Christoph Waltz im Interview: Warum er fast nie Serien schaut – und wovor er Angst hat
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Der Schauspieler Christoph Waltz.
© Quelle: Getty Images for Prime Video
Christoph Waltz (66) ist der aktuell erfolgreichste deutschsprachige Schauspieler. Genau 30 Jahre nach seinem Durchbruch 1979 als Zwischenkriegsganove der ARD‑Serie „Parole Chicago“ machte Quentin Tarantino den Gast vieler Krimis mit „Inglorious Basterds“ zum Weltstar und Oscargewinner. Seither spielt Waltz fast nur noch international – wie in der Serie „The Consultant“, die ab sofort bei Amazon Prime zu sehen ist.
Haben Sie im früheren oder vielleicht sogar im späteren Leben öfter Videospiele gespielt?
Ein-, zweimal vielleicht, und ich fand sie so furchtbar langweilig, dass ich nie in Gefahr geraten bin, mich daran zu gewöhnen. Meine persönliche Erfahrung mit diesem Thema der Serie ist demnach sehr limitiert.
Und mit dem anderen? Ihr „Consultant“ Regus Patoff soll ein Videospielunternehmen radikal umstrukturieren. Hatten Sie schon mal ähnlich übergriffige Chefs wie diesen?
Ich habe noch nie wirklich im Büro gearbeitet, bin diesem System glücklicherweise also früh entflohen. Aber natürlich – wer hätte solche Vorgesetzten in meinem Alter noch nicht gehabt? Davon unabhängig imitiere ich für meine Rollen jedoch generell weder reale Figuren noch eigene Erfahrungen, sondern spiele das, was aufgeschrieben wurde.
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Christoph Waltz als Regus Patoff in einer Szene aus „The Consultant".
© Quelle: --/Amazon Studios/dpa
In „The Consultant“ geht es aber ohnehin gar nicht um toxische Unternehmensberater, sondern um toxische Arbeitsbedingungen im Hamsterrad der New Economy.
Genau. Und aus dramaturgischer Sicht sorgt die Störung missbräuchlicher Arbeitsverhältnisse durch meinen Unternehmensberater sogar dafür, dass sie weniger toxisch werden. Gerade im digitalen Hamsterrad würde ich mir wünschen, dass es mehr unorthodoxe Leute wie ihn gäbe, die den digitalen Gleichschritt aller Beteiligten analog ein bisschen durcheinanderbringen.
Für Sie ist Patoff also gar nicht der Schurke, den seine diabolische Art mutmaßen lässt?
Nein.
Aber schon eine Figur mit soziopathischer Persönlichkeitsstruktur, die mehrere Ihrer Erfolge als Schauspieler kennzeichnet?
Ich möchte nicht respektlos klingen, aber wenn Sie auf meine Karriere zurückblicken und nur Schurken sehen – gut. Wenn ich auf diese 45 Jahre zurückblicke, sehe ich sogar mehr gute als böse Jungs – wobei Letztere natürlich zwar oft interessanter, vielschichtiger und lebhafter sind. Aber wenn Sie in dieser Figur etwas Diabolisches sehen, sagt das am Ende mehr über Sie als über mich und die Serie. (lacht)
Die noch etwas thematisiert: den Wunsch nach einem Vermächtnis. Was würden Sie der Nachwelt gern einmal hinterlassen?
Meiner unmittelbaren zunächst keine Schulden, aber die Nachwelt flicht Mimen keine Kränze oder wie man neudeutsch sagt: Augen auf bei der Berufswahl.
Was hat es damit auf sich, dass Sie jahrzehntelang keine Serien gedreht haben und jetzt nach „Most Dangerous Game“ 2021 gleich zwei in Folge?
Weil ich meine bevorzugte Erzählform – das Drama – immer vom Ende her denke, unterstelle ich Serien oft, es bloß herauszuzögern. Damit spreche ich ihnen nicht die Gültigkeit ab. Sie wecken nur selten mein Interesse.
Klingt, als ob Sie nicht nur selten Serien drehen, sondern auch sehen.
Ich mache hiermit ein Geständnis: Ich besitze gar keinen Fernseher und schaue zwar das eine oder andere am Computer, aber auch das eher ungern.
Und was hat Sie dann an dieser hier überzeugt?
Der Autor. Normalerweise vertraue ich der Geschichte mehr als ihrem Erzähler. Hier war es umgekehrt. Trotzdem hat sie mich nach dem Lesen der Pilotfolge sofort reingezogen.
Angesichts einer so vielschichtigen Figur, die bedenkenlos Leute entlässt, aber sich vorm Treppensteigen fürchtet, kein Wunder. Wovor haben Sie Angst?
Ängste sind immer situations- und altersabhängig. Als junger, zumal männlicher Mensch, bei dem sich der frontale Kortex nur verzögert entwickelt, hat man ja vor allem, was einen am 40. Geburtstag plötzlich entsetzt, überhaupt keine Angst. Aber selbst der fürchtet letztlich ja den Tod. Warum sollte ich da anders sein?
Sind Sie generell ein ängstlicher Typ?
Wenn ich sehe, was in der Welt gerade alles schiefläuft – sehr sogar! Sobald ich die Zeitung öffne, möchte ich eigentlich sofort zurück ins Bett und mir die Decke über den Kopf ziehen.