Hillary Clinton: „Donald Trump sagt jeden Tag zehn dumme Dinge“

Hillary Clinton am Mittwoch bei der Berlinale in Berlin.

Hillary Clinton am Mittwoch bei der Berlinale in Berlin.

Berlin. Mrs. Clinton, wieso braucht die Welt einen vierstündigen Film über ihre politische Karriere?

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Ursprünglich wollten wir einen Film über den Präsidentschaftswahlkampf 2016 machen. Viele Monate verbrachte Regisseurin Nanette Burstein damit, das Material zu sichten. Schließlich kam sie mit der Idee zu dieser Doku-Serie zurück. Ihre Überlegung: Man könne an meinem Beispiel die feministische Bewegung in den USA der vergangenen 50 Jahre abbilden.

Ursprünglich wollten Sie also ein Happy End inszenieren – Ihren Einzug ins Weiße Haus?

Das hätten wir sehr begrüßt. Aber Nanette Burstein sah eben dieses größere Bild. Mir hat die Idee gefallen: Alles, was die Geschichte der Frauenbewegung in eine größere Perspektive rückt, schien mir alle Anstrengungen wert zu sein. Außerdem hoffte ich, nebenbei auch manche verrückte Verschwörungstheorie über mich aus dem Weg räumen zu können.

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Wie viel Zeit haben Sie sich für dieses Projekt genommen?

Nanette hat mich 35 Stunden über sieben Tage interviewt, eine ziemlich erschöpfende Angelegenheit. Mir schien es wichtig, nicht nur über positive Dinge zu sprechen. Sonst wäre die Sache schnell lächerlich geworden.

Sie haben wirklich wenig ausgespart: Auch Ihr Mann Bill Clinton blickt auf seine Affäre mit der Praktikantin Monika Lewinsky zurück. Aber das ist die Vergangenheit: Was können junge Frauen aus diesen vier Dokustunden mitnehmen?

Zum Beispiel dies: Glaubt bitte nicht, dass Eure Rechte ohne jede Anstrengung gesichert sind. Ruht Euch keinen Moment auf der Überzeugung aus, dass gesellschaftliche Fortschritte ungefährdet sind. Und macht Euch bemerkbar!

Warum ist das gerade jetzt so wichtig?

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Wir sind an einem Punkt in der Geschichte angekommen, wo vieles gefährdet ist: Frauenrechte, Schwulenrechte, auch die religiöse Freiheit – das sind alles Dinge, an die ich mein Leben lang geglaubt habe und für die ich gestritten habe. Wer diese vier Stunden sieht, bekommt vielleicht einen Eindruck von einem viel größeren Kampf.

Im Film holt Donald Trump immer wieder mal zu Beleidigungen auch gegen Sie aus: Wie kommt ein Präsident damit davon, jeden Tag zehn dumme Dinge zu sagen?

Genau deshalb: Weil er jeden Tag zehn dumme Dinge sagt. Da steckt eine meisterliche Ablenkungsstrategie hinter. Wenn er mal wieder einen Rockstar beleidigt oder irgendeinen politischen Kontrahenten, können sich die Leute irgendwann an nichts anderes wichtigeres mehr erinnern. Dann haben sie schon wieder vergessen, dass sich die Russen in die Wahlen einmischen.

Und das funktioniert immer und immer wieder?

Die sozialen Medien sind wie dafür gemacht. Es geht hier um Empörung pro Minute – also nicht pro Tag oder pro Woche. Manche Leute lieben diese Beleidigungen – und alle anderen stehen wie von Faustschlägen betäubt da. Wie soll man da noch mitkommen? Wie soll man wissen, was wichtig und was unwichtig ist?

Sehen Sie eine Möglichkeit, den Ungeist in die Flasche zurückzudrängen?

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Wenn ich darauf eine Antwort wüsste. Ich denke jedenfalls viel darüber nach. Eines ist sicher: Wir müssen die Plattformen regulieren. Als das Internet in den Neunzigern populär wurde, schienen behördliche Regulierungen nicht notwendig zu sein. Es ging einfach darum, sich auszutauschen.

Und heute …

… ist Facebook nicht nur in den USA die wichtigste Plattform. Die Hälfte aller Amerikaner bezieht ihre Informationen von Facebook. Mark Zuckerberg sagt, grundsätzlich wolle er nichts zensieren. Aber wenn jemand politische Fehlinformationen verbreitet, wie es Trump tausendfach tut: Wie soll jemand da zu einer eigenen, begründeten Meinung kommen? Alles, was es vielleicht nicht in die anderen Medien schafft, kommt über Facebook in die Welt.

Also was tun?

Auch bei Facebook müssen bestimmte journalistische Mindeststandards erfüllt werden. Momentan sagen die Menschen noch über den größten Schwachsinn: Aber das stand doch im Internet. Sie glauben nicht, wie viele verrückte Geschichten ich während meines Wahlkampfs über mich gelesen habe. Die Menschen werden mit Desinformationen überflutet – und dann kann es passieren, dass sie 2012 für Obama stimmen und 2016 plötzlich für Trump.

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Was genau ist da passiert?

Die Ohio State University hat Befragungen angestellt. Die entscheidende Erkenntnis war: Die Menschen vertrauten allein dem Internet. Zum Beispiel, dass Papst Franziskus Trump unterstützen würde. Darüber gab es eine Facebook-Falschinformation, die aus Mazedonien, St. Petersburg, der Ukraine oder woher auch immer stammte. Ein perfekt Englisch sprechender Mann stand in einem Studio und behauptete es einfach. Diese Falschmeldung wurde so oft geteilt, dass sie quasi wahr sein musste.

Welche Storys sind über Sie persönlich verbreitet worden?

Zum Beispiel, dass ich im Sterben liege – besonders nachdem ich einen winzigen Schwächeanfall gehabt hatte. Die Geschichte wurde gendermäßig ausgeschlachtet. Das ging in die Richtung, dass Frauen nicht stark genug fürs Präsidentenamt seien. Auf sie sei kein Verlass, sie seien zu emotional, all dieses Zeugs.

Wie wäre ein Schwächeanfall bei einem Mann beurteilt worden?

Nun ja, kürzlich hatten wir einen Präsidentschaftskandidaten, der einen ernsthaften Herzanfall hatte: Bernie Sanders musste sich für eine Woche ins Krankenhaus begeben. Wäre Ähnliches Elizabeth Warren passiert, wäre die Geschichte garantiert immer wieder hochgekocht worden. Bei Sanders ging die Aufregung ziemlich schnell vorüber.

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Bernie Sanders haben Sie wirklich gefressen. Was tun Sie, wenn er der nächste demokratische Präsidentschaftskandidat wird?

Sollte er nominiert werden, dann werde ich ihn unterstützen. Jeder Demokrat ist besser als Donald Trump. Denn dieser Mann ist eine aktuelle Gefahr. Als ich 2008 weniger Delegierte hinter mir versammeln konnte als Barack Obama, bin ich aus dem Rennen ausgestiegen und habe ihn unterstützt. Als ich gegen Bernie Sanders uneinholbar in Führung ging, hat er mir nie den Respekt gezeigt, den ich Obama gegenüber an den Tag gelegt hatte. Allerdings glaube ich, dass es stärkere Kandidaten als Sanders gibt, um Trump zu schlagen. Wir werden sehen.

Nicht nur in Ihrem Land, auch in Europa ist der Rechtspopulismus auf dem Vormarsch: Wird dieser Spuk vorübergehen?

Generell bin ich eine Optimistin. Ich glaube, dass das die bessere Lebenshaltung ist. Aber ich bin beunruhigt über den Aufstieg fremdenfeindlicher, nationalistischer, extremistischer, populistischer Bewegungen. Ich bin besorgt über das Beispiel, das Trump gegeben hat, wie man die Medien in all ihren Formen nutzt, um Diskussionen zu dominieren. Er füttert die Verunsicherung, die Vorurteile und die Ängste der Menschen. So gerät die Demokratie in Gefahr.

Ein Beispiel, bitte!

Wir haben einen Grundstock an Freiheitsrechten, klar. Aber da gibt es noch andere Überlegungen nach dem Motto: Ich verdiene nicht genug Geld – die Zukunft meiner Kinder ist nicht gesichert – ich mag all die Menschen nicht, die in unser Land kommen und so ganz anders aussehen. Leute mit einfachen Antworten auf solche Verunsicherungen haben es leicht, eine politische Basis aufzubauen.

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Wo war Trump besonders erfolgreich?

Trump ist sehr früh gegen Ausländer zu Felde gezogen. Nicht unbedingt jeder hat sofort gesehen, dass das eine schlimme Sache ist. Es endete mit Kindern in Käfigen an den Grenzen unseres Landes. Es endete mit Grausamkeit um der Grausamkeit willen. Familien wurden getrennt. Dabei kann man eine sichere Grenze und zugleich ein humanes Einwanderungssystem haben. Aber Trump möchte dieses Problem am Köcheln halten, weil es Teil seiner Botschaft ist. In Europa haben sich inzwischen viele Länder dieser nationalistischen Ausgrenzungspolitik gegenüber Flüchtlingen angeschlossen.

Wie lässt sich solch einer negativen Politik begegnen?

Es ist hart, über die Lösung von Problemen zu reden, wenn die Leute an der Spitze wollen, dass die Menschen die ganze Zeit wütend und zornig sind. So kommt man nicht zu konstruktiven Gesprächen und Kompromissen – und darauf gründet Demokratie nun mal.

Hat Trump in seiner bisherigen Amtszeit aus Ihrer Sicht eine einzige gute Sache hinbekommen?

Darüber muss ich ein bisschen nachdenken. Aber sehen Sie: Selbst wenn es da etwas Positives geben sollte, hat er doch so viele negative Dinge getan.

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Das scheinen nicht alle Amerikaner so zu sehen.

Was ich besonders traurig finde ist, dass er auch für jene Menschen keine Hilfen hinbekommen hat, denen er das versprochen hatte. Zum Beispiel: Wir schaffen Obama Care ab, also die von Präsident Obama eingeführte Gesundheitsfürsorge, und stellen etwas anderes auf die Beine. Und was hat Trump getan? Er hat nie eine Alternative angeboten. Er nimmt die USA aus dem Klimavertrag, aber er hat keinerlei Strategie, was dann kommen soll. Er geht raus aus dem Iran-Abkommen, aber hat keinen Plan, wie er Teheran davon abhalten soll, Nuklearwaffen zu produzieren.

Hat Trump überhaupt ein Programm?

Was Trump tut, ist Regieren durch Tweets. Er ist einfach nur dagegen. Er zettelt Handelskriege an, aber wohin sollen diese führen? Also Sie sehen, mir fällt gerade nichts Positives über die Trump-Regierung ein. Wenn mir doch noch was in den Sinn kommt, melde ich mich bei Ihnen.

Wieso kommen Trump und Putin so gut miteinander klar?

Vermutlich ist Putin eine Art Vorbild für ihn. Putin hat viele mutige Journalisten in seinem Land ermordet oder ins Exil gezwungen. Er hat sich mit einer Oligarchie umgeben, die die russische Wirtschaft steuert – manche sagen sogar, er sei der reichste Mann der Welt. Keine Ahnung, ob das stimmt. Er ist eingedrungen in freie Nationen wie Georgien oder die Ukraine. Er hat meiner Ansicht nach bei der Unterstützung von Assad in Syrien Kriegsverbrechen begangen – was mindestens 400.000 Menschen das Leben gekostet hat und viele Millionen vertrieben hat. Trump bewundert diese Art von Führerschaft. Und wir wissen nicht, worüber die beiden reden.

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Wieso nicht?

Es gibt keine Aufzeichnungen. Wie kriegen wir raus, dass er mit Putin telefoniert hat? Wir lesen es in der staatlichen russischen Presse. Wenn die beiden sich treffen, gibt es niemanden, der die Begegnung dokumentiert. In meiner Zeit als Außenministerin war ich bei Hunderten von hochrangigen Treffen, und immer wurden Notizen gemacht – schon um sicherzugehen, dass man nicht aneinander vorbeigeredet hat. Trump ist eine autoritäre Persönlichkeit, und deshalb strebt er immer größere Macht im eigenen Land an.

Sie machen uns Angst.

Deshalb bin ich überzeugt, dass wir Trump bei der nächsten Wahl absetzen müssen. Wir können uns von dem Schaden erholen, den er in den vergangenen vier Jahren angerichtet hat. Aber es dürfte viel schwieriger werden, wenn er noch mal vier Jahre im Weißen Haus bekommt.

Zur Person

Eigentlich war der Weg ins Weiße Haus für sie bereits geebnet. Hillary Clinton kannte sich aus in der politischen Welt – schließlich war sie Außenministerin und als First Lady auch schon mit der Regierungszentrale in Washington vertraut. Außerdem trat sie gegen einen rüpelhaften Quereinsteiger an. Doch dieser Gegenkandidat namens Donald Trump schnappte Clinton das Präsidentenamt vor der Nase weg. Hillary Clinton kann auf eine lange politische Karriere zurückblicken. Im Januar 2001 wurde sie als Senatorin des Bundesstaats New York vereidigt, 2008 ging sie als demokratische Bewerberin ins Rennen um das Weiße Haus. Doch die Delegierten der Demokraten entschieden sich für Barack Obama. Nach der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2016 zog sie sich ins Privatleben zurück. Auf der Berlinale, auf der Clinton empfangen wurde wie ein Filmstar, stellte sie nun die Dokuserie „Hillary“ vor. Sie erzählt von Niederlagen und Siegen, bitteren Wahrheiten und Fehlern der heute 72-Jährigen und zeichnet Clintons politischen und persönlichen Werdegang nach. Zwei Tage nach der US-Premiere zeigt Sky alle vier Teile der Serie am 8. März ab 20.15 Uhr.

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