Zunahme der CO₂-Werte im Verkehr: Scheuer gegen Verzicht und Verbot
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Scheuer bezeichnete 2020 als „Hoffnungsjahr“ hinsichtlich weniger klimaschädlichen Fahrzeugantrieben in Deutschland.
© Quelle: Bernd Thissen/dpa
Berlin. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) räumt erheblichen Nachholbedarf bei der geplanten Reduzierung des CO₂-Ausstoßes im Verkehrsbereich ein.
„Dass der Verkehrssektor einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der CO₂-Emissionen leisten muss, ist unbestritten“, sagte Scheuer dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Daran arbeiten wir intensiv und setzen das Klimapaket konsequent um.“ Es könne jedoch nicht sein, dass Güter auf dem Hof der Speditionen stehen bleiben und nicht zum Kunden transportiert würden: „Das wäre zum Schaden der deutschen Wirtschaft.“
Scheuer sagte, sein Ansatz sei, mit Hochdruck daran zu arbeiten, dass die Antriebe alternativ werden und die Kraftstoffe synthetisch: „So gerne ich es wollte: Es ist unrealistisch, von heute auf morgen nur noch Wasserstoff-Lkw und Elektrobusse auf der Straße zu haben.“ Bei Transport und Logistik gebe es immer einen längeren Anlauf, bis sich etwas verändere.
Der Verkehrsminister sprach sich gegen Beschränkungen und für Anreize aus. „Wir wollen Klimaschutz über technologische Verbesserung. Mit Verzicht und Verbot kommen wir nicht weiter“, so der CSU-Politiker weiter. „Auch ein Tempolimit hilft nicht weiter.“ Schon jetzt liege die Durchschnittsgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen bei 117 Stundenkilometern.
Die Energiewende hat den Treibhausgasausstoß insgesamt in Deutschland 2019 auf ein Rekordtief gedrückt. Im Vergleich zu 1990 seien die CO₂-Emissionen um etwa 35 Prozent gesunken. Die Denkfabrik Agora geht in ihrer veröffentlichten Jahresauswertung davon aus, dass die Treibhausgasemissionen um über 50 Millionen Tonnen gegenüber 2018 zurückgegangen sind. Damit könnte Deutschland das Klimaziel für 2020 doch noch erreichen. Der Auswertung zufolge kam die Treibhausgasreduktion fast nur aus dem Stromsektor.
Ganz anders sieht es dagegen im Verkehrssektor aus: Dort nahmen die CO₂-Emissionen zu. Vor allem der steigende Anteil schwerer Fahrzeuge wie SUV führte laut Agora zu einem Anstieg der Emissionen. Auch der Treibstoffverbrauch von Benzin und Diesel nahm 2019 zu. „Das, was die Politik im Energiebereich bereits geschafft hat, müssen wir auch im Verkehrssektor hinbekommen", mahnt Bundesumweltministerin Svenja Schulze.
Von Verkehrswende kann keine Rede sein
Von einer Verkehrswende kann nach Ansicht von Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) keine Rede sein. „Die gerade beschlossenen Maßnahmen des Klimapakets der Bundesregierung werden nicht ausreichen, um die notwendige Trendwende einzuleiten“, sagt der Verkehrsexperte. Die Pkw-Zulassungszahlen für das vergangene Jahr würden deutlich zeigen, wo das Problem liegt. „Ausgerechnet SUV und Geländewagen feierten erneut den höchsten Zuwachs und stellen inzwischen jeden dritten Neuwagen. Alle Fortschritte durch sparsamere, effizientere Motoren werden so zunichte gemacht“, kritisiert der VCD-Sprecher.
Eine Verkehrswende wäre laut Müller-Görnert nur möglich, wenn weniger Autos unterwegs sind und effiziente Elektroautos auf die Straßen kommen. Das sei auch im Interesse der Autohersteller: Denn seit Jahresbeginn gilt der neue verschärfte EU-Zielwert für den CO₂-Ausstoß. Bis 2021 dürfen alle neu zugelassenen Pkw in der EU durchschnittlich maximal nur noch 95 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstoßen. Bis 2030 sollen die CO₂-Emissionen von Neuwagen um 37,5 Prozent gegenüber 2021 sinken.
Oliver Luksic (FDP) spricht von verheerenden Auswirkungen für Autobauer und Zulieferer angesichts der CO₂-Ziele der EU. „Bei Benziner und Diesel werden Strafzahlungen fällig, mit E-Autos wird kein Geld verdient. Der Kostendruck sorgt für Entlassungen. Kleinwagen werden eingestellt, individuelle Mobilität wird verteuert und immer mehr Wertschöpfung und Arbeitsplätze gehen verloren“, sagt der Verkehrspolitiker. Dieser Prozess werde sich, auch aufgrund der noch schärferen Vorgaben in den kommenden Jahren, immer weiter verschärfen.
Verkehrssektor unter Zugzwang
„Das EU-Ziel von minus 37,5 Prozent für Pkw bis 2030 ist das strengste der Welt. Mindestens ebenso anspruchsvoll sind die CO₂-Vorgaben für schwere Nutzfahrzeuge (-30 Prozent A.d.R.). Die Unternehmen sind hier enorm gefordert“, erklärt der Sprecher des deutschen Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Eckehart Rotter. Unternehmen würden langfristige Planungssicherheit brauchen: „Schon 40 Prozent Reduktion bis 2030 sind hoch anspruchsvoll. Jetzt eine weitere Erhöhung ins Auge zu fassen, ist grob fahrlässig. Brüssel darf nicht durch noch härtere EU-Klimaziele die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes Europa gefährden. Die bestehenden 2030-Ziele benötigen vielmehr begleitend eine kluge Industriepolitik“, sagt Rotter.
Auch die SPD-Fraktion sieht den Verkehrssektor unter Zugzwang. Der öffentliche Nahverkehr müsse massiv ausgebaut und attraktiver werden. Deutlich mehr Transporte auf Schiene und Wasserstraße verlagert werden. „Die Ausbaupläne begegnen allerdings nicht selten auch der Kritik in den jeweils betroffenen Regionen", wie SPD-Verkehrspolitiker Arno Klare zu bedenken gibt.