Coronavirus für Kinder „absolut harmlos“: Til Schweiger sorgt mit Äußerungen für Kritik
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Der Schauspieler und Filmemacher Til Schweiger ist in einem Dokumentarfilm zu sehen, der Corona-Maßnahmen kritisiert (Archivfoto).
© Quelle: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/
Der Schauspieler Til Schweiger steht mit Aussagen zu Impfungen für Kinder in der Kritik. Der 57-Jährige hatte sich in einem Trailer für einen Dokumentarfilm, der am Sonntag veröffentlicht wurde, kritisch gegenüber Impfungen gegen das Coronavirus sowie gegenüber den Lockdownmaßnahmen der Bundes- und Landesregierungen geäußert. „Die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber. Deswegen halte ich das für entsetzlich“, so Schweiger. Außerdem bezeichnete er das Virus als für Kinder „absolut harmlos“.
Auf Twitter trendete am Sonntag und Montag das Hashtag Schweiger. Viele Nutzerinnen und Nutzer diskutierten über das Video. So schreibt der Journalist Lorenz Meyer auf Twitter, dass der Schauspieler in seinem Selbstverständnis das eigene Wissen und Können überschätze. Der Physiker und Kolumnist Florian Aigner warnt, dass Filme über die Verharmlosung des Virus Menschenleben kosten würden. Der Grünen-Politiker und Filmproduzent Peter Heilrath nennt Schweiger einen „einfältigen Menschen“.
In der Kritik steht Schweiger deshalb, weil seine Meinungsäußerung nicht von bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt ist. Statistiken belegen zwar, dass Kinder infolge einer Coronavirus-Infektion deutlich seltener als Erwachsene schwer an Covid-19 erkranken. Aber es kann vorkommen. „Das Risiko, als Kind mit einer Covid-19-Erkrankung intensivpflichtig zu werden und zu versterben, ist sehr gering, zumindest in Deutschland“, sagt Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig im Gespräch mit dem Science Media Center (SMC). Die Daten zeigten, dass das bislang ein bis drei Kinder pro 100.000 treffe, was ein deutlich niedrigeres Risiko als bei den Erwachsenen sei. „Aber es könnte schon sein, dass der Anteil der Kinder, die versterben, im zwei- bis dreistelligen Bereich liegt, wenn sich ganz viele infizieren“, sagt die Ärztin und Epidemiologin mit Blick auf mögliche Entwicklungen in der vierten Welle.
Long-Covid-Folgen bei Kindern noch unklar
Das Virus ist laut Experten auch nicht für alle Kinder gleichermaßen „harmlos“, wie Schweiger suggeriert. „Chronische Erkrankungen führen auch bei Kindern häufiger zu einem schwerem Covid-19-Verlauf“, sagt Prof. Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin gegenüber dem Science Media Center (SMC). Risikofaktoren seien beispielsweise Adipositas und insbesondere Vorerkrankungen, die mehrere Organsysteme gleichzeitig betreffen, wie Trisomie 21.
Die Aussage der Filmemachenden blendet zudem aus, dass Kinder nach einer Coronavirus-Infektion das Krankheitsbild Long Covid treffen könnte, was unter anderem kognitive Einschränkungen, Fatigue, Muskel- und Gelenkschmerzen mit sich bringt. „Wir wissen eigentlich gar nicht genau, was bei Kindern nach einer mild verlaufenen Coronavirus-Infektion im Körper passiert und wie hoch das Risiko für Long Covid ist“, sagt dazu die Lungenfachärztin Jördis Frommhold, die an der Median Klinik in Heiligendamm bereits mehr als 2000 Long-Covid-Patientinnen und -Patienten betreut hat, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es ist noch nicht klar, wie weitreichend das ist und welche gesundheitlichen Folgen Long Covid bei Kindern auslöst.“
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Impfstoff wurde für Kinder und Jugendliche erforscht
Auch Schweigers Aussage, dass die Impfstoffe für Kinder und Jugendliche nicht erforscht seien, ist falsch. Allein in den USA wurden bei nahezu zehn Millionen geimpften Kindern und Jugendlichen mögliche Risiken in einer Studie beurteilt. Sowohl die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sowie auch die für Deutschland zuständige Ständige Impfkommission (Stiko) haben diese Daten geprüft.
„Nach sorgfältiger Bewertung dieser neuen wissenschaftlichen Beobachtungen und Daten kommt die Stiko zu der Einschätzung, dass nach gegenwärtigem Wissenstand die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen“, heißt es in der aktuellen Impfempfehlung für Zwölf- bis 17-Jährige des Gremiums vom 16. August. Für jüngere Kinder fehlen bislang noch Daten – weswegen es für diese Altersgruppe auch keine Zulassung gibt. Aber es laufen bereits Studien der Impfstoffhersteller. Sind diese abgeschlossen, werden auch diese Daten vor einer Zulassung von EMA und Stiko geprüft.
In einer Beschreibung zum Film argumentieren die Filmemacherin und der Filmemacher, dass Kinder und Jugendliche weltweit einem enormen Impfdruck ausgesetzt seien. Die Stiko spricht sich jedoch „ausdrücklich dagegen aus, dass bei Kindern und Jugendlichen eine Impfung zur Voraussetzung sozialer Teilhabe gemacht wird“, wie es in der aktuellen Impfempfehlung heißt. Die Empfehlung ziele in erster Linie auf den direkten Schutz der geimpften Kinder und Jugendlichen vor Covid-19 ab.
Schauspieler von #allesdichtmachen bei Doku dabei
Bei dem Film „Eine andere Freiheit“, für den der Trailer wirbt, handelt es sich um eine Produktion von der Filmemacherin Patricia Josefine Marchart und dem Kameramann Georg Sabransky, die offenbar mit der Produktion, ebenso wie mit dem Vorgänger „Lockdown Kinderrechte“, gegen Corona-Maßnahmen insbesondere im Fokus auf Kinder demonstrieren möchten. Marchart zeigte ihren Dokumentarfilm „Lockdown Kinderrechte“ bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen im April. Sabransky engagiert sich im österreichischen „Corona Volksbegehren“. Dahinter verbirgt sich die „Initiative für evidenzbasierte Corona-Information“ (ICI), die Abstandsregeln sowie Alltagsmasken kritisiert, obwohl Mund-Nasen-Bedeckungen, Abstandsregeln und Impfungen als wirksames Mittel gegen eine Ansteckung mit Sars-Cov-2 wissenschaftlich anerkannt sind.
Aus dem Trailer geht nicht hervor, wann Schweiger diese Aussagen gemacht hat – und auch nicht, was er über die Ausschnitte hinaus noch gesagt hat. Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) möchte sich Til Schweiger nicht zu seiner Teilnahme beim Film äußern. Doch ist es nicht das erste Mal, dass er mit einer Nähe zu „Querdenker“-Akteuren auffällt. Im Juni postete der Schauspieler ein Bild mit dem Blogger Reitschuster – dieser machte auf seinen Kanälen zu der Zeit bereits gegen das Impfen von Kindern mobil.
Personen aus Kunst und Kultur, die bereits bei der Aktion #allesdichtmachen im Frühjahr Corona-Maßnahmen kritisiert haben, finden sich ebenfalls auf der Teilnehmerliste des offenbar spendenfinanzierten Dokumentarfilms. So auch der damalige Initiator Dietrich Brüggemann. Aber auch die drei Schauspielerinnen Miriam Stein, Nina Proll und Christina Sommer äußern sich im Film – und haben ihre Videos von #allesdichtmachen auch nach Kritik aus der Öffentlichkeit nicht zurückgezogen.
Teilnehmender Arzt trat bei Corona-Demo auf
Auch kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ärztinnen und Ärzte zu Wort, so auch Gynäkologe Christian Fiala, der ebenfalls als Mitglied von ICI das „Corona Volksbegehren“ in Österreich vorantreibt. Darin unter anderem fordern die Mitglieder die Rücknahme sämtlicher Corona-Maßnahmen, Entschädigungen und eine Veröffentlichung sämtlicher Experten und ihrer Gutachten, die von der österreichischen Regierung beauftragt wurden.
Laut Aussagen von Marchart und Sabransky auf der Webseite des Films, ist „Eine andere Freiheit“ ohne öffentliche Förderung entstanden, sondern auf Basis von Spenden.