Masken in Bangladesch produziert: Vorwürfe gegen YouTuber Fynn Kliemann
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Musiker und Unternehmer Fynn Kliemann.
© Quelle: imago images/Future Image
Hannover. Fynn Kliemann ist ein Machertyp. Er schraubt und bohrt und bastelt. Mal auf seinem eigenen Hof, dem Kliemannsland – mal auf dem früheren Hausboot von Gunter Gabriel. Mit Heimwerkervideos auf Youtube wurde der 34-Jährige einst berühmt, heute ist er auch erfolgreicher Musiker. Und vor allem: erfolgreicher Unternehmer.
In seinem Onlineshop „Oderso“ verkauft Kliemann eigene Mode, darunter Hoodies, Jacken, Shorts und Caps. Alle Kleidungsstücke sind nach eigenen Angaben nachhaltig produziert, unter „fairen Arbeits- und Lebensbedingungen“ hergestellt und mit „möglichst kurzer Anreise innerhalb Europas“ – geliefert natürlich „CO₂-neutral bis zu dir nach Hause“. Kliemann hat ein Saubermannimage und engagiert sich für gute Zwecke – von seinen Fans wird er dafür gefeiert.
Bei einem seiner Geschäfte soll Kliemann es mit der Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit jedoch nicht ganz so genau genommen haben – das zumindest legen Recherchen des „ZDF Magazin Royale“ nahe.
Masken in Bangladesch und Vietnam produziert
In einem Video, das am Donnerstagabend auf dem Youtube-Kanal der ZDF-Sendung publiziert wurde, präsentiert Moderator Jan Böhmermann seinem Publikum die Ergebnisse. Kern der Vorwürfe ist Kliemanns Verkauf von Corona-Alltagsmasken, den der Unternehmer zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 zusammen mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck vom Unternehmen Global Tactics vorangetrieben hatte.
Die Firma vom Niederrhein hat sich, ähnlich wie Kliemann, ebenfalls faire Mode auf die Fahne geschrieben. Die Textilkollektionen werden nach Angaben des Unternehmens in Produktionsstätten in Portugal und Serbien produziert.
Laut dem „ZDF Magazin Royal“ war das zumindest bei der Maskenproduktion aber nicht immer der Fall. Die Alltagsmasken seien im großen Stil auch in Bangladesch und Vietnam produziert worden, so das Ergebnis der Recherche. Insgesamt 2,3 Millionen Masken sollen das im Jahr 2020 gewesen sein. Die Sendung beruft sich auf interne Chats, Sprachnachrichten, E-Mails, Lieferscheine, Auftragsbestätigungen, Fotos, Videoaufnahmen und Anruflisten. Verkauft worden seien die Masken aber dennoch als „faire Masken aus Europa“.
Böhmermann und sein Recherche-Team werfen „Global Tactics“ vor, den wahren Ursprung der Masken gezielt verschleiert zu haben. So habe Kliemanns Geschäftspartner in einer E-Mail darauf gedrängt, die Versandkisten zu „neutralisieren“, um die tatsächliche Herkunft der Produkte unkenntlich zu machen. Kliemann sei über die Vorgänge informiert gewesen.
Geschäftspartner getäuscht
Laut „ZDF Magazin Royale“ soll auch die Shoppingplattform Aboutyou getäuscht worden sein, die Kliemanns Masken verkauft hatte. Dort waren die Masken noch bis zum Freitag online verfügbar, mit der Angabe „Herstellungsland Portugal“. Inzwischen sind entsprechende Links zum Produkt nicht mehr aufrufbar.
Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) erklärt das Unternehmen: „Das ZDF-Magazin-Royal-Video hat uns erreicht und ist uns bekannt. Aktuell prüfen wir den Fall intern, um uns ein genaues Bild über den Sachverhalt zu verschaffen. Im ersten Schritt haben wir daher die ‚Oderso‘-Masken offline genommen.“
Beim Verkauf der Masken und ihrer Produktionsweise hätten die beiden Unternehmer vor allem an den eigenen Profit gedacht, so der Vorwurf Böhmermanns. Das stehe in starken Kontrast zu dem, was Kliemann einst behauptet hatte. Dem „Weser-Kurier“ hatte der Unternehmer im April 2020 gesagt: „Es geht in dieser Krise nicht darum, Geld zu verdienen, sondern darum, möglichst vielen Menschen zu helfen, die gerade dringend Hilfe brauchen.“
Kliemann räumt Fehler ein
Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) räumt Kliemann Fehler ein. „Ich möchte mich in aller Form bei allen Personen, Organisationen, Institutionen entschuldigen, die nun ‚auf den ersten Blick‘ enttäuscht und geschockt sind“, heißt es in einer Stellungnahme. Gleichzeitig weist der Unternehmer die Vorwürfe des Betrugs jedoch von sich: „Ich nehme diese Vorwürfe sehr ernst. Für einige muss ich mich entschuldigen und andere muss ich dringend richtig stellen, da jene Betrugsvorwürfe einfach nicht stimmen.“
Global Tactics habe durchaus Masken in Bangladesch herstellen lassen, räumt Kliemann ein. Aber: „Ich habe diese Masken nie verkauft oder beworben. Ich habe ausschließlich über www.maskeoderso.de Masken angeboten und diese kamen zu 100 Prozent aus Portugal und Serbien. Überall wo bei ‚maskeoderso‘ Portugal und Serbien draufstand, war zu 100 Prozent auch Portugal und Serbien drin.“ Die in Bangladesch produzierten Masken seien vielmehr an Großabnehmer gegangen. Diese seien über die Herkunftsländer informiert worden, so auch Aboutyou. Auf Instagram dementierte das Unternehmen dies später: Man sei nicht darüber informiert worden, dass die Masken außerhalb Europas produziert worden seien.
Die zitierten E-Mails zum Umlabeln der Versandpakete bezeichnet Kliemann in seiner Stellungnahme als „schlimm“, die Formulierung stehe „zu recht in der Kritik“. „An dieser Stelle muss ich klar sagen, dass mir dieser Satz hätte auffallen müssen. Denn in der Mailkommunikation über die Vorgänge war ich teilweise in Kopie.“
Kliemann habe zu der Zeit etwa 500 Mails am Tag bekommen, so der Musiker weiter. „Ich muss mir klar eingestehen, dass ich den Prozess nicht mehr überblicken konnte. Das darf niemals passieren und somit übernehme ich, auch wenn ich weder Produzent noch Verkäufer war, eine Verantwortung. Durch diese Versäumnisse, mich mit diesen Prozessen nicht eingehend befasst zu haben, habe ich viele enttäuscht.“
Global Tactics räumt Vorwürfe ein
Auch das Unternehmen Global Tactics hat einige der Vorwürfe bereits eingeräumt. Gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) kündigte Kliemanns Geschäftspartner Tom Illbruck eine ausführliche Stellungnahme für den Nachtmittag an. „Vorab: Wir haben nie etwas anderes als Masken in Bangladesh gefertigt, sämtliche Textilien kommen aus Serbien und Portugal“, so Illbruck.
Zuvor hatte der Unternehmer bereits gegenüber dem „ZDF Magazin Royale“ eingeräumt, Masken „über einen deutschen Handelspartner“ auch in Bangladesch produziert zu haben. Er verweist laut der Sendung mit Blick auf die Produktionsbedingungen in Bangladesch auf gängige Branchensiegel: „Der deutsche Lieferant hat uns eine BSCI und Oekotex Zertifizierung seiner Fertigungsstätten dargelegt […].“
Was sagt Fynn Kliemann?
Kliemann hatte bereits am 1. Mai öffentlich in einem Instagram-Video auf eine Anfrage des „ZDF Magazin Royale“ geantwortet – mehrere Tage bevor die Sendung überhaupt ausgestrahlt worden war. Auf die Frage, an welchen Standorten die Masken produziert worden seien, antwortete Kliemann im Video: „Alle Masken, die ich [in meinem Shop] verkauft habe, die kamen alle aus Portugal und Serbien.“
In dem Video distanziert sich Kliemann auch immer wieder von seinem Geschäftspartner des Unternehmens Global Tactics, an dem er selbst eigenen Angaben zufolge seit 2021 mit 20 Prozent beteiligt ist. Er habe die Masken lediglich selbst als Kunde erworben und anschließend weiterverkauft, heißt es in dem Instagram-Video.