Bushido über eigene Doku: „Das Sich-nackt-Machen war beschämend“

Bushido ist in einer Doku bei Amazon Prime Video zu sehen.

Bushido ist in einer Doku bei Amazon Prime Video zu sehen.

Herr Ferchichi, zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zur erweiterten Vaterschaft. Man sagt, dass das Miterleben der Geburt einem Wunder gleichkommt, das alles verändert. Wie war das bei Ihnen?

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Anis Ferchichi: Das ist definitiv so! Ein Wunder! Wir haben jetzt sieben gemeinsame Kinder und einen Sohn, den meine Frau mit in die Ehe gebracht hat. Erst jetzt aber, bei den Drillingen, war ich das erste Mal leibhaftig dabei und habe nicht nur vor der Tür des Kreißsaals seelischen Beistand geleistet. Ich kann verstehen, wenn einer zunächst sagt, das sei nichts für ihn. Da wird ein Kaiserschnitt gemacht, das hinterlässt einen ziemlichen Eindruck. Trotzdem rate ich jedem werdenden Vater, dabei zu sein. All die Ängste und Sorgen, die ich vorher hatte, waren plötzlich verschwunden. All das Blut habe ich gar nicht wahrgenommen, und selbst daran, dass man mir wohl die Plazenta gezeigt hat, habe ich heute keine Erinnerung mehr.

Welche Erinnerung ist geblieben?

Diesen Augenblick, als ich meine erste Tochter aus dem Bauch habe kommen sehen, kann ich gar nicht in Worte fassen. Und ich habe das dann sogar noch zweimal erlebt. Wahnsinn! Ich bin wirklich nicht auf den Mund gefallen. Aber ich kann nicht erklären, was ich in diesem Moment empfunden habe. Ich weiß nur, dass es unglaublich ergreifend und rührend war, und dass ich sehr froh bin, dass ich dabei sein konnte.

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Erst die Geburt mit drei gesunden Mädchen, jetzt die Doku bei Prime Video. Ist die für Sie mehr Imagepflege oder doch eher Befreiungsschlag?

Die Doku ist sicher auch ein Befreiungsschlag. Die Idee kam von dem Journalisten Peter Rossberg und dem ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt, der gern ein Doppelinterview mit mir und meiner Frau führen wollte. Und weil Julian mit „Bild“ ohnehin den Einstieg ins Bewegtbildsegment plante, war die Idee, uns ein kleines Filmteam an die Seite zu stellen. Das Versprechen lautete: „Wir skripten nichts, wir schreiben nichts vor, wir wollen keine Darsteller. Wir lassen dich einfach jeden Tag begleiten, egal was du machst, ob du zum Zahnarzt gehst, ob du in die Schule fährst oder was auch immer.“ Ich habe mir dann gedacht, okay, ich habe in den vergangenen Jahren so viele Mythen geschaffen, habe ganz bewusst polarisiert und bin mit manchen Menschen sehr kontrovers umgegangen. Jetzt aber ist es an der Zeit, mich endlich ganz offen und ehrlich zu präsentieren.

Diese Offenheit hat bisweilen etwas von Selbstgeißelung. Wie schwer war es, sich einzugestehen, dass man jahrelang alles andere als ein netter Kerl war?

Ab einem gewissen Punkt ist es mir überhaupt nicht mehr schwergefallen. Das ist ja das Schöne an der Wahrheit, dass sie letztlich erleichternd wirkt. Ich habe bei den Behörden reinen Tisch gemacht, habe vor Gericht Dinge erzählt, die mich belasten, und habe erklärt, dass ich eine Scheinehe geführt und meine Frau und andere Menschen schlecht behandelt habe. All diesen Ballast wollte ich abwerfen. Dieses Sich-nackt-Machen, das hat sehr wehgetan und war zunächst sehr beschämend. Je mehr ich aber von meinen dunklen Geheimnissen preisgegeben habe, desto freier habe ich mich gefühlt. Und das, obwohl ich riskiert habe, das Konstrukt Bushido und damit meine Lebensgrundlage zu zerstören.

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Gibt es Bushido heute noch?

Es gibt ihn noch, und ich werde im nächsten Monat sogar ein neues Album veröffentlichen. Manch einer wird dann sicher den Kopf schütteln und daran zweifeln, ob ich heute wirklich ein anderer bin. Aber glauben Sie mir, ich war noch nie so wenig Bushido, aber so viel Anis Ferchichi, wie ich es heute bin. Dieses ganze Klischee vom bösen Gangsta-Rapper, von Mutter f****n, Leute schlagen, kriminell sein und Blabla, das damals mein Leben bestimmt hat, ist heute nur noch ein ganz kleiner Teil, irgendwo ganz tief in mir vergraben. Und solange ich diesen Teil nicht hervorhole und nicht bewusst in mein Leben lasse, spielt er überhaupt keine Rolle mehr.

Kann man sagen, dass Sie das Bushido-Kostüm an der eigenen Haustür abgeben?

So ist das wohl. Solange das Spiderman-Kostüm im Schrank hängt, bleibt Peter Parker eben Peter Parker. Mein Problem war, dass ich das Bushido-Kostüm früher eigentlich niemals ausgezogen habe. Heute aber hängt es die meiste Zeit im Schrank – was aber nicht bedeutet, dass ich es nicht ab und an auch mal hervorhole.

Ein bisschen Saulus bleibt also im Paulus?

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Es ist sicher nicht so, dass ich von einer Person zu einer ganz anderen geworden bin. Eher ist es ein steter Prozess, bei dem du dich noch jeden Morgen, wenn du aufstehst, selbst darin erinnern musst, deine Mitmenschen, deine Frau, deine Kinder, deine Freunde so zu behandeln, wie sie es verdient haben. Ein bisschen wie bei jemandem, der mal starker Raucher war. Der hat auch immer mal wieder Momente, in denen er denkt „Jetzt eine Zigarette, das wäre geil“ oder „Es bringt ja eh nichts, also kann ich auch rauchen“. Diese Gefahr ist immer da, gerade dann, wenn man auch Rückschläge einstecken muss. Es ist jeden Tag ein neuer Kampf.

Ein Kampf, in den Sie mit dieser Doku ein Stück weit auch Ihre Kinder mitnehmen …

Das war natürlich ein Punkt, den ich mit meiner Frau ausführlich besprochen habe. Mich kennen in Deutschland wahrscheinlich sehr viele Menschen, und auch meine Frau ist kein unbekanntes Gesicht. Unsere Kinder aber haben wir jahrelang ganz bewusst aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Diese Doku hätte ohne die Kinder aber gar keinen Sinn ergeben. Ich wollte nicht, dass mir jemand zum Beispiel sagt: „So, jetzt nehmen wir mal eine Fake-Tochter, und die muss jetzt von der linken Seite kommen und dich in den Arm nehmen.“ Ich wollte, dass unser Leben als Familie wirklich in Gänze gezeigt wird. Und das ging nicht ohne unsere Kinder.

Damit kennt jeder Zuschauer bald aber auch ihre Gesichter. Ist die latente Bedrohung durch den Abou-Chaker-Clan wegen des aktuellen Gerichtsprozesses geringer geworden?

Das anzunehmen wäre utopisch. Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr ernsten Situation, wir als Familie, aber auch wir als Gesellschaft. Ich habe schon 2005 über Gettos in Deutschland gerappt, auf meinem linken Unterarm ist das Wort Getto tätowiert. Heute, 15, 16 Jahre später, gibt es längst Parallelgesellschaften, in denen ganz eigene Gesetze herrschen. Damals wollte mir das niemand glauben. Und selbst heute gibt es Leute, die es für völligen Blödsinn halten, dass meine Familie unter Polizeischutz steht. Polizeischutz, so etwas brauche man in Deutschland nicht, heißt es dann. Aber das stimmt nicht. Dass wir von bewaffneten Beamten geschützt und in gepanzerten Fahrzeugen durch die Gegend gefahren werden, kommt nicht von ungefähr. Und es sollte uns allen zu denken geben, dass sich heute, 2021 und mitten im Herzen Westeuropas, eine Familie einer solchen Gefahr ausgesetzt sieht.

Bushido und seine Frau Anna Maria.

Bushido und seine Frau Anna Maria.

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Wie geht die Familie, vor allem wie gehen die Kinder damit um?

Klingt vielleicht verrückt, aber es hilft, dass meine Kinder schon früh mit der Polizei konfrontiert worden sind. Dieselben Leute, die heute auf die Kinder aufpassen, haben früher bei uns die Hausdurchsuchungen durchgeführt. (schmunzelt) Und mir ist wichtig, dass die Kinder verstehen, dass die Polizei etwas Gutes, etwas Wichtiges ist. Kürzlich habe ich meinen Sohn ermahnt und wollte ihm die Ohren lang ziehen. Seine Antwort war: „Papa, dann rufe ich die Polizei.“ Glauben Sie mir, die Zeiten von „F**k das LKA“ sind ein für alle Mal vorbei.

Sowohl im Interview als auch in der Doku erscheinen Sie authentisch, ungeschminkt und geläutert, aber eine Frage bleibt offen: Hätte es Ihren Wandel und den Bruch mit dem Clan auch gegeben, wenn Arafat Abou-Chaker Sie anständiger behandelt hätte, ansonsten aber derselbe Gangster geblieben wäre?

Ganz ehrlich, darauf kann ich keine hundertprozentige Antwort geben. Ich bin auch kein Freund davon, über Eventualitäten zu sinnieren. Ich halte mich für halbwegs intelligent und eloquent und bin ein offener Mensch mit vielen, breit gestreuten Interessen. Und trotzdem fiel mir meine Häutung enorm schwer. Bei Arafat Abou-Chaker aber reden wir über einen Neandertaler, der nie in der Lage war und es auch nie sein wird, sich zu ändern. Deshalb hat sich mir die Frage „Was wäre gewesen, wenn …“ zum Glück niemals gestellt.

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