habe ihn schon ein paar Mal weggeschickt. Aber irgendwann wird er mich wohl mitnehmen.“

Mehr aus Promis

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken