Informatikerin, Stiftungsgründerin, Mutter: Das ist Melinda Gates
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/NEVH2CG6LBGR5CXEOKD7HYU5H4.jpg)
Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad: Melinda Gates.
© Quelle: picture alliance/AP Photo
Der Name Gates ist seit Jahrzehnten ganz klar mit einem Vornamen verbunden: Bill. Bill, der Informatiker. Bill, der Microsoft-Chef, der Philanthrop, der Multimilliardär. Doch hinter diesem erfolgreichen Mann steht seit knapp drei Jahrzehnten eine ebenso starke Frau, die nun nicht nur durch die angekündigte Scheidung in den Fokus der Öffentlichkeit rückt: Melinda Gates.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) beschrieb sie in einem Porträt vor 15 Jahren noch „nur“ als Ehefrau des Microsoft-Gründers Bill Gates. Dabei war Melinda Gates damals schon eine der mächtigsten Frauen der Welt – über die man einfach nur nicht viel wusste. Gates trat selten öffentlich auf, kümmerte sich um die drei gemeinsamen Kinder und arbeitete zu Hause. Erst mit Gründung der Bill and Melinda Gates Foundation rückte sie etwas mehr in den Fokus der Öffentlichkeit – noch heute gilt sie laut Forbes als die fünftmächtigste Frau der Welt.
Melinda Gates musste sich früh gegen Männer in der Techbranche durchsetzen
Aufgewachsen ist Melinda Ann Gates, geborene French, in Texas als Tochter eines Ingenieurs und einer Hausfrau mit einer älteren Schwester und zwei jüngeren Brüdern. Schon mit 14 Jahren, also Ende der Siebziger, besaß sie einen Computer. Bei ihrem Highschoolabschluss war sie Klassenbeste. Schon damals zeigte sie, wie wichtig es ihr ist, beim eigenen Erfolg an andere zu denken. „Wenn du Erfolg hast, dann nur, weil irgendwo irgendwann irgendeiner dich auf den Weg gebracht hat. Dein Leben lebst du in der Schuld, Menschen zu helfen, die dieses Glück nicht hatten“, zitiert das „SZ Magazin“ aus ihrer Abschlussrede.
Sie machte als eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne 1986 ihren Bachelorabschluss in Informatik an der renommierten Duke University in North Carolina. Während Jungs noch tuschelten, schrieb ein Professor Erzählungen nach ihre Lösung nach einem Test an die Tafel, weil die besser war als seine eigenen. Nach ihrem Masterabschluss in Wirtschaft hatte sie die Wahl zwischen dem Riesen IBM und dem Newcomer Microsoft. Doch schon beim ersten Job gab es einen Unterschied zwischen ihr und ihren männlichen Kommilitonen. „Es macht einen Riesenunterschied, ob du Junge oder Mädchen bist. Damals und heute. Es macht mich wirklich wütend, dass wir nicht gleich behandelt werden“, zitierte das „SZ Magazin“ Gates 2015. Sie entschied sich für Microsoft, das junge Unternehmen ohne festgefahrene Strukturen. Sie wurde Projektmanagerin – einfach, weil sie gut war.
Melinda Gates: „Ich muss keinen Bill Gates heiraten“
„Ich wurde damit ganz allein eine sehr wohlhabende Frau. Selbst wenn ich Bill nicht geheiratet hätte, wäre ich Millionärin. Sehr jung bin ich es geworden, bevor ich 26 Jahre alt war. Ich wusste, ich schaffe es allein. Ich muss keinen Bill Gates heiraten“, sagt Melinda Gates in ihrem Interview. Und doch heiratete sie ihn nach sieben Jahren Beziehung – an ihrem Mädchennamen French hielt sie erst mal weiter fest. Für sie war klar: „Ich wollte nicht einfach nur die Frau von Bill Gates sein.“ Sie haderte mit der neuen Rolle, die ihr zugeschrieben wurde: „Mein Leben änderte sich also, aber ich bewahrte meinen Mädchennamen. Meine E-Mail ist immer noch Melinda French, ich habe sie behalten, weil ich meine eigene Identität haben wollte.“
Bei Microsoft leitete sie ein Team von 300 Leuten. Wir verdanken ihr und ihrem Team diese manchmal lustige, manchmal nervige, aber definitiv legendäre Büroklammer Clippy, die bei Microsoft Word als Avatar ihre Hilfe aufgedrängt hat. Sie war als eine der ersten Mitarbeiterinnen ein fester Bestandteil des Unternehmens – bis ihre erste Tochter Jennifer 1996 auf die Welt kam. Das Leben, das sich durch die Geburt der drei Kinder vor allem änderte, war das von Melinda Gates – nicht das von Bill.
Carearbeit und die Last der Frauen
In ihrem Buch „The Moment of Lift: How Empowering Women Changes the World“ (2019) schreibt die heute 56-Jährige über die geringe Anerkennung der sogenannten Carearbeit, die weltweit vor allem Frauen leisten. Dass Carearbeit, wenn sie von Ökonomen in die Wirtschaftsleistung eingerechnet würde, der weltweit größte Wirtschaftssektor wäre. „Eine Frau verbringt einen ganzen Tag bei der Arbeit. Wenn sie ihre bezahlte Arbeit beendet, hilft sie den Kindern bei den Hausaufgaben, saugt das Wohnzimmer ab, macht die Wäsche, kocht das Abendessen und bringt die Kinder ins Bett – Stunden und Stunden der Arbeit, die völlig unbemerkt und ungezählt bleiben“, beschreibt sie den Alltag vieler Frauen. Sie geht auf Basis der von ihr beauftragten Wissenschaftler der Frage nach, warum vor allem Frauen sich um Haushalt und Kinder kümmern, warum sich ihr Leben nach der Geburt eines Kindes häufiger ändert als das der Männer.
Sie veranschaulicht die Hintergründe zu ihren Fragen mit ihrer eigenen Geschichte. Bill habe die Kinder trotz seiner aufwendigen Arbeit zur Schule gebracht. Sie hatte Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Und doch gab es viele Situationen wie folgende: „Nach dem Abendessen war ich wieder die Letzte in der Küche, die für uns fünf aufräumte, und spontan erklärte ich: ‚Niemand verlässt die Küche, bis Mama die Küche verlässt.‘ Es steht nirgends in der Jobbeschreibung einer Mutter, dass sie aufräumen muss, während die anderen nach dem Essen ihre Sachen machen.“
Entwicklungshilfe als Managementaufgabe
Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, das soll ihre Idee gewesen sein – schon während der Flitterwochen 1994. Sie schien mehr das große Bild im Blick zu haben. Melinda soll auch den Anstoß dazu gegeben haben, dass sich Bill Gates aus dem Microsoft-Geschäft herausgenommen hat,, um sich stärker der Stiftung zu widmen. Plötzlich war er nicht mehr ihr Chef, sondern beide waren gleichberechtigte Partner im Arbeitsleben. Sie setzt bis heute ihre eigenen Akzente in der Stiftung: Gleichberechtigung, Polioimpfungen, die Anerkennung von Carearbeit. Sie war „Person des Jahres“ 2005 der Zeitschrift „Time“, gemeinsam mit zwei Männern: ihrem eigenen – und Bono von U2.
Die Stiftung gibt nicht einfach Geld: Eine Spende ist mit klar formulierten Zielen verbunden. Entwicklungsarbeit ist Managementarbeit, heißt es. Sie unterstützt Ernährungsprogramme, Landwirtschaftsprogramme und Impfungen, damit dadurch die Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern reduziert wird. Wohl genau deshalb beschreiben Weggenossen Melinda Gates als zielstrebig und zielorientiert. Doch gibt es auch Kritik an der Stiftung, speziell an der Auswahl der unterstützten Projekte und Firmen: So fließt beispielsweise auch Geld an Pharmaunternehmen oder Techfirmen wie Amazon und Google, die gewinnorientiert und nicht wohltätig arbeiten.
Melinda Gates will die Gesellschaft verändern
Der gemeinsame Weg mit Bill Gates ist vorbei. Sie würden weiter zusammenarbeiten, aber kein Paar mehr sein, gaben die beiden bekannt. Melinda Gates aber wird weiter ihren eigenen Weg gehen. Sie brauchte Bill Gates nicht, um Karriere zu machen. Die 56-Jährige hat ihre Aufgabe gefunden: Sie will die Gesellschaft verändern.
„Die Gesellschaft kann nicht verändert werden, ohne dass die Hürden, die Frauen zurückhalten, abgebaut werden“, schrieb die Managerin erst vor Kurzem bei Twitter. Dort heißt sie übrigens Melinda French Gates. Ihren Geburtsnamen führt sie noch immer.