Meghan und Harry auf den hinteren Seiten: Die Briten sitzen die Enthüllungen einfach aus

Das Königshaus wankt nicht es sitzt aus: Das Interview, das Harry und Meghan der US-Moderatorin Oprah Winfrey gaben, sorgte zunächst für Entrüstung. Inzwischen ist es unter den Themen der englischen Regenbogenpresse schon wieder unter „ferner liefen“.

Das Königshaus wankt nicht es sitzt aus: Das Interview, das Harry und Meghan der US-Moderatorin Oprah Winfrey gaben, sorgte zunächst für Entrüstung. Inzwischen ist es unter den Themen der englischen Regenbogenpresse schon wieder unter „ferner liefen“.

London. Es war an einem Samstag vor einer gefühlten Ewigkeit, als ein gigantisches Spektakel die royale Welt ergriff und Tausende von Menschen ins hübsche Städtchen Windsor pilgerten, um zu feiern, wie Meghan Markle und Prinz Harry sich ewige Liebe versprachen. An diesem 19. Mai 2018 – sogar die Sonne schien trotz englischen Frühlings – sollte ein neuer Stil im altehrwürdigen Adelshaus Großbritanniens einziehen.

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Die Briten freuten sich über das Happy End für Sorgenkind Harry

Was nicht nur daran abzulesen war, dass sich die beiden unaufhörlich berührten, eine – Hunde und Pferde ausgenommen – höchst unenglische Eigenart. Es lag vor allem in der Natur des Bündnisses begründet. Harry, zwar auf Platz sechs der Thronfolge stehend und damit gewissermaßen am unteren Ende der Nahrungskette, erlebte endlich sein Happy End. Die Nation, die das Sorgenkind ins Herz geschlossen hatte, seit es mit gesenktem Haupt und geballten Fäusten hinter dem Sarg der verstorbenen Prinzessin Diana herlief, verfolgte, wie er nun Meghan ehelichte, die Tochter einer Afroamerikanerin und eines weißen Vaters, ehemals Schauspielerin, geschiedene US-Aktivistin und starke Persönlichkeit.

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Da säumten am Tag der Vermählung also etliche US-Amerikaner die Straßen. Sie schwärmten von einem Märchen und wedelten ausnahmsweise mit Union-Jack-Flaggen, weil Meghan nun das geschafft habe, wovon „alle Mädchen in den USA träumen: Prinzessin werden“. So fasste es eine Touristin zusammen und schob ein bewunderndes „amazing“ nach.

Wie die Dame aus Chicago hatten sich zahlreiche Besucher aus Meghans Heimat für den freudigen Anlass ein Hütchen auf den Kopf gesetzt – das macht man so in England. Hach, die Folklore, seufzten sie beseelt. Da gingen die alten Upper-Class-Traditionen, die Dresscodes und die Pflicht zum züchtigen Auftreten, die antiquierten Regeln und die Etikette am Hof noch als schrullig liebenswert durch. Meghan würde es schon richten im verstaubten Königshaus. Das Powerpaar sollte nichts weniger als die Monarchie modernisieren.

Harrys und Meghans Enthüllungen sorgten weltweit für Aufregung

Keine drei Jahre später erlebte die Welt das nächste Spektakel, nur wedelten jetzt keine Fans mehr mit Fähnchen. Zahlreiche US-Amerikaner schimpfen vielmehr über das anachronistische System auf der Insel nach dem „Bombshell“-Interview, wie die Briten so schön sagen, des Herzogs und der Herzogin von Sussex. „Nieder mit der britischen Monarchie“, forderte gar ein Kommentator in der „New York Times“.

Tatsächlich sorgten die Enthüllungen für weltweite Aufregung. Die beiden klagten über fehlende Unterstützung trotz psychischer Probleme und Suizidgedanken bei Meghan, über Falschnachrichten, die sogar vom Palast befeuert worden sein sollen, über das Gefühl des Gefangenseins im goldenen Käfig, über die schonungslose Boulevardpresse – und am schlimmsten: Sie warfen den Royals Rassismus vor.

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Denn ein Mitglied der Familie habe in Gesprächen mit Harry Bedenken über die Hautfarbe seines zu diesem Zeitpunkt noch ungeborenen Sohnes geäußert. Den Namen nannten die Sussexes nicht, nun steht die gesamte Sippschaft – ausgeschlossen Königin Elizabeth II. und Prinz Philip – unter Generalverdacht.

Frontalangriff auf das britische Volk

Vielleicht hätte man das alles kommen sehen müssen. Andrew Morton, berühmt und berüchtigt wegen seiner Biografie über Lady Diana und deren Ehe mit Prinz Charles beziehungsweise deren Anfang vom Ende, hatte pünktlich zum medialen Hochzeitszirkus 2018 ein Buch über die Prinzenbraut veröffentlicht, laut dem zu Meghans Vorfahren der legendäre Schottenkönig Robert the Bruce gehören soll. Der – oh, Dear! – im Jahre 1314 die englische Armee besiegte und im aufmüpfigen, abspaltungswilligen Norden der Insel bis heute Heldenstatus genießt – aufgrund des Kampfs um die Unabhängigkeit von der englischen Krone. So scheint sich der Kreis zu schließen.

Die königliche Familie diene als Symbol für die Nation, sagte Morton im Gespräch. Im Umkehrschluss bedeutet das: Harry und Meghan unternahmen mit ihrer Abrechnung auch einen Frontalangriff auf das britische Volk. Wahlweise „beschädigend“ oder „vernichtend“ nannten Beobachter wie Politiker die Enthüllungen für sowohl die Windsors als auch die Reputation des Landes. Die Anschuldigungen, so war man sich zu Beginn der Woche sicher, haben die königliche Familie in eine tiefe Krise gestürzt. Aber stimmt das?

Die Queen war betroffen – Zurück zur Tagesordnung

Der Palast reagierte zunächst, wie er immer reagiert: Er schwieg. Erst 40 Stunden nach der Ausstrahlung des Interviews gab er dem öffentlichen Druck mit einem kurzen Statement nach. In 61 behutsam gewählten Wörtern versuchte sich die Queen an Deeskalation, zeigte sich betroffen, ohne aber die Vorwürfe anzuerkennen. Ansonsten: Private Angelegenheit, thanks, und nun zurück zur Tagesordnung, die im Auftrag der Krone steht.

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So stattete Prinz Charles, heftig attackiert von seinem Sohn, am Dienstag einem Impfzentrum eine Visite ab, gratulierte den Gewinnern der Prince‘s Trust Awards. Prinz William, Bruder von Harry, besuchte am Donnerstag eine Londoner Schule. „Wir sind keine rassistische Familie“, sagte der Herzog von Cambridge bei dieser Gelegenheit, als sei die Sache damit erledigt. Unter Umständen ist sie das. Es fällt zudem auf, wie bei der derzeitigen Termintreue der Familie auch die Botschaft mitschwingt: Seht her, wir kommen unseren Pflichten als arbeitende Royals nach.

Um zu verstehen, wie das Königshaus mit dem jüngsten Skandal umgeht, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. Da hatten sich die Stürme in der Regel nach einiger Zeit wieder aus dem zugigen Buckingham-Palast verzogen. Was wurde nicht alles geschrieben im Jahr 1995 nach Dianas legendärem BBC-Interview mit Martin Bashir? Der gemeine Sofa-Royal erinnert sich an den berühmten Satz in Anspielung auf Charles‘ langjährige Geliebte Camilla Parker Bowles: „Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe – es war also ein bisschen überfüllt.“

Parallelen zu Dianas spektakulärem Interview

Nachdem Diana vor der Welt ihr Herz ausgeschüttet und über die Eheprobleme zwischen ihr und Prinz Charles geklagt hatte, über seine Eignung als Thronfolger, über Affären, inklusive ihrer eigenen, über ihre Bulimie und überhaupt alles, folgten Scheidung, Drama und noch mehr Dramen. Es kam zum endgültigen Bruch zwischen Diana und der Königsfamilie, die sich damals in Schweigen hüllte.

„Meine größte Sorge ist, dass sich die Geschichte wiederholt“, sagte Harry jetzt zur US-Talkmasterin Oprah Winfrey, und für einige Zuschauer mag die Äußerung eine gewisse Ironie getragen haben, da sich just in diesem Moment die Geschichte wiederholte. Die Parallelen zum spektakulären Interview seiner Mutter sind kaum zufällig. Diana wie auch die Sussexes beschrieben die „Firma“ als gefühlskalte Institution, von der sie sich im Stich gelassen fühlten, die sie unter anderem aus Neid regelrecht sabotiert hätte. „Ich befürchte, dass Harry es eines Tages bereuen wird, genau wie Diana“, sagte die Autorin Penny Junor.

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Bis auf seltene Ausnahmen wie etwa jetzt, meldet sich die andere Seite, die Institution, im royalen Zirkus meist nicht zu Wort. Könnte man sich vorstellen, wie Prinz William als künftiger König über seine Schwägerin herzieht oder Charles als Thronfolger über seine Ex-Frau? Kann man nicht. Die Königsfamilie fuhr mit dem Motto „Never complain, never explain“ („Sich nie beschweren, sich nie erklären“) meist besser. Es handelt sich um eine Regel, die von der Mutter der Königin eingeführt wurde.

Queen Mum war die royale Oberkrisenexpertin

Queen Mum, wie sie im Volksmund hieß, könnte man als royale Oberkrisenexpertin bezeichnen. Sie musste mit ansehen, wie König Edward VIII. nach nur 326 Tagen auf dem Thron aus Liebe zur geschiedenen US-Schauspielerin Wallis Simpson abdankte. Und damit ihr Mann 1936 zu König George VI. gekrönt wurde. Die Bürde der Krone zu tragen stellte eine persönliche Katastrophe für ihn dar – und damit wohl auch für seine Gemahlin, die sich aber Zeit ihres Lebens an ihre verordnete Sich-nie-beschweren-sich-nie-erklären-Strategie hielt, die auch für den Rest der Familie galt.

So überstand das Königshaus in den 1970er Jahren nicht nur die Scheidung von Prinzessin Margaret, der Schwester der Queen, von ihrem Mann, was die erste Scheidung im Kreis der Royals seit Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert bedeutete, sondern auch die verstörende Vorstellung von Prinz Charles, der sich laut heimlicher Mitschnitte danach sehnte, Camillas Tampon zu sein.

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Wer den Grundsatz in der Vergangenheit missachtet hat, wie etwa Problem-Prinz Andrew, löste meist ein PR-Desaster aus. Der Lieblingssohn der Queen hatte seine Statistenrolle auf dem Palastbalkon wie auch all seine Privilegien und öffentlichen Ämter verloren, nachdem er Ende 2019 seine Sicht der Dinge im Missbrauchsskandal um den inzwischen toten verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein geschildert hatte. Mit diesem blieb er befreundet, auch nachdem Epstein bereits verurteilt war. Dem Prinzen selbst wird vorgeworfen, eine damals 17-Jährige zum Sex gezwungen zu haben. Man möchte annehmen, dass dies viel Stoff für schonungslose Schlagzeilen in den bunten Blättern hergeben würde und wackelnde Palastmauern auslösen könnte. Aber es ist ruhig geworden um den untergetauchten Andrew. Die Familie äußert sich nicht dazu, siehe Kapitel royale Krisenbewältigung.

Nur nach Dianas Tod nahm das Volk die royale Distanziertheit übel

Nur einmal, nach dem Tod von Prinzessin Diana, rächte sich das Schweigen und die fehlende Anteilnahme. Das Volk erlebte in jener schicksalshaften Woche nach dem Unfall eine kaltherzige Familie. Als unnahbar, steif und arrogant wurde die Queen beschimpft, bis sie denn endlich auf ihre trauernden Untertanen zuging. Jeder vierte Brite befürwortete damals die Abschaffung der Monarchie. Paradoxerweise sorgte diese Krise dafür, dass die Royals wenige Jahre später so beliebt dastanden wie selten zuvor. Sie lernten aus den Fehlern, fuhren eine Weile eine modernisierte PR-Strategie, reparierten den Imageschaden und ließen Glanz und Pomp wieder erstrahlen.

Kratzen Harry und Meghans Vorwürfe nun nicht nur am schönen Schein, sondern bringen gar das Königshaus ins Wanken wie das einst angeblich König Edward VIII., Diana und Andrew getan haben sollen? Die Realität ist: Laut Umfragen steht die Mehrheit der Briten weiterhin hinter der Queen, nur im jüngeren Bevölkerungsteil zählen sich mehr Menschen zum „Team Meghan“, das eine Aufarbeitung der Rassismusvorwürfe fordert.

Die Regenbogenpresse ist längst bei anderen Themen

Die Fans der Sussexes dürften enttäuscht werden. „Die Monarchie hat die Tumulte des letzten Jahrhunderts in großen Teilen deshalb überlebt, weil sie sorgfältig vermieden hat, mit politischen und kulturellen Idealen in Verbindung gebracht zu werden“, schrieb die Zeitung „The Times“. Und die Regenbogenpresse hat den Skandal bereits auf die hinteren Seiten verbannt, die aktuellen Nachrichten kreisen vielmehr um den Impffortschritt, den Mord an einer Londonerin, solche Dinge. Während die Royals den Skandal aussitzen, scheint der Zirkus schon wieder weitergezogen – wie immer, möchte man hinzufügen.

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